Überschriften wie "Ist Soja schädlich?", "Die Wahrheit über Soja", "Die giftige Bohne", "Soja-Mythen" oder auch weniger dramatisch: "Soja – Eine Gefahr für die Menschheit?", häufen sich langsam, aber zunehmend. Sie führen zu Texten, die Soja als giftig, schädlich, wenn nicht tödlich bezeichnen und alle Aussagen über die gesundheitsfördernde Wirkung auf die Propaganda der internationalen Sojamafia schieben.
Zwar ist für die vegane Ernährung Soja keineswegs notwendig (d.h. selbst wenn Soja wirklich was-auch-immer wäre, ist das kaum als Argument gegen Veganismus brauchbar), aber solche dreisten Verunglimpfungen sollen nicht unwidersprochen bleiben. Zudem ist es sicher nur eine Frage der Zeit, bis die dümmern Veganismusgegner (und von denen gibt es genug) versuchen, das als Argument gegen Veganismus zu gebrauchen (also all die, die nicht merken, daß sie sich damit ins eigene Fleisch schneiden). Zudem habe ich es schon in zwei Veganismus-Foren gesehen, wo es teilweise Verunsicherung auszulösen scheint und ein genereller Gegentext fehlt wohl bisher.
Ein verbreitetes Beispiel, dessen Aussagen so oder in anderer Form wiederholt werden ist folgendes (erkennbar sind sie übrigens an der schlechten Orthographie):
Hierbei und bei den anderen "Texten" kann bereits Folgendes pauschal festgestellt werden:
1. Es werden keine genauen oder nur relative Zahlen mitgeteilt. Wenn es gemacht wird, wird nicht gesagt, inwiefern sie relevant sind. Beispiel sind die "30 g Isoflavone". Sojamilch enthält allerdings nur 2,0 mg/g, d.h. in einem Liter Sojamilch (1000 g) sind 2 g enthalten, sodaß man 15 Liter Sojamilch täglich trinken müßte, um diese hohen Mengen zu erreichen. (Der Isoflavongehalt schwankt je nach Anbaugebiet, -bedingungen, -weiterverarbeitung usw. Dabei ist die Angabe von 2 mg/g übrigens noch hoch, nach anderen Angaben zur Isoflavon-Menge in Sojaprodukten können es auch mal täglich 300 Liter oder mehr werden, die getrunken werden müßten.)
Der nächste Taschenspielertrick findet sich (oben nicht enthalten) bei relativen Angaben ("sechs mal höher als", ich glaube es war Cadmium), die keinerlei Aussage darüber machen, wie hoch Vergleichsgehalt ist und welche Dosen schädlich sind. 6 µg wären beispielsweise "sechs mal mehr" als 1 µg und trotzdem sind beides bei ziemlich allen Stoffen keine gefährlichen Dosen.
2. Es fehlen Quellennachweise oder nähere Informationen zu diesen. "Ein Bericht des/der .." – welcher? welches Jahr? in welchem Zusammenhang? usw. (Ansonsten könnte man ja dahinter kommen, daß sich alles zusammengesponnen wurde.) Wenn man Quellen auftauchen, werden fast nie Aussagen über die Untersuchungsmodelle gemacht, die (s.u.) die größte Fehlerquelle sind.
Aber nicht nur Quellen, sondern auch überhaupt Erklärungen, z.B. daß Soja Vit.-D-Mangel auslösen könnte wird mit keinem Wort begründet.
3. Pauschalisierungen. Was wirklich untersucht wurde, ist oftmals nebensächlich. Einmal sind es die rohen Bohnen (die so wohl kaum jemand ißt), von denen mir nichts dir nichts auf verarbeitete Sojaprodukte geschlossen wird, mal (oder eher: oft) ist es irgendwelche Sojasäuglingsnahrung, von deren Zusatzstoffen oder produktionsbedingten Rückständen auf Sojasäuglingsnahrung allgemein oder gar auf alle anderen (völlig anders verarbeiteten Produkte) geschlossen wird.
4. Fehlerhafte Untersuchungsmethoden. Fast alle diese "Erkenntnisse" kommen, wenn man doch einmal angegebenen Quellen nachgeht, aus Tierversuchen oder In-vitro-Tests. Tierversuche sind, wie wir wissen, nicht auf Menschen übertragbar. Die Ergebnisse bestätigen das (die Menschenversuche widersprechen den Nichtmenschenversuchen), s.u.
