Cyber-Demo: nutzloser bis kontraproduktiver (Versuchs-)Tierschutz wie gehabt
Autor: Achim Stößer |
Datum:
Raider heißt jetzt Twixt und Petitionen heißen jetzt "Online-Demonstration" oder "Cyber-Demo". So in der aktuellen internationalen "Kampagne" diverser Tierschutzheuchler (Vier Pfoten etc.) zum morgigen Tierversuchstag ("Jahr für Jahr leiden über 12 Millionen Versuchstiere in den Labors der Europäischen Union, darunter Affen, Hunde, Katzen und Kaninchen.")
Hallo.
Ich wollte nach einem halben Jahr als stiller Mitleser kurz zu einigen Stellen der Maqi-Seite gegen "Tierversuche" (http://maqi.de/txt/versuchstiertag.html)
einige Kommentare lassen.
Kurz zu mir:
Mein Name ist Dom, 27, Bioinformatiker und lebe seit ca. 5 Jahren vegan.
Hier sind meine Kommentare:
Diese Aussage stimmt in dieser Form natürlich nicht. Es gibt nunmal für extrem viele
Anwendungsfälle ein entsprechendes Tiermodell (einfach mal per Google Scholar suchen - bin zu faul, um jetzt noch ein Dutzend Quellen zu nennen),
das mit einer sehr hohe Korrelation mit in-vivo Experimenten am Menschen übereinstimmt. Die aufgeführten Beispiele sind Spezialfälle und
mir ist z.B. nicht bekannt, dass jemand schon einmal eine Eule in einem Tiermodell genutzt hat. Ich bin mit Nichten ein Befürworter von Tiermodellen und finde viele Applikationen in dieser Richtung nicht nur widerwärtig, sondern auch oft absurd. Jedoch stimmt die Aussage, dass Tierversuche prinzipiell nicht auf den Menschen (die andere Spezies) übertragbar sind leider nicht.
Mhhh. Diese Aussage ohne großen Kommentar zu versehen ist natürlich auch nicht ganz so gelungen (sorry).
Die Frage, die man sich ja nun als egozentrisches Menschlein stellen müsste wäre doch: "Huch, bin ich denn sicherer ohne diese Tierversuche?"
Die Antwort heißt hierbei natürlich leider "NEIN" (im allgemeinen, nicht speziellen) - Müsste der Mensch jeden neuen Arzneistoff sofort an
sich selbst ausprobieren, wären die Risiken natürlich größer. Dies wird ja natürlich (was auch nicht verschwiegen werden sollte) in den klinschen Studien gemacht (Phase I-III). Auch sollte man nicht Theorien hierbei hineinwerfen, die noch nicht bewiesen sind (C. botulinum KANN in Honig vorkommen, wobei dieses Bakterium bei Säuglingen EVENTUELL zu Botulismus führen KÖNNTE).
Und wenn man dies tut - sollte man dies auch kennzeichnen. Außerdem: Mir ist nicht bekannt, dass Daunen zu Allergien führen ;-)
Da bin ich ja in meinem Element. Da ich ja promovierender Bioinformatiker bin, kann ich hierzu gerne mal etwas sagen.
Ich beschäftige mich seit jeher (Anfang meines Studiums) mit Alternativen zu Tierversuchen und habe mich
auf pharmakokinetische/pharmakologische Modelle und Simulationen spezialisiert. Um eines vorweg zu nehmen: Mein Hauptanliegen ist es mit Hilfe von
Simulationen und Zellmodellen den Tierversuch (so gut es geht - für mich: generell) zu ersetzen. Das ist für mich die Hauptmotivation beim Forschen.
Es gibt für sehr einige wenige Teilgebiete wirkliche gute Zellmodelle (z.B. Caco2 Monolayer zur Simulation einer entzündeten Darmschleimhaut), die jedoch
niemals 100% mit in-vivo Modellen korrelieren. Die meisten Modelle korrelieren sogar sehr schlecht. Und zum Thema Computersimulation:
Ich habe schon etliche Computersimulationen gesehen und auch einige mitentwickelt. Jedoch sollte man dem Leihen (der ja diese Seite von Maqi lesen soll) nicht vorenthalten, dass wir
leider noch sehr weit davon entfernt sind auch nur ein Computermodell zu besitzen, welches einen Tierversuch generell ersetzen könnte. Davon sind wir noch weit entfernt (leider).
Ich könnte hierüber noch Stunden weiter erzählen, lasse es aber doch besser mal sein :-)
Um noch einiges vorweg zu nehmen: Tierversuche sind ethisch generell nicht zu rechtfertigen.
Ich denke nur, dass viele der auf dieser Seite aufgeführten "Argumente" zweifelhaft bis nichtig sind.
>
> Diese Aussage stimmt in dieser Form natürlich nicht.
Doch, wenn man die Aussage nicht falsch interpretiert. Dort steht nicht, dass es keine ähnlichen Reaktionen bei ähnlichen Einwirkungen gibt, sondern dass die Maßgabe, Ergebnisse prinzipiell übertragen zu können (wie es von einem großen Teil der Bevölkerung geglaubt wird), falsch ist. Die Beispiele erläutern es entsprechend.
