Name: Achim Stößer Permalink: https://tierrechtsforen.de/1/2208/2760
Datum: 03.08.04 20:07
seefahrer schrieb:
>
> die redewendung "das geht auf keine kuhhaut" stammt aus dem
> mittelalter:
>
> damals wurden see-/landkarten nicht auf papier sondern auf
> kuhhäute gemalt
>
> wenn also ein seefahrer eine besonders lange seereise gemacht
> hat, hatte er natürlich säckeweise kartenmaterial
> zurückgebracht. und manchmal war das so viel, dass, wenn man
> versuchte, dasauf eine karte (=kuhhaut) zu bringen einnfach
> zu viel war
>
> die seefahrer haten also mehr gesehen "als auf eine kuhaut
> geht" :-)
Hm. Da gibt es wohl verschiedene Erklärungsmuster:
Zitat:
Mit dem Streifen aus Kuhleder, mit dem in der Äneassage die Königin Dido die Landfläche der zu gründenden Stadt Karthago umspannt, hat die Redensart nichts zu tun. Vielmehr stammt sie aus einem mittelalterlichen Predigtmärlein, dessen Verbreitung zunächst über lateinische Exempelsammlungen vor sich ging. Der älteste Beleg für diese Erzählung ist ein Exempel des Jacques de Vitry (vor 1240 gest.); er erzählt in den 'Sermones vulgares' von einem Priester, der während des Gottesdienstes einen Teufel mit den Zähnen an einem Pergament zerren sieht. Auf Befragen gibt der Böse den Bescheid, er habe das unnütze Kirchenschwatzen aufzuschreiben, und dafür reiche sein Pergament nicht. Der Priester verkündet das der Gemeinde und erweckt Reue, so daß der Teufel seine Aufzeichnungen wieder streichen muß. Die zugrunde liegende Anschauung ist die, daß die Sünden der Menschen von Teufeln auf ein Pergament aufgeschrieben werden, um später, beim Jüngsten Gericht, als Belastungsmaterial zu dienen (vgl. Offb 20,12).
Normalerweise wurden im Mittelalter ja nicht Kuhhäute zum Schreiben verwendet, sondern Schafs- oder Kalbshäute, aber die Pointe der Erzählungen beruht darauf, daß der Sünden eben so viele sind, daß selbst die Haut des größeren Tieres, die Kuhhaut, nicht ausreicht, um alles notieren zu können. Diese Erzählung ist noch in neuzeitlichen Sagen weit verbreitet (Aarne-Thompson *826); sie findet sich auch häufig in bildlichen Darstellungen der Kirchenkunst des späten Mittelalters und auch nach 1500.
Aus dem 14. Jahrhundert zeigt ein Wandfresko in St. Georg auf der Reichenau (Oberzell) ein großes Tierfell, das von vier Teufeln ausgebreitet gehalten wird; der eine packt es außer mit den Klauen auch mit den Zähnen. Über dem Fell werden die Köpfe zweier Frauen sichtbar, die eifrig miteinander schwatzen. Über ihnen deutet eine Art Hängelampe, von der an Kettchen drei Kreuze herabhängen, an, daß das Gespräch in einer Kirche geführt wird. Auf dem Fell stehen in gotischer Majuskel drei Verspaare, die sich auf das Bla-bla-Gerede klatschsüchtiger Frauen beziehen.
(s. u.; das Bild kann ich hier nicht zeigen)
Ein Schrotblatt vom Ende des 15. Jahrhunderts zeigt einen Priester, der die Messe zelebriert, andächtige, aber daneben unruhige, schwatzende oder auch schlafende Kirchenbesucher sowie Teufel mit einem Buch und einem aufgespannten großen Fell.
Die Redensart ist erst verhältnismäßig spät bezeugt, im Unterschied zu den Belegen der Legende.
Mehrmals nimmt Johann Fischart darauf Bezug: in der 'Flöhhatz' von 1573, wo zwei Weiber während der Messe beim Schwatz vom Hundertsten ins Tausendste kommen und sich von Kleidern, Geld und Essen vorreden:
Darzu ich ja nicht der Teufel haiß,
Der hinder der Meß ohn gegaiß
Ain Kühhaut voll schrib solcher Reden,
Die zwei frumb Weiblin zsammen hetten.
Ich wolt er het ghabt treck in Zänen,
Da er die Kühhaut mußt außdänen.
Hier ist deutlich noch der Zusammenhang mit der Legende vorhanden. Auch in Fischarts 'Geschichtklitterung' wirkt das Predigtexempel noch nach: »Der Teuffel hinder S. Martins Mesz mit weissen Rubenzänen das Pergamen, darauff der alten Welschparlirenden Weiber geschnader zu copieren, musz wie der Schuster das Leder ... erstrecken«.