Dazu gehören auch all die Untersuchungen, die sich auf isolierte Sojaisoflavone oder Sojaproteine beziehen und völlig außer acht lassen, daß sich diese Stoffe in den wesentlich geringeren Mengen der Nahrungsmittel und vor allem im aktiven Nährstoffverbund völlig anders verhalten bzw. auswirken, als unter diesen künstlichen Bedingungen.
Entsprechend dem Märchen-Wahrheit-Schema von oben kommt hier jetzt also die wirkliche Wahrheit über Soja, wobei ich bei Aussagen mit völligem Unsinn ("Japanische Hausfrauen füttern Tofu an ihre Ehegatten...") bzw. völlig irrelevante Aspekte (wielange Soja gegessen wird oder nicht) auslasse. Ergänzt habe ich es mit weiteren Vorurteilen aus anderen Texten.
Märchen: Der durchschnittliche Verbrauch von Sojaprodukten in Japan und China ist 10 Gramm (etwa 2 Teelöffel) pro Tag.
Wahrheit: Laut der Studien "Kobayashi: Trends in national nutritional survey of Japan" (in: Nutr. Health 8 (2-3), S. 91-96) liegt der Konsum in Japan bei 65 g/Tag und in manchen Regionen in China bei bis zu 76 g/Tag.
Märchen: [Schlechtes Eiweiß.] Wie alle Hülsenfruechte, sind auch Sojabohnen arm an schwefelhaltigen Aminosäuren wie Methionin und Cystin. Ausserdem denaturiert die moderne Verarbeitung das fragile Lysin.
Wahrheit: Seit wann ergibt sich der Eiweißstatus aus nur zwei Aminosäuren? Was ist mit Arginin, Histidin, Isoleucin, Leucin, Phenylalanin, Threonin, Tryptophan, Tyrosin und Valin, die in Soja enthalten sind? Soja ist die einzige Pflanze, die alle neun Aminosäuren zusammen besitzt, u.a. deshalb hat es auch bei der FAO/WHO-Untersuchung über die Proteinwertigkeit die höchste Wertigkeit erzielt, vor allen Tierproduktproteinen.
Märchen: Die Produktionsverfahren zerstören xy und erhöhen krebserregende Stoffe usw.
Wahrheit: Die Produktionsverfahren zerstören die schädlichen Stoffe (z.B. Phytate) und zerstören das Protein nicht, sondern entfalten die Proteinstrukturen, sodaß es leichter verdaubar wird. Weitere Beispiele finden sich in den anderen Antworten.
Märchen: Sojaprodukte sind ungeeignet für die Vit.-B12-Versorgung.
Wahrheit: Auch wenn Soja an sich kein verwertbares B12 enthält (die einzige, halbwegs richtige Aussage von oben), gibt es viele Sojaprodukte, denen es zugesetzt ist, damit sind sie gute Quellen unter den angereicherten Nahrungsmitteln.
Märchen: Sojaprodukte verhindern Osteoporose nicht, sondern bedingen sie.
Wahrheit: Wie erwähnt, gibt es a) keine Begründung dafür und b) ist die empirische Grundlage falsch. Die Forschung kam hingegen zu dem Ergebnis: "Soja-Isoflavone weisen durch Aktivierung des Estrogen-Rezeptor-β-Systems in den Knochen einen schützenden Effekt vor Knochenabbau auf."
Märchen: Soja ist schädlich, weil es Protease-Inhibitoren (ins. Trypsinhemmer auch Trypsinantagonisten genannt) enthält.
Wahrheit: Protease-Inhibitoren werden einerseits bei der Herstellung von Sojaprodukten durch Verfahren wie Erhitzen oder Raffinieren denaturiert und damit unschädlich gemacht und andererseits wurde ermittelt, daß sie zu 90% nicht aufgenommen, sondern wieder ausgeschieden werden ("Protease inhibitors in plant foods. Content and inactivation", in: Advances in experimental medicine and biology, Heft 199, Seite 299-347).
