Hallo Anna,
> Günthers Artikel ist schön, sehr gut, moralphilosophisch auf
> höchstem Niveau und malt eine ideologisch ideale und richtige
> Tierrechtsposition. Vor allem ist der Inhalt seines Artikels
> eines: Eine Utopie.
Wieso soll er eine Utopie sein???
> Es wäre schön und wünschenswert, wenn sich all jene, die dort
> als "Protektionisten" bezeichnet werden, sich als
> Tierrechtler im eigentlichen Sinne gerieren würden. Doch sie
> tun es nicht. Und das ist der entscheidende Punkt, den ich in
> meinem obigen Beitrag versucht habe darzulegen. Sie können es
> nicht, sie wollen es nicht, sie werden es nicht tun.
Das würde ich nicht sagen. Ich habe, als ich vor einigen Jahren zu den "Tierrechten" kam, auch sehr protektionistisch gedacht und gehandelt. Was ich zu der Zeit für Kampagnen und Aktionen unterstützt habe, kommt mir im Nachhinein unmöglich vor. Ich weiß, daß es den Tierrechten absolut nichts gebracht hat, nichts bringen konnte, weil es schon vom Ansatz her nicht so konzipiert und gedacht war (z.B. Unterschriftenlisten von Peta, daß Tiere nur mit vorheriger Betäubung ermordet werden sollen, also Unterschriften dafür, daß Tiere ermordet werden sollen!!! Und das alles unter dem Deckmantel "Tierrechte"!). Aber ich bin nicht für immer bei dieser tierprotektionistischen Position stehengeblieben. Und das deshalb, weil ich Leute getroffen habe, die tierrechtlerisch und antispeziesistisch argumentieren und agieren.
Klar muß eine Bereitschaft von TierproetktionistInnen vorhanden sein, ihre Position zumindest zu überdenken, sonst kann sich selbstverständlich nichts bewegen, aber von vornherein zu behaupten, daß sie ihre Position eh nicht verändern werden, halte ich für fatal. Vielmehr müßten wir daran arbeiten, daß sog. TierrechtlerInnen und die sog. Tierrechtsbewegung kritikfähig wird und sich antispeziesistisch positioniert. Und das kann nur erreicht werden durch die Thematisierung (z.B. durch Günthers Text) problematischer Positionen wie dem Protektionismus. Wir müssen zumindest versuchen, innerhalb der sog. Tierrechtsbewegung etwas zu verändern, weil dann die Chancen auf die Echtheit, Glaubwürdigkeit und somit die Wirksamkeit einer solchen Bewegung viel höher sind.
> Der Mensch ist nicht besonders moralisch, er strebt nach
> Macht, er ist egoistisch, oberflächlich, respektiert die
> Autonomie anderer grundsätzlich nicht, lernt nicht aus
> Fehlern etc. etc. etc.
Das trifft bestimmt auf die meisten Menschen zu. Doch vielleicht stehen die Chancen bei Leuten, die zumindest schon mal eingesehen haben, daß es ein Fehler war, Tiere auszubeuten (wie auch immer sie das formulieren mögen!), gar nicht so schlecht. Deshalb der Ansatz bei VegetarierInnen und erst recht bei TierprotektionistInnen.
Ein generelles Urteil über alle Menschen zu fällen, ist jedenfalls falsch, wie z.B. die Veränderung meiner Position vom Tierschutzgedanken über den Protektionismus bis hin zu Tierrechten und Antispeziesismus zeigt.
> Wir bekommen keine bessere Welt indem wir sie immer nur
> fordern. Wir bekommen sie höchstens wenn wir mit den zur
> Verfügung stehenden Mitteln an dem zur Verfügung stehenden
> Menschen arbeiten und so ganz langsam einen kulturellen
> Lernprozess bewirken.
Ja! Wie stellst Du Dir denn eine Arbeit an solchen Menschen (ich nehme an, wir reden von solchen, die sich der sog. Tierrechtsbewegung zuordnen) vor?
> Und zum "Phyrrussieg" der Käfighaltung: klar einerseits kein
> wirklicher Fortschritt. Klar kein Grund zur Freude. Es hat
> mich damals auch geärgert, wie darüber gejubelt wurde. Das
> war falsch. Man hätte klipp und klar sagen müssen, dass dies
> ein unerträgliches Minimum an Zugeständnis und eigentlich
> unerträglich sei. Das ist versäumt worden. Trotzdem: Was
> bitte wäre denn die Alternative ???
Wieso ist das versäumt worden? Vor allem von wem?
TierrechtlerInnen haben natürlich zum Ausdruck gebracht, daß sie mit dieser Reform der Hühnerausbeutung nicht einverstanden sind. Maqi hat z.B. mit diesem Text und in mehreren PM immer wieder darauf hingeweisen. Leider haben wir nicht so einen großen Einfluß.