Damit ist natürlich nicht gesagt, einem Hund und einem Menschen auf den Kopf zu schlagen würde nicht ähnliche Schmerzen verursachen.
> Die aufgeführten Beispiele sind
> Spezialfälle und
> mir ist z.B. nicht bekannt, dass jemand schon einmal eine
> Eule in einem Tiermodell genutzt hat. Ich bin mit Nichten ein
Ich denke nicht, dass Penicillin oder Aspirin Spezialfälle sind. Genauso wenig wie Tierversuche an Meerschweinchen. Diese beiden Stoffe wären, wären Tierversuche die damalige Maßgabe gewesen, verworfen worden. Ich denke schon, dass das ein gutes Beispiel für die Fehlerhaftigkeit des Denkens ist, Tierversuche seien in jedem Fall notwendig und gut.
> absurd. Jedoch stimmt die Aussage, dass Tierversuche
> prinzipiell nicht auf den Menschen (die andere Spezies)
> übertragbar sind leider nicht.
Auch "prinzipiell" steht nicht da. Im Ganzen scheinst du auch den Status dieses Aussagen misszuverstehen: Es ist eine Pressemitteilung, kein wissenschaftlicher Artikel. Daher sind die Formulierungen pointiert und nicht auf die Deckung von Sonderfällen ausgelegt (denn quantitativ sind die Tierversuche, die halbwegs brauchbar wären, deutlich in der Minderheit).
>
> Mhhh. Diese Aussage ohne großen Kommentar zu versehen ist
> natürlich auch nicht ganz so gelungen (sorry).
Der Kommentar steht dahinter. Und groß ist es nicht, weil: Pressemitteilung, kein Artikel.
> Die Frage, die man sich ja nun als egozentrisches Menschlein
> stellen müsste wäre doch: "Huch, bin ich denn sicherer ohne
> diese Tierversuche?"
> Die Antwort heißt hierbei natürlich leider "NEIN" (im
> allgemeinen, nicht speziellen)
Aber nur wenn man eine absurd übersteigerte Definition von "sicher" zugrunde legt. Wir sind auch sicher genug ohne Menschenversuche. Natürlich könnte z.B. der ADAC, wenn er Menschen und keine Dummies bei Crashtests einsetzen würde, noch mehr und noch genauere Informationen ermitteln, dennoch wird darauf verzichtet. Bei medizinischen Versuchen gilt das Analoge: Auch ohne alle die Erkenntisse (quantitativ und qualitativ), die durch Menschenversuche (gemeint sind die, die der Intensität von Tierversuchen entsprechen) nicht gemacht werden, sind Menschen sicher genug.
Zudem ist es nicht möglich die Erkenntnismöglichkeit von Alternativverfahren zu beurteilen, solange sie praktisch nicht gefördert werden. Zu behaupten, man bräuchte Tierversuche um "sicher" zu sein, ist Unsinn.
> Außerdem: Mir ist nicht bekannt, dass Daunen zu Allergien
> führen ;-)
> einige mitentwickelt. Jedoch sollte man dem Leihen (der ja
> diese Seite von Maqi lesen soll) nicht vorenthalten, dass wir
> leider noch sehr weit davon entfernt sind auch nur ein
> Computermodell zu besitzen, welches einen Tierversuch
> generell ersetzen könnte. Davon sind wir noch weit entfernt
> (leider).
Wieso besteht eine Notwendigkeit, alles exakt ersetzen zu können? (Auch hier Stichwort: Menschenversuche.)
In einer Woche ist, wie an jedem 24. April seit 1979, Tierversuchstag, "Welttag des Versuchstieres". Allein in Deutschland werden jährlich fast drei Millionen Wirbeltiere für Tierversuche misshandelt und getötet: fast 90% davon Nagetiere (Mäuse, Ratten, Meerschweinchen etc.), daneben vor allem Fische (5%), Vögel (4%), Kaninchen (2%) und Schweine (0,5%, 13637 Individuen 2009, das Foto zeigt Schweine im Tierversuch in der Landesanstalt für Schweinezucht). Knapp jeder siebte Tierversuch ist gesetzlich vorgeschrieben; dabei sind Tierversuche nicht nur wissenschaftlich unsinnig, sondern vor allem ethisch inakzeptabel.
Re: Cyber-Demo: nutzloser bis kontraproduktiver (Versuchs-)Tierschutz wie gehabt
Autor: n-vegan |
Datum:
Die Links zu dem was Du zu den Themen geschrieben hast empfinde ich als sehr hilfreich. Hilfreich für mich zum Einen, WEIL Du's verlinkt hast (da ich mit der Suchfunktion so meine Schwierigkeiten habe) und zum Anderen weil Deine Infos und Ansichten auf Anhieb wie (fast) immer schlüssig und logisch waren. Vielen Dank für Beides!