Märchen: Soja ist schädlich, weil es Phytoöstrogene (Isoflavone wie Genistein, Glycitein, Daidzein) enthält, die zu Krebs auslösen, Herzkrankheiten bedingen, zu Schilddrüsenunterfunktion führen, verfrühte sexuelle Reife bedingen etc. pp. usw. usf.
Wahrheit: Zu solchen "Ergebnissen" kommt man, wenn man nutzlose Tierversuche macht. Isoflavon-Forschungsinitiative e.V. hat das wie folgt zusammengefaßt:
Wer einen weiteren Beweis für die Nicht-Übertragbarkeit von Tierversuchen braucht, hat ihn hiermit bekommen.
Mehr zu den fehlerhaften Untersuchungsbedingungen:
Risks extrapolated from in vivo experiments
Risks extrapolated from in vitro-models
Weiterführend zur hormonellen Fragen: Soja und Hormonelle Sicherheit
Für das Märchen über Schilddrüsenschädigung gilt Ähnliches:
Entgegen diesen Aussagen, gibt es etliche Studien, die die entgegengesetzte, ursprüngliche Aussage stützen, daß diese Stoffe eben genau die sind, die die gesundheitlich positiven Effekte bewirken. Siehe auch den nächsten Beitrag im Thread.
Weiterführend: Soja und Schilddrüsensicherheit
Märchen: Soja ist schädlich, weil es den GRAS-Status nicht bekommen hat.
Wahrheit: Dieser Status betrifft ausschließlich Zusatzstoffe für weiterverarbeitete Nahrungsmittel. Isolierte Sojaisoflavone und isolierte Sojaproteine haben diesen Status nicht bekommen und nicht etwa sojabasierte Nahrungsmittel oder Sojabohnen allgemein.
Märchen: Soja macht unfruchtbar.
Wahrheit: Wie in der "Erklärung" oben bereits stand: alles Tierversuche, also völlig aussagelos für Menschen. Zudem wird auch hier sehr gerne mit konzentrierten Isoflavonen gearbeitet, wie sie – wie gesagt – in normalen Sojaprodukten nicht vorkommen.
Daneben (in Studien mit Menschen) werden gerne Zahlen von Spermienkonzentrationen heruntergebetet, ungeachtet dessen, daß die Konzentration allein keine Aussagen über die Fruchtbarkeit macht (die Spermienmobilität, Spermienmortalität, Spermienmorphologie und das Ejakulatvolumen ist genauso wichtig). Wenn man einige Studien genauer betrachtet, dann sieht das Ergebnis plötzlich anders aus (so wurden nichtrepräsentative Versuchspersonen benutzt, die Anzahl der Versuchspersonen war zu klein, die Spermienkonzentration war geringer lag aber im Normalbereich usw.).
Nicht zu vergessen, daß die Presse gerne Studienergebnisse verdreht bzw. aus den relativen Zahlen (mehr/weniger als) eigenmächtig unwissenschaftliche Rückschlüsse zieht. (Wie es auch bei der verlinkten Studie der Fall gewesen ist.)
Märchen: Soja ist schlecht für die Umwelt.
Wahrheit: Wie bekannt dient der extensive Sojaanbau zu mehr als 70% der Herstellung von Tiernahrung. Ergo: Unveganismus ist schlecht für die Umwelt, nicht Soja. Siehe auch silch.de-Vorurteile: "Der Anbau von Soja ist umweltschädlich.".
Märchen: Soja ist für die Entwicklungsländer von Nachteil.
Wahrheit: Hier gilt das gleiche.
Märchen: Soja ist schädlich, weil es Phytate/Phytinsäure enthält.
Wahrheit: Phytinsäure wird zum einen durch die körpereigene Phytase sowie durch Phosphatase aus pflanzlicher Nahrung gespalten und unschädlich gemacht. Daneben wird bei der Herstellung verschiedener Sojaprodukte Phytinsäure durch den Fermentierungsprozeß sowie bei der Zubereitung durch Erhitzen reduziert.
Einen hohen Phytinsäuregehalt besitzen übrigens auch Reise, Weizen, Mais, Roggen, Gerste und Erdnüsse (und trotzdem leben wir noch).
Märchen: Soja ist schädlich, weil es Carrageen enthält.
