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Bio-logischer Antispeziesismus

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Bio-logischer Antispeziesismus

Autor: Achim Stößer | Datum:
"Die Trennung zwischen Mensch und Tier ist absolut - davon gehen unsere Ethik und unsere Politik aus, größtenteils, ohne es zu hinterfragen oder ernsthaft zu diskutieren", schreibt Richard Dawkins - und hinterfragt die Trennung zwischen Menschen und anderen Tieren. Er impliziert einen Antispeziesismus, der "notwendigerweise aus der Tatsache der Evolution" folgt. Er stellt vier hypothetische Szenarien vor, die Grenze zwischen Menschen und NMT aufzubrechen, "die - sollten sie Wirklichkeit werden - alles verändern würden". Er "muss zugeben, dass ich einen freudigen Schauer empfinde, wenn ich daran denke, dass wir gezwungen werden könnten, das bisher Nichthinterfragte in Frage zu stellen."

Bemerkenswertes Zitat am Rand:
Zitat: Diejenigen, die in Abtreibungskliniken Sprengsätze legen, sind nicht dafür bekannt, dass sie Veganer sind

Plädoyer für den ultimativen Tabubruch

Autor: Achim Stößer | Datum:
08.06.2009

Zukunft der Gentechnik
Plädoyer für den ultimativen Tabubruch

Die Kreuzung von Mensch und Tier - das ist der Tabubruch, den noch niemand wagt, auch wenn Forscher schon an Chimären aus menschlichen und tierischen Zellen arbeiten. Der Biologe Richard Dawkins plädiert dafür, sich schon einmal mit dem Gedanken anzufreunden.


Die Trennung zwischen Mensch und Tier ist absolut - davon gehen unsere Ethik und unsere Politik aus, größtenteils, ohne es zu hinterfragen oder ernsthaft zu diskutieren. Die Lebensrechtsbewegung Pro-Life ist ein Beispiel dafür: Mit ihr verbindet man eine ethische Haltung, die Abtreibung und Euthanasie ablehnt. Pro-Life bedeutet aber: für menschliches Leben zu sein. Was aber ist mit tierischem Leben?

Diejenigen, die in Abtreibungskliniken Sprengsätze legen, sind nicht dafür bekannt, dass sie Veganer sind; und Katholiken zeigen keinen besonders ausgeprägten Widerwillen, wenn es darum geht, ihre leidenden Haustiere einschläfern zu lassen.

In den Köpfen vieler Menschen ist eine einzellige menschliche Zygote ohne Nerven und Leidensfähigkeit unendlich heilig - einfach weil sie "menschlich" ist. Keine andere Zelle genießt diesen außergewöhnlichen Status. Aber ein solcher "Essentialismus" ist zutiefst unevolutionär.

Gäbe es einen Himmel, in dem alle Tiere, die jemals gelebt haben, herumtollen könnten - wir fänden dort eine Mixtur aus allen lebenden Arten vor - einschließlich uns Menschen.

Ich könnte mich mit einem Weibchen fortpflanzen, das sich mit einem Männchen fortpflanzen könnte - füllen Sie hier nach Belieben mehrere Zwischenschritte ein, möglicherweise gar nicht so viele -, bis wir schließlich bei einem Weibchen ankämen, das sich mit einem Schimpansen fortpflanzen könnte. Wir könnten so eine lange und dennoch durchgehende Kette von Individuen bilden, die miteinander Nachwuchs zeugen könnten. Am Ende aber hätten wir die Verbindung zwischen einem Menschen und einem Warzenschwein - oder einem Känguru oder einem Wels. Dies sind keine Mutmaßungen, es folgt notwendigerweise aus der Tatsache der Evolution.

Zitat: DER AUTOR

Der Evolutionsbiologe Richard Dawkins lehrt an der Universität Oxford als Charles Somonyi Professor of Public Understanding und ist Fellow der Royal Society. Zu seinen Publikationen gehören "Der Gotteswahn", "Das egoistische Gen", "Gipfel des Unwahrscheinlichen", "Der entzauberte Regenbogen" und "Der blinde Uhrmacher".


