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Pressespiegel:
Hühner sind Kunst

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Hühner sind Kunst

Autor: Achim Stößer | Datum:
Zumindest ist das der Vorwand, unter dem sechs Vögel in Frankfurt in einem Kastenwagen eingesperrt sind. Wie war das noch mit dem "Tierschutz im Grundgesetz", durch den solches verhindert werden sollte? Was wieder einmal zeigt, daß nicht reformistischer Tierschutz, sondern abolitionistische Tierrechte erforderlich sind.

Hühner vor dem Dom

Autor: Achim Stößer | Datum:
Frankfurt. «Von meinem Bürofenster aus sehe ich normalerweise den Heiligen Bartholomäus an der Dommauer», sagt Hannelore Knelange, Sekretärin im Dompfarramt. Doch jetzt ist dieser Blick verstellt durch einen kleinen, schwarzen Kastenwagen mit tierischem Inhalt: Sechs weiße Hühner ga kern um eine kleine Büste herum. Gestern hatten sie sogar zwei Eier gelegt. An den Türen ist noch die ursprüngliche Aufschrift zu erkennen: «Feuerwehr». Und sogar die beiden Blaulichter sind noch auf dem Dach. Allerdings gibt’s kein Kennzeichen. Die Erklärung hängt in Form eines Schreibens des Straßenbauamts hinter der Windschutzscheibe: Der Hühner-Lastwagen ( DDR-Marke «Robur») ist Kunst!

Auf Grund der «Sondernutzungserlaubnis» darf das Fahrzeug hier für volle zwei Monate stehen, vom 1. Juli bis zum 31. August, genehmigt als «Skulptur». Das bringt Stadtrat Franz A. Zimmermann auf die Palme, dem als Baudezernenten auch das Straßenbauamt untersteht. «Das ist weder eine Skulptur noch hat es sonst irgendetwas mit Kunst zu tun», sagte der FDP-Politiker gestern nach einem Ortstermin. «Mir tun nur die Hühner leid.» Zimmermann will erreichen, dass der Kastenwagen samt Federvieh wieder verschwindet: «Da werde ich alle Register ziehen.» Er konnte gestern nicht mit seinen Mitarbeitern vom Straßenbauamt sprechen; Zimmermann geht aber davon aus, dass die Sondernutzungserlaubnis lediglich für die beantragte «Skulptur» gegeben wurde, nicht aber für ein solches Objekt. Im Genehmigungs-Schreiben ist allerdings ausdrücklich vermerkt, dass dieses keine Tierhaltung einschließe. Gegen jene wiederum hatte das Veterinäramt nichts einzuwenden. Die Hühner haben genügend Luft, Wasser und Fressen, und die angrenzenden Bäume sorgen für Schatten.

Aufgestellt wurde der fahrbare Hühnerstall von der Frankfurter Galeristin Parisa Kind, die früher in Sachsenhausen (Oppenheimer Straße) ausstellte und jetzt in der Fahrgasse 7 zu finden ist. Zu einer Ausstellungseröffnung im März hieß es in der F.A.Z.: «Parisa Kind, deren Programm eine Vorliebe für eigenwillige, mitunter schräge und nicht auf Gefälligkeit setzende Kunst verrät, bleibt ihrer Linie treu.» Das tut sie jetzt auch vor dem Dom. Aber Hühner sind nun mal keine schrägen Vögel und als Kunstobjekt wohl kaum geeignet.

Kontrovers diskutiert wird die Aktion durchaus, auch innerhalb der Dompfarrei selbst. Während Sekretärin Knelange an dem Lastwagen aber auch gar nichts Künstlerisches erkennen kann, meint Pfarrer Stefan Scholz: «Wenn ein Künstler von Kunst spricht, nehme ich das zunächst einmal als Tatsache hin.» Für ihn ist der Lkw zumindest «kein Ärgernis».

Den Hühnern scheint’s gut zu gehen, hat Pfarrer Jeffrey Myers, evangelischer Nachbar von Pfarrer Scholz, beobachtet. Er diskutierte mit einem Paar über Kunst, und «das Gespräch wurde von der Anwesenheit der sechs Hühner wortwörtlich beflügelt». Myers verweist im übrigen auf Goethe: Kunst gefalle nur, wenn sie improvisiert erscheine. «Improvisiert scheint es ja auf jeden Fall zu sein!»