Wahrheit: Soja enthält keineswegs Carrageen, sondern dieses ist ein Zusatzstoff, der bei Sojaprodukten eingesetzt sein kann. Wer es vermeiden will, muß sich lediglich über die jeweiligen Inhaltsstoffe informieren.
Märchen: Soja ist schädlich, weil es Fluor enthält.
Wahrheit: Sojabohnen enthalten ca. 0,3 mg/100 g, aus einem Kilo werden sieben Liter Sojamilch hergestellt, d.h. ein Liter Sojamilch enthält ca. 0,4 mg. Bei einer toxischen Dosis von 20 mg müßten also 50 Liter Sojamilch täglich getrunken werden, um eine Fluorvergiftung zu bekommen (und das auch nur, wenn Fluor zu 100% resorbiert werden würde). Aber wieso richtig rechnen, wenn man auch rumschreien kann.
Daneben ist Fluor ein Spurenelement und wird für den Aufbau von Knochen und Zähnen benötigt, es ist also in den kleinen in Sojaprodukten enthaltenen Mengen nicht schädlich, sondern gesund.
Märchen: Soja ist schädlich, weil es Cadmium enthält.
Wahrheit: Reine Behauptung ohne Zahlen. Die Studie "Cadmium And Lead Content Of Soybean Products" (Journal of Food Science, Heft 45, Nr. 5, Seite 1105-1453) kommt zu dem Ergebnis, daß Sojaprodukte weder relevante Mengen Cadmium noch Blei enthalten und sie bezieht sich auf Soja allgemein. Die Studie, die für die Cadmiumhaltigkeit dahergebetet wird, bezieht sich hingegen nur auf bestimmte, verarbeitete Sojasäuglingsnahrung. (Siehe auch Fazit.)
Märchen: Soja ist schädlich, weil es Lektine, Lysinoalanine und Hämagglutinine enthält.
Wahrheit: Auch diese werden bei der Herstellung von Sojaprodukten durch Verfahren wie Erhitzen denaturiert und damit unschädlich gemacht.
Darüber hinaus sind diese Stoffe auch in vielen anderen Nahrungspflanzen (wie Tomanten) enthalten (und die Schädlichkeit wurde unter Garantie auch in Tierversuchen "ermittelt").
Märchen: Soja ist schädlich, weil es Goitrogene enthält.
Wahrheit: Soja enthält Goitrogene genauso wie etliche andere Nahrungspflanzen (Brokkoli, Raps, Hirse, Mais, Kohl, Radieschen usw.). Solange keine konkreten Zahlen über die Menge vorliegen, ist diese Aussage genauso unrelevant wie die anderen.
Märchen: Soja ist schädlich, weil es Raffinose und Stachyose enthält.
Wahrheit: Dies sind Kohlenhydrate (Mehrfachzucker), die in vielen Hülsenfrüchten vorkommen und schlimmstenfalls zu Blähungen führen können. Das als "schädlich" zu bezeichnen ist reichlich übertrieben.
Märchen: Soja ist schädlich, weil es Aluminium enthält.
Wahrheit: Auch das bezieht sich auf bestimmte Sojasäuglingsnahrung und selbst dort liegen erstens die gefundenen Mengen innerhalb der Toleranzgrenze der WHO und zweitens gibt es keine Informationen zu Langzeitwirkungen einer erhöhten Aluminiumaufnahme bei Kindern (so eine Stellungnahme der Ernährungskommission der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin et al.).
Fazit: Viel heiße Luft und wenig Fakten. Es mag sein, daß irgendwelche Sojasäuglingsnahrung irgendwelche produktionsbedingten schädlichen Zusatzstoffe enthalten könnte, nur liegt das dann an den Zusatzstoffen bzw. der Produktion. Deshalb alle Sojaprodukte als schädlich zu bezeichnen, ist etwas weit hergeholt bzw. eben frei erfunden, aus Halbwahrheiten zusammengeklaubt usw.
Das heißt auch nicht, daß jeder völlig bedenkenlos Soja konsumieren soll. Wie jede Nahrungspflanze hat es einige spezifische, höherkonzentrierte Inhaltsstoffe (wie die Isoflavone), auf die manche Menschen gut und andere vielleicht weniger gut reagieren. Von Menschen mit einer Sojaallergie abgesehen. Aber ob man es gut verträgt (bzw. in welchen Mengen) oder weniger gut, ist individuell und nur weil es einige Menschen gibt, die es weniger gut vertragen, ist Soja sicher keine "Gefahr für die Menschheit".