Die meisten sog. Tierrechtsgruppen haben in protektionistischer Manier Unterschriften gesammelt für die Abschaffung von Legebatterien, haben die speziesistischen Aktionen von Künast und Apel unterstützt und sich
nicht gegen die Ausbeutung von Hühnern ausgesprochen.
> Es gibt darauf nur eine realistische Antwort: Gar keine
> Veränderung. Glaubst Du denn wirklich, die "Nutz"tierhaltung
> würde von heute auf morgen abgeschafft ??? Das ist nichts als
> eine Utopie.
> Es geht nur über Reformen.Punkt.Ende. Aus. Schlimm aber so
> ist es nunmal. Das zu leugenen dürfte schwer möglich sein.
Gar nicht, ich leugne es. Es müßte doch so offensichtlich sei, auch ohne den "Pyrrhussieg"-Text gelesen zu haben, daß die Leute einweitaus weniger schlechtes Gewissen (möchte sagen gar keins, im Gegenteil) haben, wenn sie Eier von angeblich "glücklichen Hühnern" fressen, daß sie darin überhaupt kein Problem erkennen können. Dank der Propaganda von TierschützerInnen und TierprotektionistInnen (ich habe vor Jahren selbst mal u.a. an einer Auslegeaktion der tierprotektionistischen Gruppe TIRM teilgenommen, bei der "Freilandeier" als etwas akzeptables "gepriesen" wurden) glaubt doch alle Welt, der Erwerb und Konsum von Nicht-Legebatterieeiern sei die reinste Wohltat für Hühner.
Eine solch "tiergerechte", "artgerechte", "humane" Form der Tierausbeutung abzuschaffen, erscheint mir weitaus utopischer! Ganz genauso sieht es aus in Bezug auf "Biofleisch", "Biomilch" etc. etc.
Seltsamerweise würde im Bereich "Pelztierhaltung" fast niemand Reformen befürworten (selbst nicht der Deutsche Tierschutzbund!)! Oder würdest Du da auch argumentieren "es geht nur über Reformen" und es hinnehmen, daß z.B. Nerze in "Freilandhaltung" oder in "Bodenhaltung" (falls das möglich wäre, angeblich soll es das ja nicht sein) gefangengehalten werden bis zu ihrer Ermordung und "Verarbeitung" zum "Pelzmantel"??? Meinst Du nicht auch, daß so "produzierte" "Pelze" in der Ethik von TierausbeuterInnen noch besser wegkommen würden, mit noch besserem Gewissen getragen würden?
> Was aber ist dann die Alternative dazu, Reformen als
> notwendiges Übel zu akzeptieren ? Sie zu verdammen ist
> zynisch, wie ich in obigem Beitrag dargelegt habe. Falsch
> natürlich auch sich (nur) damit zufriedenzugeben.
Natürlich ist die Alternative, sich mit nichts anderem zufriedenzugeben als der Abschaffung von "Pelz-", Eier-, Tiermilch-, "Fleisch-" usw. "produktion". Und das ist keine Utopie.
War es utopisch, die "Nerzfarm" Roßberger zu schließen? Vielleicht sah es anfangs so aus. Doch es wurde Realität.
Und wenn ich Dich richtig verstanden habe, ist es für Dich auch nicht utopisch, die gesamte "Pelztierhaltung", Tierversuche oder die Jagd abzuschaffen - ohne den Weg über Reformen.
> Es macht einen Unterschied für ein Huhn, ob es in einem
> winzigen Drahtkäfig sitzt oder nicht. Es macht einen
> Unterschied für ein Kalb ob es in einer winzigen Box
> angebunden steht oder nicht. Sicher kein großer Unterschied.
> Aber besser-oder weniger schlecht als nichts.
Nein. Das ist zu kurzfristig gedacht. Was ist mit den unzähligen Hühnern, die für diese neue Art der Hühnerausbeutung (mehr "Boden- und Freilandhaltung") überhaupt erst geboren, gequält und ermordet werden, damit die anderen weniger leiden (siehe
Pyrrhussieg)?
> Teilbereiche wie Pelzzucht können sofort ganz abgeschafft
> werden. Die "Nutz"tierhaltung nicht. Reformen zu akteptieren
> heisst nicht sie gutzuheissen. Sie zu verdammen, heißt aber
> die Realität zu verleugnen und ist auch unmoralisch.
Ganz sicher nicht, siehe oben.
Und Reformen werden ohnehin von den unzähligen TierschützerInnen, Tierschutzvereinen und TierprotektionistInnen gefordert. Warum müssen TierrechtlerInnen diese kontraproduktive Suppe auch noch mitkochen?
Iris