Forenübersicht RSS

Veganismusforum:
ARD über Veganismus

Anzahl Beiträge in diesem Thread: 3

Hinweis: Momentan können keine Beiträge erstellt werden.

ARD über Veganismus

Autor: martin | Datum:
Ein "Interview zur tierfreien Ernährung" gibt es auf den Seiten der ARD. Der Text auszugsweise:
Zitat: Wer sich zu einer veganen Lebensweise bekennt, trifft auch heute noch häufig auf Unverständnis. Kann man sich trotz tierfreier Lebensmittel überhaupt gesund ernähren? Was sollten "Einsteiger" beachten? ARD.de hat bei Expertin Britta Klein vom Verbraucherdienst aid nachgefragt.

Britta Klein ist Diplom-Agraringenieurin und Wissenschaftsredakteurin in der Abteilung "Verbraucherschutz im Lebensmittelbereich" beim Infodienst für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz (aid).

[...]

Ist die vegane Ernährung wirklich so ungesund wie manche behaupten?

Veganer müssen sich sehr sorgfältig mit der Beschaffung und Zubereitung ihrer Lebensmittel auseinandersetzen, sodass sie oft deutlich mehr über gesunde Ernährung wissen als gewöhnliche Esser. Sicher ist: Wenn sie tatsächlich auf alle tierischen Lebensmittel verzichten, können Mangelerscheinungen auftreten. Das gilt besonders für Eiweiß, Kalzium und Eisen sowie die Vitamine D und B12. Hier brauchen Veganer spezielle Lebensmittel, etwa Sojamilch oder Frühstücksflocken, die mit zusätzlichen Vitaminen angereichert sind. Auch kann man Nahrungsergänzungsmittel nehmen oder sich das Vitamin B12 regelmäßig vom Arzt spritzen lassen. Als pflanzliche Kalziumquellen bieten sich zum Beispiel Brokkoli, Fenchel oder Petersilie an, deren Nährstoffe vom Körper gut verwertet werden können. Im Winter, wenn das entsprechende Saisongemüse nicht erhältlich ist, kann man auf getrocknete Früchte, Feldsalat oder Hülsenfrüchte zurückgreifen, die der Körper ohnehin dringend als Eiweißquelle braucht, zum Beispiel Haselnüsse oder Mandeln. Diese Art der Ernährung mit ihren besonderen Lebensmitteln ist übrigens nicht ganz preiswert.

Frau Klein, welche Tipps können Sie Einsteigern in die vegane Ernährung geben?

Generell empfehle ich, Schritt für Schritt vorzugehen, denn sonst überfordert man sich, und das hinterlässt oft Frust. Wenn man zum Beispiel ein Grill-Fan war, könnte man zuerst einmal versuchen, nur noch zweimal in der Woche Fleisch zu essen. Die vegetarische Ernährung ist allgemein ein guter Einstieg, um erst einmal einen Überblick zu bekommen, wie der Körper darauf reagiert, wie man im Alltag zurechtkommt und auch, wie der Bekanntenkreis reagiert. Denn man wird an bestimmten Stellen anecken, auch wenn der Verzicht auf tierische Produkte zurzeit angesagt ist. Auch gibt es in vielen Gegenden Deutschlands so genannte Veggie-Buddys, die Einsteigern bei Fragen rund um die vegane oder vegetarische Ernährung helfen. Darüber kann man sich im Internet informieren.

Können sich auch Schwangere und Kinder vegan ernähren?

Die offizielle Lehre rät davon ab. Es gibt aber durchaus Schwangere, die sich vegan und gesund ernähren. Die Frage ist für mich, ob man die vegane Idee als Schwangere oder stillende Mutter so stark leben muss. Ich persönlich würde in dieser Zeit nicht auf Milch und Eier verzichten, damit wäre ich auf der sicheren Seite. Der Verzicht auf Fleisch hingegen stellt sicher kein Problem dar. Das Gleiche gilt für kleine Kinder, die für Wachstum und Entwicklung viel Vitamin B12 benötigen. Kleine Kinder kann man problemlos vegetarisch ernähren, von einer veganen Ernährung rate ich jedoch ab, da für Wachstum und Entwicklung viel Vitamin B12 benötigt wird. Parallel kann man durchaus den Kindern seine eigene vegane Ernährung vorleben, auch wenn dieser zweigleisige Speiseplan aufwändig ist und dem Kind dann später die Entscheidung selbst überlassen.

[...]

Wenn Ihre Freundin oder Ihr Kind heute beschließen würde, von nun an vegan leben zu wollen: Wie würden Sie reagieren?