Zwar ist für die vegane Ernährung Soja keineswegs notwendig (d.h. selbst wenn Soja wirklich was-auch-immer wäre, ist das kaum als Argument gegen Veganismus brauchbar), aber solche dreisten Verunglimpfungen sollen nicht unwidersprochen bleiben. Zudem ist es sicher nur eine Frage der Zeit, bis die dümmern Veganismusgegner (und von denen gibt es genug) versuchen, das als Argument gegen Veganismus zu gebrauchen (also all die, die nicht merken, daß sie sich damit ins eigene Fleisch schneiden). Zudem habe ich es schon in zwei Veganismus-Foren gesehen, wo es teilweise Verunsicherung auszulösen scheint und ein genereller Gegentext fehlt wohl bisher.
Ein verbreitetes Beispiel, dessen Aussagen so oder in anderer Form wiederholt werden ist folgendes (erkennbar sind sie übrigens an der schlechten Orthographie):
Hierbei und bei den anderen "Texten" kann bereits Folgendes pauschal festgestellt werden:
1. Es werden keine genauen oder nur relative Zahlen mitgeteilt. Wenn es gemacht wird, wird nicht gesagt, inwiefern sie relevant sind. Beispiel sind die "30 g Isoflavone". Sojamilch enthält allerdings nur 2,0 mg/g, d.h. in einem Liter Sojamilch (1000 g) sind 2 g enthalten, sodaß man 15 Liter Sojamilch täglich trinken müßte, um diese hohen Mengen zu erreichen. (Der Isoflavongehalt schwankt je nach Anbaugebiet, -bedingungen, -weiterverarbeitung usw. Dabei ist die Angabe von 2 mg/g übrigens noch hoch, nach anderen Angaben zur Isoflavon-Menge in Sojaprodukten können es auch mal täglich 300 Liter oder mehr werden, die getrunken werden müßten.)
Der nächste Taschenspielertrick findet sich (oben nicht enthalten) bei relativen Angaben ("sechs mal höher als", ich glaube es war Cadmium), die keinerlei Aussage darüber machen, wie hoch Vergleichsgehalt ist und welche Dosen schädlich sind. 6 µg wären beispielsweise "sechs mal mehr" als 1 µg und trotzdem sind beides bei ziemlich allen Stoffen keine gefährlichen Dosen.
2. Es fehlen Quellennachweise oder nähere Informationen zu diesen. "Ein Bericht des/der .." – welcher? welches Jahr? in welchem Zusammenhang? usw. (Ansonsten könnte man ja dahinter kommen, daß sich alles zusammengesponnen wurde.) Wenn man Quellen auftauchen, werden fast nie Aussagen über die Untersuchungsmodelle gemacht, die (s.u.) die größte Fehlerquelle sind.
Aber nicht nur Quellen, sondern auch überhaupt Erklärungen, z.B. daß Soja Vit.-D-Mangel auslösen könnte wird mit keinem Wort begründet.
3. Pauschalisierungen. Was wirklich untersucht wurde, ist oftmals nebensächlich. Einmal sind es die rohen Bohnen (die so wohl kaum jemand ißt), von denen mir nichts dir nichts auf verarbeitete Sojaprodukte geschlossen wird, mal (oder eher: oft) ist es irgendwelche Sojasäuglingsnahrung, von deren Zusatzstoffen oder produktionsbedingten Rückständen auf Sojasäuglingsnahrung allgemein oder gar auf alle anderen (völlig anders verarbeiteten Produkte) geschlossen wird.
4. Fehlerhafte Untersuchungsmethoden. Fast alle diese "Erkenntnisse" kommen, wenn man doch einmal angegebenen Quellen nachgeht, aus Tierversuchen oder In-vitro-Tests. Tierversuche sind, wie wir wissen, nicht auf Menschen übertragbar. Die Ergebnisse bestätigen das (die Menschenversuche widersprechen den Nichtmenschenversuchen), s.u.