Theoretisch verstehen wir das. Aber eine praktische Demonstration, wie eine der folgenden, würde wirklich etwas verändern:

1. Entdeckung eines Urmenschen wie Homo erectus oder Australopithecus

Ungeachtet der Yeti-Anhänger glaube ich nicht, dass wir lebende Urmenschen entdecken werden. Der Erdball ist inzwischen zu gründlich erforscht, als dass wir einen großen, in Savannen lebenden Primaten hätten übersehen können. Selbst Homo floresiensis ist seit 17.000 Jahren ausgestorben. Würden wir aber tatsächlich einen lebenden Urmenschen entdecken, würde das alles verändern.

2. Erfolgreiche Kreuzung von Mensch und Schimpanse

Selbst wenn eine solches Mischwesen unfruchtbar wäre wie ein Maultier - die Erschütterung, die durch die Gesellschaft ginge, wäre durchaus heilsam für die nur auf den Menschen fixierte Ethik. Ein angesehener Biologe hat diese Möglichkeit als das unmoralischste aller wissenschaftlichen Experimente bezeichnet.

Zitat: EDGE
Die Internetzeitschrift "Edge" versammelt in einer legendären Serie Beiträge der renommiertesten Wissenschaftler der Welt. Jedes Jahr wird ihnen eine Frage gestellt. Dieser Beitrag entstand als Antwort auf die Frage: Was wird alles verändern? SPIEGEL ONLINE präsentiert ausgewählte Beiträge exklusiv.


3. Experimentelle Chimäre , die zu gleichen Teilen aus Menschen- und Schimpansenzellen bestünde

Chimären aus Menschen- und Mäusezellen werden inzwischen routinemäßig im Labor erzeugt, sie überleben aber nicht bis zum Ende der Schwangerschaft. Ein weiteres Beispiel für die auf den Menschen fixierte Ethik ist übrigens die Aufregung um Mäuseembryonen, die einen bestimmten Anteil an menschlichen Zellen enthalten.

"Wie menschlich muss eine Chimäre sein, bevor strengere Forschungsregeln in Kraft treten sollten?" Bislang ist diese Frage rein theologisch - Chimären leben nicht lange genug, um geboren werden zu können. Außerdem besitzen sie nichts, was einem menschlichen Gehirn gleicht. Aber begeben wir uns doch mal auf das dünne Eis, das Ethiker so lieben: Stellen wir uns vor, wir erschaffen eine Chimäre, die zur Hälfte aus Menschen- und zur Hälfte aus Schimpansenzellen bestünde. Und wir ließen diese erwachsen werden. Das würde alles verändern!

4. Konstruktion von Mischerbgut - bis jetzt nur eine theoretische Möglichkeit

Noch können wir dieses Misch-Erbgut nicht tatsächlich erzeugen und auf Fleisch und Blut übertragen, weil das Techniken erfordert, die wir noch nicht besitzen. Einige meiner Leser werden sie aber vermutlich noch erleben. Ich glaube, dieses Misch-Erbgut wird es einmal geben, und der gemeinsame Vorfahre von Mensch und Schimpanse wird auf diese Weise wieder zum Leben erweckt werden.

Ein Misch-Erbgut aus diesem rekonstruierten Vorfahren und dem modernen Menschen würde zu etwas heranwachsen, was einem wiederauferstandenen Australopithecus ähnelte - gewissermaßen einer zweiten Lucy. Und das würde - oder wage ich es zu sagen: das wird - alles verändern.

Ich habe vier Möglichkeiten aufgezeigt, die - sollten sie Wirklichkeit werden - alles verändern würden. Ich will nicht sagen, dass ich darauf hoffe, dass einer dieser Wege beschritten wird. Dazu müsste ich ausführlicher darüber nachdenken. Aber ich muss zugeben, dass ich einen freudigen Schauer empfinde, wenn ich daran denke, dass wir gezwungen werden könnten, das bisher Nichthinterfragte in Frage zu stellen.


Aus dem Englischen übersetzt von Daniel Bullinger

http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,614357,00.html