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Tiere in Bayreuth

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Tiere in Bayreuth

Autor: martin | Datum:
Ich weiß nicht genau, woran es liegt - vielleicht ist es nur Provokation? - aber bei den Inszenierungen der Wagner-Opern bei den Bayreuther Festspielen wird scheinbar wiederholt auf unbeliebte Aspekte der Mensch-Nichtmensch-Beziehung angespielt. Bei einem vergangenen Aufführung wurden Videoszenen von Schlachtungen eingespielt und dieses Jahr bildetet bei der Eröffungsinszenierung von "Lohengrin" das Thema Tierversuche den bühnenbildnerischen Hintergrund.

Zitat: Insofern behauptet Hans Neuenfels mit seinem "Lohengrin" in Bayreuth etwas Selbstverständliches, wenn er die Handlung in die aseptischen Räume eines Tierversuchslabors voller Ratten verlegt. Nur dass er es etwas drastischer bebildert. Denn die Ratten sind bei Neuenfels die Menschen von Brabant, die vom Laborpersonal in hellgrünen Schutzanzügen durch das sterile Ambiente gescheucht werden. Auch ihr König, scheint es, gehört zum Tierversuch, obwohl er nicht als Nager verkleidet ist, aber er wird wie ein Gefangener vor- und abgeführt, dasselbe gilt für Elsa, Ortrud und Telramund, wobei der tote Telramund gegen Ende mit einer Rattenmaske auf dem Gesicht hereingeschoben wird und in seine eigentliche Gestalt zurückgefallen scheint. So könnte man sagen: Für Neuenfels sind die Menschen in diesem Stück allesamt ein instinktgetriebenes, epidemisches, auf Überlebenskampf in der und als Masse angelegtes, machtgieriges Gezücht, was die auf eine Leinwand projizierten Zeichentrickfilme noch einmal unterstreichen.

Nur einer kann und will das nicht ganz glauben - Lohengrin. Er stemmt sich noch während des Vorspiels gegen eine riesige Wand an der Rampe, die er nach hinten schiebt und damit den Raum schafft für ein letztes Experiment, mit dem er beweisen möchte, dass die Humanisierung der tierischen Menschennatur durch seine liebende Intervention möglich sei.

(http://www.dradio.de/dlf/sendungen/kulturheute/1233602/)


Zitat: Sie sind Gefolgschaft und Publikum allen Geschehens und oft auch Täter, sie sind Objekte und Subjekte des Experiments, das den Titel „Lohengrin“ trägt und Daten zu einigen grundlegenden Verhaltensweisen ihrer Spezies sowie der Spezies Mensch liefern soll. Manchmal muss Laborpersonal in Schutzanzügen die Ordnung wieder herstellen, denn Ratten neigen als Masse zu eigenwilliger Unordnung. Manchmal entkommen einige von ihnen, und bald dämmert dem beklommenen Zuschauer, was sie dann machen: Sie pflanzen sich fort und vermischen sich mit anderen Gattungen! In einem fortgeschrittenen Stadium des Experiments haben Menschenmädchen Rattenschwänze, den Männern ragen Rattenfüße unten aus den Hosenbeinen.

Am Ende erinnert nur noch wenig an die Rattenvergangenheit der Menschen, an die Menschwerdung der Ratte oder umgekehrt, alles sieht ganz zivil aus. Aber Lohengrins Mission ist gescheitert, und die einzige Hoffnung ruht auf einem frisch aus dem Schwanenei geschlüpften Embryo. Ist nicht-rattisches Menschsein möglich? Man weiß es nicht, man kann es nicht ganz ausschließen.

(http://www.fr-online.de/kultur/musik/planet-der-ratten/-/1473348/4507164/-/index.html)






Jedenfalls scheint der ganze "Mensch-Tier"-Themenkomplex zunehmend auch die Kultur stärker zu durchdringen.