Dazu gehören auch all die Untersuchungen, die sich auf isolierte Sojaisoflavone oder Sojaproteine beziehen und völlig außer acht lassen, daß sich diese Stoffe in den wesentlich geringeren Mengen der Nahrungsmittel und vor allem im aktiven Nährstoffverbund völlig anders verhalten bzw. auswirken, als unter diesen künstlichen Bedingungen.
Entsprechend dem Märchen-Wahrheit-Schema von oben kommt hier jetzt also die wirkliche Wahrheit über Soja, wobei ich bei Aussagen mit völligem Unsinn ("Japanische Hausfrauen füttern Tofu an ihre Ehegatten...") bzw. völlig irrelevante Aspekte (wielange Soja gegessen wird oder nicht) auslasse. Ergänzt habe ich es mit weiteren Vorurteilen aus anderen Texten.
Märchen: Der durchschnittliche Verbrauch von Sojaprodukten in Japan und China ist 10 Gramm (etwa 2 Teelöffel) pro Tag.
Wahrheit: Laut der Studien "Kobayashi: Trends in national nutritional survey of Japan" (in: Nutr. Health 8 (2-3), S. 91-96) liegt der Konsum in Japan bei 65 g/Tag und in manchen Regionen in China bei bis zu 76 g/Tag.
Märchen: [Schlechtes Eiweiß.] Wie alle Hülsenfruechte, sind auch Sojabohnen arm an schwefelhaltigen Aminosäuren wie Methionin und Cystin. Ausserdem denaturiert die moderne Verarbeitung das fragile Lysin.
Wahrheit: Seit wann ergibt sich der Eiweißstatus aus nur zwei Aminosäuren? Was ist mit Arginin, Histidin, Isoleucin, Leucin, Phenylalanin, Threonin, Tryptophan, Tyrosin und Valin, die in Soja enthalten sind? Soja ist die einzige Pflanze, die alle neun Aminosäuren zusammen besitzt, u.a. deshalb hat es auch bei der FAO/WHO-Untersuchung über die Proteinwertigkeit die höchste Wertigkeit erzielt, vor allen Tierproduktproteinen.
Märchen: Die Produktionsverfahren zerstören xy und erhöhen krebserregende Stoffe usw.
Wahrheit: Die Produktionsverfahren zerstören die schädlichen Stoffe (z.B. Phytate) und zerstören das Protein nicht, sondern entfalten die Proteinstrukturen, sodaß es leichter verdaubar wird. Weitere Beispiele finden sich in den anderen Antworten.
Märchen: Sojaprodukte sind ungeeignet für die Vit.-B12-Versorgung.
Wahrheit: Auch wenn Soja an sich kein verwertbares B12 enthält (die einzige, halbwegs richtige Aussage von oben), gibt es viele Sojaprodukte, denen es zugesetzt ist, damit sind sie gute Quellen unter den angereicherten Nahrungsmitteln.
Märchen: Sojaprodukte verhindern Osteoporose nicht, sondern bedingen sie.
Wahrheit: Wie erwähnt, gibt es a) keine Begründung dafür und b) ist die empirische Grundlage falsch. Die Forschung kam hingegen zu dem Ergebnis: "Soja-Isoflavone weisen durch Aktivierung des Estrogen-Rezeptor-β-Systems in den Knochen einen schützenden Effekt vor Knochenabbau auf."
Märchen: Soja ist schädlich, weil es Protease-Inhibitoren (ins. Trypsinhemmer auch Trypsinantagonisten genannt) enthält.
Wahrheit: Protease-Inhibitoren werden einerseits bei der Herstellung von Sojaprodukten durch Verfahren wie Erhitzen oder Raffinieren denaturiert und damit unschädlich gemacht und andererseits wurde ermittelt, daß sie zu 90% nicht aufgenommen, sondern wieder ausgeschieden werden ("Protease inhibitors in plant foods. Content and inactivation", in: Advances in experimental medicine and biology, Heft 199, Seite 299-347).
Märchen: Soja ist schädlich, weil es Phytoöstrogene (Isoflavone wie Genistein, Glycitein, Daidzein) enthält, die zu Krebs auslösen, Herzkrankheiten bedingen, zu Schilddrüsenunterfunktion führen, verfrühte sexuelle Reife bedingen etc. pp. usw. usf.