Dann aber verliert die Redensart schnell die Beziehung zur Teufelsgeschichte und verselbständigt sich. Sie ist besonders in den katholischen Landschaften beheimatet und hat sich offenbar erst nach der Reformation von der Erzählung abgelöst, nachdem die Legende kein Eigenleben mehr führte. Herzog Ulrich schreibt 1543: »Ob man gleich einen Brief einer ganzen Kuhhaut gross vol schrieb ...« In Wolfhart Spangenbergs Drama 'Mammons Sold' von 1614 sagt ein betrügerischer Bauer:
summa, ich habe so viel getrieben,
Wann es alles solt seyn beschrieben,
Es ging auff keine Kuhhaut nicht.
In weiterer Entfernung von der alten Legende sind an die Stelle der Kuhhaut noch andere Häute getreten: Stier-, Pferde-, Ziegen-, Eselshäute usw., wie in einem Bildergedicht von 1610:
Wenn ich dies Geschlecht beschreiben solt,
Ein Ochsenhaut ich brauchen wollt.
Hans Jakob Behaim aus Nürnberg schreibt 1644 an seinen Vater: »Mich wundert, daß meine Schwester Susanna, welcher alles, was bey uns verlaufet, bekannt, ihrem Bruder die Mucken aus dem Kopf zu treiben, nicht eine Kuhhaut voll neuer Zeitungen berichtet«. Die Schwester antwortet darauf: »Daß ich dir nit eine Flöhhaut voll wüßt«. Auch Christian Reuter in Leipzig verwendet 1696/97 zweimal die Redensart:
»Wi vielmahl ich mich auch hernach des Jungens halber mit meiner Frau Mutter gezancket und gekiffen, das wäre der Tebel hohl mer auff keine Esels-Haut zu bringen« ('Schelmuffsky'). J. G.
Schnabel steigert in dem Roman 'Insel Felsenburg' (1731-43) die Wendung noch: »Er hielt mir die Kuhhaut oder vielmehr Elephantenhaut vor, worauf alle meine Sünden verzeichnet waren«.
Manchmal wird die Kuhhaut auch zahlenmäßig noch gesteigert. Ein geistlicher Text aus Nürnberg sagt schon 1568:
Das ist unmöglich auszusagen.
Zwölf ganzer Kuhheut müsten haben ...
Wir sind uns bei der heutigen Anwendung der Redensart jedenfalls kaum mehr bewußt, daß ihr eine mittelalterliche Teufelserzählung zugrunde liegt, d.h. die Redensart hat sich von ihrem Ursprung völlig emanzipiert und läßt sich seither auch in ganz anderer, d.h. in profaner Weise verwenden. Auf ein Mißverständnis oder einen sprachlichen Scherz ist die Wendung zurückzuführen: 'Das geht auf keinen Kuhhaufen',
[Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten: Kuhhaut, S. 7. Digitale Bibliothek Band 42: Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten, S. 3588 (vgl. Röhrich-LdspR Bd. 3, S. 908) (c) Verlag Herder
Rolf verdanken wir folgenden Hinweis:
Nun etwas zur Kuhhaut:
Das Soester Stadtrecht ist in der Tat im Jahre 1120 auf eine Kuhhaut geschrieben worden; diese Kuhhaut kann man heut noch im Soester Stadtarchiv bewundern. 1260 und 1283 wurde dieses Stadtrecht revidiert und ergänzt, und es wurde so umfangreich, daß die Kuhhaut nicht mehr ausreichte, all die neuen Bestimmungen aufzunehmen.
Lübeck übernahm dann dieses Soester Stadtrecht, und von Lübeck aus wurde es als "lübisches Recht" das maßgebende Recht für die meisten Hansestädte im Ostseeraum
Bla-Bla
Bla-Bla reden: dumm schwätzen, törichtes Zeug babbeln oder blabbern (preußisch), 'Blech reden'. Die Redensart ist seit dem Mittelalter geläufig und erscheint zum erstenmal im Zusammenhang mit der Vorstellung vom schreibenden Teufel auf der Kuhhaut. Der früheste Beleg findet sich in St. Georg auf der Reichenau in einem Wandfresko, das zwei schwatzende Frauen zeigt mit dem erläuternden Zusatz:
Ich wil hie shribvn,
Von disen tvmben wibvn,
Was hie wirt plapla gvsprochvn
Vppigs in der wochvn
Das wirt allvs wol gvdaht
So es wirt fvr den rihtvr braht.
Da es sich um eine lautmalerische Wendung handelt, hat sie trotz veränderter Schreibweise bis heute ihren ursprünglichen Sinn behalten. Französisch: 'faire du bla-bla'.
http://www.wer-weiss-was.de/faq1143/entry176.html
Tierrechtskonform ist das aber wohl alles nicht ...
Achim
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