Frankfurter Neue Presse
http://www.rhein-main.net/sixcms/list.php?page=fnp2_news_article&id=1768174

Warum Federvieh doch Kunst ist

Autor: Achim Stößer | Datum:

Frankfurt. Die Hühner sind weg! Jemand hat sie um die Ecke gebracht – im wahrsten Sinne des Wortes. Dort, auf dem Platz hinter dem Kaiserdom, stehen die sechs schneeweißen Flattervögel nun in ihrem ausrangierten Feuerwehrauto und sind sich ihrer Bedeutung als Kunstwerk offenbar nicht so recht bewusst. Noch am Mittwoch hatte der von Amts wegen samt Bewohnern als «Skulptur» eingestufte Kastenwagen für Aufregung gesorgt, weil er in unmittelbarer Nähe des Dom-Eingangs stand (wir berichteten). Ein hilfsbereiter Mensch hat den Wagen gestern nun wenige Meter weiter gefahren. Dorthin, wo er laut «Sondernutzungserlaubnis» des städtischen Straßenbauamts auch stehen darf (Domplatz / Ecke Kannengießergasse). Für diese Gefälligkeit gab’s nahrhaften Lohn von der Frankfurter Galeristin Parisa Kind (30): Die beiden Eier, die die Hühner am Mittwoch gelegt hatten.

Derweil ging auch gestern die kontroverse Diskussion weiter, ob sechs Hühner in einem Lastwagen Kunst sind oder nicht. Sein klares «Nein» hat Baudezernent Franz A. Zimmermann (FDP) bekräftigt und lässt nun juristisch überprüfen, ob der Vertrag gekippt werden kann, den einer seiner Mitarbeiter abgeschlossen hat. Des Stadtrats Chancen stehen offenbar nicht schlecht: Die «Sondernutzungserlaubnis» kann «jederzeit widerrufen» werden.

Ein deutliches «Ja» zur Frage «Kunst oder nicht Kunst?» war dagegen von Klaus Klemp vom Amt für Wissenschaft und Kunst zu hören. Er hatte nach intensivem Studium der detaillierten «Skulptur»-Pläne dem Straßenbauamt empfohlen, den Antrag zu genehmigen. Begründung: «Mit der temporären Aufstellung der Skulptur von Thomas Zipp erklären wir uns einverstanden, da es sich fraglos um eine zeitgenössische Kunstaktion handelt.» Diese positive Einschätzung wiederum hält Stadtrat Zimmermann für «bedauerlich». Klaus Klemp: «Thomas Zipp ist ein junger, experimenteller Berliner Künstler mit einem neuen Blick auf die Welt. Kunst beschränkt sich längst nicht mehr auf Ölfarbe. Warum soll ein Huhn nicht Kunst sein?» Zipp selbst, gebürtiger Heppenheimer und Städel-Schüler, sah sich gestern am Telefon nicht in der Lage zu erklären, warum ein Huhn Kunst ist. Er kündigte eine schriftliche Stellungnahme an.

Zipps Lastwagen gehört zu seiner Ausstellung «The new breed (Die neue Brut) – Körper und Geist» in der Galerie Parisa Kind (Fahrgasse 7). Bevor die Ausstellung am vergangenen Freitag eröffnet wurde, hatte Kunsthistorikerin Kind das Straßenbauamt um Vorschläge für einen Lkw-Standort nahe ihrer Galerie gebeten. Das Amt hat ihr daraufhin mehrere Vorschläge unterbreitet: Domplatz, Paulsplatz, Bethmannstraße. Daraufhin hat sie sich für den Domplatz entschieden und neben der «Sondernutzungserlaubnis» (Gebühr: 10 Euro) auch das erforderliche amtstierärztliche Einverständnis vom städtischen Veterinäramt (Gebühr: 120 Euro) eingeholt, für zwei Wochen die sechs Hühner dort zu halten. Dazu musste sie sogar ein Fachbuch über artgerechte Hühnerhaltung studieren und wurde von Tierärztin Dr. Sabine Danz «wie in der Schule» abgefragt. Die Tierärztin nahm auch die Hühner in Augenschein und hatte keine Einwände, «wenn der Wagen im Schatten steht». Die sechs weißen Legehühner stammen von einem Hof in Heppenheim. Noch bis zum 1. August werden sie am Dom zur Schau gestellt, dann können sie bei einem Hühnerhalter in der Nähe Frankfurts wieder ein geruhsames Leben führen wie ganz normale Hühner. Parisa Kind will den leeren Wagen noch bis zum 14. August dort stehen lassen. Dann geht die Galerie bis zum 28. August in die Sommerpause.

rankfurter Neue Presse
http://www.rhein-main.net/sixcms/list.php?page=fnp2_news_article&id=1770079