Wahrheit: Zu solchen "Ergebnissen" kommt man, wenn man nutzlose Tierversuche macht. Isoflavon-Forschungsinitiative e.V. hat das wie folgt zusammengefaßt:
Wer einen weiteren Beweis für die Nicht-Übertragbarkeit von Tierversuchen braucht, hat ihn hiermit bekommen.
Mehr zu den fehlerhaften Untersuchungsbedingungen:
Risks extrapolated from in vivo experiments
Risks extrapolated from in vitro-models
Weiterführend zur hormonellen Fragen: Soja und Hormonelle Sicherheit
Für das Märchen über Schilddrüsenschädigung gilt Ähnliches:
Entgegen diesen Aussagen, gibt es etliche Studien, die die entgegengesetzte, ursprüngliche Aussage stützen, daß diese Stoffe eben genau die sind, die die gesundheitlich positiven Effekte bewirken. Siehe auch den nächsten Beitrag im Thread.
Weiterführend: Soja und Schilddrüsensicherheit
Märchen: Soja ist schädlich, weil es den GRAS-Status nicht bekommen hat.
Wahrheit: Dieser Status betrifft ausschließlich Zusatzstoffe für weiterverarbeitete Nahrungsmittel. Isolierte Sojaisoflavone und isolierte Sojaproteine haben diesen Status nicht bekommen und nicht etwa sojabasierte Nahrungsmittel oder Sojabohnen allgemein.
Märchen: Soja macht unfruchtbar.
Wahrheit: Wie in der "Erklärung" oben bereits stand: alles Tierversuche, also völlig aussagelos für Menschen. Zudem wird auch hier sehr gerne mit konzentrierten Isoflavonen gearbeitet, wie sie – wie gesagt – in normalen Sojaprodukten nicht vorkommen.
Daneben (in Studien mit Menschen) werden gerne Zahlen von Spermienkonzentrationen heruntergebetet, ungeachtet dessen, daß die Konzentration allein keine Aussagen über die Fruchtbarkeit macht (die Spermienmobilität, Spermienmortalität, Spermienmorphologie und das Ejakulatvolumen ist genauso wichtig). Wenn man einige Studien genauer betrachtet, dann sieht das Ergebnis plötzlich anders aus (so wurden nichtrepräsentative Versuchspersonen benutzt, die Anzahl der Versuchspersonen war zu klein, die Spermienkonzentration war geringer lag aber im Normalbereich usw.).
Nicht zu vergessen, daß die Presse gerne Studienergebnisse verdreht bzw. aus den relativen Zahlen (mehr/weniger als) eigenmächtig unwissenschaftliche Rückschlüsse zieht. (Wie es auch bei der verlinkten Studie der Fall gewesen ist.)
Märchen: Soja ist schlecht für die Umwelt.
Wahrheit: Wie bekannt dient der extensive Sojaanbau zu mehr als 70% der Herstellung von Tiernahrung. Ergo: Unveganismus ist schlecht für die Umwelt, nicht Soja. Siehe auch silch.de-Vorurteile: "Der Anbau von Soja ist umweltschädlich.".
Märchen: Soja ist für die Entwicklungsländer von Nachteil.
Wahrheit: Hier gilt das gleiche.
Märchen: Soja ist schädlich, weil es Phytate/Phytinsäure enthält.
Wahrheit: Phytinsäure wird zum einen durch die körpereigene Phytase sowie durch Phosphatase aus pflanzlicher Nahrung gespalten und unschädlich gemacht. Daneben wird bei der Herstellung verschiedener Sojaprodukte Phytinsäure durch den Fermentierungsprozeß sowie bei der Zubereitung durch Erhitzen reduziert.
Einen hohen Phytinsäuregehalt besitzen übrigens auch Reise, Weizen, Mais, Roggen, Gerste und Erdnüsse (und trotzdem leben wir noch).
Märchen: Soja ist schädlich, weil es Carrageen enthält.
Wahrheit: Soja enthält keineswegs Carrageen, sondern dieses ist ein Zusatzstoff, der bei Sojaprodukten eingesetzt sein kann. Wer es vermeiden will, muß sich lediglich über die jeweiligen Inhaltsstoffe informieren.