Das würde ich mit Respekt und Freude aufnehmen, weil sich die Person über ein wichtiges Thema Gedanken gemacht hat - nämlich über die Frage, welchen Stellenwert Essen in unserem Leben hat. Auf keinen Fall sollte man es als Hirngespinst abtun, denn da steckt ein Erkenntnisprozess dahinter. Die Freundin würde ich das durchziehen lassen, keine Frage. Wenn mein Kind diese Entscheidung treffen würde, würde dies auch mich betreffen, denn ich müsste den Familienspeiseplan umstellen und stünde vor der Wahl, ob die ganze Familie mitmacht oder man eben zweigleisig fährt. Vielleicht findet man dann auf halber Strecke eine Spielart, mit der alle gut klarkommen.

[...]

(http://www.ard.de/ratgeber/essen-trinken/ernaehrung-vegan/-/id=13368/nid=13368/did=1902496/14avx08/)

Sortieren wir erst einmal die offensichtlichen Fehler aus:

"Diese Art der Ernährung mit ihren besonderen Lebensmitteln ist übrigens nicht ganz preiswert." - Dass Sojamilch, die sie erwähnt, teurer ist als Tiermilch, ist richtig. Das war es allerdings auch schon mit deutlichen Zusatzkosten. Die meisten anderen veganen Nahrungsmittel sind Grundnahrungsmittel und die sind billig. Die einzige Vitaminergänzung, die man wirklich (permanent) braucht, ist B12 und das ist mit 10 bis 20 Euro im Jahr (nicht Monat) durchaus nicht teuer.

"Generell empfehle ich, Schritt für Schritt vorzugehen, denn sonst überfordert man sich, und das hinterlässt oft Frust." - Analog zur Beendigung des Rauchens ist auch bei der Umstellung auf Veganismus eine Sofortumstellung die beste Variante. (Der eine oder andere wird sich erinnern, dass beim Rauchen bisher empfohlen wurde, es schrittweise zu reduzieren. Seitdem sich herausgestellt hat, dass das nicht funktioniert, wird jetzt das Aufhören von einem auf den nächsten Tag empfohlen.) Der Grund ist bei beiden Umstellungen der gleiche: Wenn man es schrittweise tut, bekommen die verbliebenen (Tier- bzw. Tabak-)Produkte einen höheren Wert, der sie zu etwas Besonderem macht und die Umstellung erschwert. Bei einer sofortigen Umstellung ist es möglich, sich auf das Neue zu konzentrieren.

"Kleine Kinder kann man problemlos vegetarisch ernähren, von einer veganen Ernährung rate ich jedoch ab, da für Wachstum und Entwicklung viel Vitamin B12 benötigt wird." - Was bei einer B12-Supplementation hinfällig wird. (Was sie weiter oben auch empfiehlt und sich hiermit selbst widerspricht.)

Es sind noch andere Fehler enthalten (auch in den nicht zitierten Stellen), worauf ich aber eigentlich hinweisen wollte, ist, was hier nicht gesagt wurde im Gegensatz zu vielen anderen Artikeln zum Veganismus: Es wurde nicht generell von Veganismus abgeraten und damit immerhin implizit zugegeben, dass es auch langfristig machbar ist. Es wurde die empirische Tatsache akzeptiert, dass es (völlig gesunde) Schwangere und Stillende Veganerinnen gibt. Etwas, das ansonsten meist geleugnet wird, nach der Devise, dass dies unmöglich sei. Es gab keine hysterische Panikmache bei der Frage, ob man Kinder vegan ernähren kann, sondern "nur" ein schwaches Gegenargument. Und sie lehnt es bei der letzten Frage nicht grundheraus ab, ihr eigenes Kind bei dessen veganen Ernährung zu unterstützen (auch wenn sie nicht begeistert wäre).

Im Vergleich zu den Aussagen, die noch bis vor wenigen Jahren Standard gewesen und auch heute noch öfters zu lesen sind, ist das deutlich fortschrittlich. Halbwegs seriöse Medien können wohl doch die empirischen Tatsachen nicht ewig leugnen bzw. wollen sich mit dieser Leugnung irgendwann nicht mehr lächerlich machen. Noch ein paar Jahre und die Möglichkeit der veganen Kinderernährung aufgrund offensichtlich gesunder veganer Kinder kann auch nicht mehr ignoriert werden.

Die "Welt" über Veganismus

Autor: martin | Datum:
Ein Artikel der gleichen Methode findet sich heute in der Online-Ausgabe der "Welt". Der gleichen Methode heißt: Ein paar Unrichtigkeiten, aber insgesamt überraschend objektiv (am meisten stört noch das Wort "veganisch").