Märchen: Soja ist schädlich, weil es Fluor enthält.
Wahrheit: Sojabohnen enthalten ca. 0,3 mg/100 g, aus einem Kilo werden sieben Liter Sojamilch hergestellt, d.h. ein Liter Sojamilch enthält ca. 0,4 mg. Bei einer toxischen Dosis von 20 mg müßten also 50 Liter Sojamilch täglich getrunken werden, um eine Fluorvergiftung zu bekommen (und das auch nur, wenn Fluor zu 100% resorbiert werden würde). Aber wieso richtig rechnen, wenn man auch rumschreien kann.
Daneben ist Fluor ein Spurenelement und wird für den Aufbau von Knochen und Zähnen benötigt, es ist also in den kleinen in Sojaprodukten enthaltenen Mengen nicht schädlich, sondern gesund.
Märchen: Soja ist schädlich, weil es Cadmium enthält.
Wahrheit: Reine Behauptung ohne Zahlen. Die Studie "Cadmium And Lead Content Of Soybean Products" (Journal of Food Science, Heft 45, Nr. 5, Seite 1105-1453) kommt zu dem Ergebnis, daß Sojaprodukte weder relevante Mengen Cadmium noch Blei enthalten und sie bezieht sich auf Soja allgemein. Die Studie, die für die Cadmiumhaltigkeit dahergebetet wird, bezieht sich hingegen nur auf bestimmte, verarbeitete Sojasäuglingsnahrung. (Siehe auch Fazit.)
Märchen: Soja ist schädlich, weil es Lektine, Lysinoalanine und Hämagglutinine enthält.
Wahrheit: Auch diese werden bei der Herstellung von Sojaprodukten durch Verfahren wie Erhitzen denaturiert und damit unschädlich gemacht.
Darüber hinaus sind diese Stoffe auch in vielen anderen Nahrungspflanzen (wie Tomanten) enthalten (und die Schädlichkeit wurde unter Garantie auch in Tierversuchen "ermittelt").
Märchen: Soja ist schädlich, weil es Goitrogene enthält.
Wahrheit: Soja enthält Goitrogene genauso wie etliche andere Nahrungspflanzen (Brokkoli, Raps, Hirse, Mais, Kohl, Radieschen usw.). Solange keine konkreten Zahlen über die Menge vorliegen, ist diese Aussage genauso unrelevant wie die anderen.
Märchen: Soja ist schädlich, weil es Raffinose und Stachyose enthält.
Wahrheit: Dies sind Kohlenhydrate (Mehrfachzucker), die in vielen Hülsenfrüchten vorkommen und schlimmstenfalls zu Blähungen führen können. Das als "schädlich" zu bezeichnen ist reichlich übertrieben.
Märchen: Soja ist schädlich, weil es Aluminium enthält.
Wahrheit: Auch das bezieht sich auf bestimmte Sojasäuglingsnahrung und selbst dort liegen erstens die gefundenen Mengen innerhalb der Toleranzgrenze der WHO und zweitens gibt es keine Informationen zu Langzeitwirkungen einer erhöhten Aluminiumaufnahme bei Kindern (so eine Stellungnahme der Ernährungskommission der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin et al.).
Fazit: Viel heiße Luft und wenig Fakten. Es mag sein, daß irgendwelche Sojasäuglingsnahrung irgendwelche produktionsbedingten schädlichen Zusatzstoffe enthalten könnte, nur liegt das dann an den Zusatzstoffen bzw. der Produktion. Deshalb alle Sojaprodukte als schädlich zu bezeichnen, ist etwas weit hergeholt bzw. eben frei erfunden, aus Halbwahrheiten zusammengeklaubt usw.
Das heißt auch nicht, daß jeder völlig bedenkenlos Soja konsumieren soll. Wie jede Nahrungspflanze hat es einige spezifische, höherkonzentrierte Inhaltsstoffe (wie die Isoflavone), auf die manche Menschen gut und andere vielleicht weniger gut reagieren. Von Menschen mit einer Sojaallergie abgesehen. Aber ob man es gut verträgt (bzw. in welchen Mengen) oder weniger gut, ist individuell und nur weil es einige Menschen gibt, die es weniger gut vertragen, ist Soja sicher keine "Gefahr für die Menschheit".