Nicht ganz richtig in dem mit "Veganer bringen ihr Herz in Gefahr" überschriebenen Artikel (welt.de/gesundheit/article13472189/Veganer-bringen-ihr-Herz-in-Gefahr.html) ist die Bezugnahme auf die Studie von Li:
Zitat: Für die Anhänger dieser Kostform ermittelte Li sogar ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, weil ihr Blut zu viel Homocystein und dafür zu wenig gefäßschützendes HDL-Cholesterin aufweist. Außerdem neigen ihre Adern stärker zu Blutgerinnseln. „Ich kann keinem Menschen empfehlen, sich veganisch zu ernähren“, sagt Li. Es sei denn, dass er sich per Nahrungsergänzung mit Biostoffen versorgen würde, von denen ein Veganer zu wenig zu sich nimmt. Dazu gehören Eisen, Zink, Vitamin B12 und Omega-3-Fettsäuren, die in Fisch vorkommen.

Von einigen Methoden Fragwürdigkeiten seiner Studie abgesehen (siehe hier ab dritte Zwischenüberschrift), sprach Li lediglich von "Omega-3-Fettsäuren und Vitamin B12" (nicht auch Eisen und Zink) und Omega-3 kann über die Nahrungsaufnahme eingenommen werden. Nahrungsergänzungsmittel oder Fischkonsum ist keineswegs erforderlich.

Auch die These vom Hirnwachstum der Frühmenschen durch Fleischkonsum ist überholt.
Zitat: „Die Integration von tierischen Nahrungsquellen in den humanen Speiseplan war sehr wahrscheinlich ein Ausgangspunkt für die Weiterentwicklung der kognitiven Leistungsfähigkeit.“

Denn wenn dies der "Ausgangspunkt" war, würde das nicht erklären, wieso es eine Millionen Jahre vom Fleischkonsum bis zum tatsächlichen Hirnwachstum gedauert hat - ein Zeitraum, der selbst für die Evolution zu langsam ist, als dass eine direkte Kausalbeziehung vorliegen könnte.

Eine dritte Unrichtigkeit sind Formulierungen, die suggerieren, Veganer würden ständig unter einer Mangelversorgung mit Nährstoffen leiden. Tatsächlich ist es so, dass sie bei einigen Nährstoffen geringere Mengen aufnehmen, diese sich jedoch einerseits immer noch innerhalb der Toleranz bewegen und andererseits - wie auch im Artikel gesagt wird - die geringeren Mengen keine negativen Folgen nach sich ziehen, da sie ausreichend sind.

Doch das war es bereits mit gröberen Fehlern. Erstaunlich ist hingegen die weitgehend ausgeglichene Berichterstattung. Nach dem Abschnitt über Li heißt es z.B.:
Zitat: Eine Studie, die zu denken gibt, aber Veganer auch nicht zur Panik veranlassen sollte. Denn der Ernährungswissenschaftler David Jenkins von der University of Toronto betont, dass man von bestimmten Auffälligkeiten im Blutbild nicht zwangsläufig auf ein erhöhtes Krankheitsrisiko schließen kann.

Veganer bräuchten beispielsweise gar nicht so viel HDL-Cholesterin wie andere Menschen, denn der Sinn dieses Stoffs besteht darin, das schädliche LDL-Cholesterin von den Gefäßwänden zu „kratzen“. „Doch in den Blutgefäßen von Veganern, die keine tierischen Fette zu sich nehmen, kursiert gar nicht so viel LDL, das beseitigt werden müsste.“

Dass ein Nährstoffmangel bei Veganern nicht automatisch zu Krankheiten führen muss, konnte Ernährungswissenschaftler Ibrahim Elmadfa von der Universität Wien belegen. Sein Team untersuchte die Gesundheit von 233 Männern und Frauen. Von ihnen waren 54 strenge Veganer und verzehrten zu wenig Vitamin B12, Kalzium und Vitamin D, doch sie zeigten keine verstärkte Neigung für Mangelerkrankungen wie etwa Osteoporose.

Und nach dem Abschnitt über die Frühmenschen:
Zitat: Heute können wir allerdings alles, was wir wollen, im Supermarkt kaufen. Vom Erbe der Steinzeitmenschen können wir also getrost ablassen.

Einen solchen, wenig (nur bei der Überschrift) reißerischen, sachlichen, weitgehend objektiven und den Veganismus nicht als gesundheitsschädlich verdammenden Artikel - und das in der "Welt" - hätte ich mir vor noch fünf Jahren nicht vorstellen können.

Vielleicht nur ein Ausrutscher, aber vielleicht gewinnt die Vernunft am Ende tatsächlich.