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Veganismusforum:
Futterneid

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Futterneid

Autor: Sabine S. | Datum:
Hallo Leute,

ich benutze gerade den PC eines Bekannten (selbst kann ich mir keinen leisten) und bin immer wieder erstaunt, welche Möglichkeiten und Informationsfülle das Internet bietet. Nun bin ich also auf die Webside "Veganismus.de" gestoßen und von dort zu eurem Forum. Ist ja interessant, was man da so alles erfährt.

Ich muss mich mal vorstellen: Sabine, 41 J., alleinstehend, nun schon seit 8 Jahren arbeitslos. Mein Lebensstil ist ökologisch bewusst (auch schon in finanziell besseren Zeiten) und ökonomisch sparsam. Meine Freizeit ermöglicht es mir, viele Fahrradausflüge in die Natur zu machen und Beobachtungen aufzuschreiben - manchmal auch mit Gleichgesinnten, die jedoch alle in anderen Städten wohnen. Bin auch Mitglied in Naturschutzvereinen, dort sind auch viele Kontakte nur übers IT möglich. Viele haben wenig Freizeit, müssen arbeiten.

Ich wohne in einer Siedlung der oberen Unterschicht, lauter Spießer, viele alt. Man kann sich vorstellen, wie sie mich als vermeintlich Asoziale beäugen. Es ist auch schwierig, mit denen zu reden, fast alle sind sehr eingefahren in ihren Ansichten. Selbst die wenigen jungen lassen sich von dem Mief anstecken, während sie sich auf der Arbeit hetzen und ausbeuten lassen. Die in meiner Siedlung sind alle so brave Untertanen, die sich unkritisch den Bedingungen des neuen, brutalen Kapitalismus beugen (und des immer mehr in Privatbereiche vordringenden Sexmarktes, aber das ist dann ein anderes Thema). In den Garagenhöfen der Wohnanlage hört man jedoch vor allem das lautstarke Gemecker der Alten, wie schwer sie es hätten. Für die Schönheiten des an den Hof grenzenden Waldrands haben sie keinen Blick, ja nicht einmal ein Ohr. Die im Frühling singenden Vögel sind einfach eine Selbstverständlichkeit. Ich war bisher der einzige Mensch, der gegen die Baumfällwut der Hausverwaltung protestiert und den Eigentümer und die Stadt benachrichtigt hat. Trotzdem wurden die in den letzten 6 Jahren gefällten 13 Bäume nicht ersetzt.

Statt mich in so bedeutsamen Kämpfen zu unterstützen, grenzen mich meine lieben Nachbarn lieber aus und versuchen mich rauszuekeln. Mein Engagement sehen sie nicht, da solche Leute bei den Gruppenaktivitäten der Naturschützer ja nie dabei sind, nur dass ich viel Freizeit habe und fröhlich bin (mein Beruf, zu dem mich meine Eltern gezwungen haben, hat mich nie so erfüllt wie meine Tätigkeiten für die Natur). Dass sie über mich schimpfen, kann man ja noch einigermaßen nachvollziehen. Aber mich wundert, an welchen Details sie sich stören. Als Veganerin ernähre ich mich ausschließlich pflanzlich, und zum Frühstück gibt es - vor allem jetzt im Sommer - Obst. Wenn ich vom kleinen Supermarkt gegenüber mit einem Päckchen Erdbeeren zurückkomme, und da stehen Leute im Hof rum, blicken sie voller Neid darauf. Kaum bin ich außer Sichtweite, kann ich ihr empörtes Gemecker hören. Erdbeeren scheinen einen besonderen Schlüsselreiz auszulösen: "Hast du das gesehen? Wir müssen jeden Cent umdrehen, und die kommt mit Erdbeeren an! Wie kann die sich Erdbeeren leisten?"

Dabei ist es keineswegs so, dass die sich nicht auch welche leisten könnten. Nein, die setzen in ihrem Speiseplan bloß andere Prioritäten. Meistens kaufen die Leute ja in den beiden großen Discountern am Ortsausgang ein, weil dort die Waren 10 Cent das Stück billiger sind. Gleiches verpuffen sie allerdings in Form von Benzin, wenn sie mit ihrem Auto dorthin und wieder zurück fahren, um die vielen vermeintlichen Schnäppchen in klappbaren Boxen hoch in die Wohnung zu verfrachten. Manchmal sehe ich verschiedene Nachbarn im Supermarkt einkaufen. Brot, Brötchen wie die meisten Leute; jedoch keinen Salat, kein Gemüse, sondern Pizza, Nudeln, Fertigsoßenpackungen, Kaffee, Fleisch, Eier, Marmelade und Wurst sowie verschiedene Käsearten als Brotbelag. Von der Obst- und Gemüseabteilung keine Erdbeeren, sondern ein paar grüne Bananen und ein Päckchen Zwiebeln, höchstens noch (möglichst unreife) Tomaten. Also ehrlich, würden die doch statt Kaffee, Brötchen, Butter und ekliger Massenproduktionsmarmelade mit ihren hmmm lecker vielen künstlichen Zusatzstoffen und möglicherweise noch einem gekochten Ei lieber ein Päckchen Erdbeeren frühstücken, kämen die viel billiger weg. Und als Krönung geht dann nochmal einer von der Kasse weg und kommt mit Orangensaft zurück, Marke Granini oder Hohes C. Weil der doch "so gesund" ist. 1 Flasche Graninisaft beispielsweise kostet 1,69 EURO. 1 P. frische Erdbeeren würde 1,99 EURO kosten. Sie bräuchten nur 30 Cent drauflegen, und sie hätten ihre Erdbeeren!

Aber wahrscheinlich verzichten sie auch deshalb lieber darauf, weil sie zu dem ganzen Frühstücksmischmasch schlecht verdaut würden und Blähungen verursachen würden. Obwohl das das restliche Zeug schon ganz alleine tut. Und weil wegen der schlechten Verdauung nicht genug Nährstoffe aufgenommen werden, schieben sich die meisten Leute ja noch was Süßes zwischendurch rein, um die Zeit bis zum Mittagessen zu überbrücken und kurzzeitig einen Energieschub zu bekommen. Das habe ich früher auf den Arbeitsstellen bei zahlreichen Kollegen beobachtet. Ich bin froh, dass ich wenig Geld ausgeben muss, um satt zu werden. Schade nur, dass das so wenig andere Sozialhilfeempfänger begriffen haben. Eigentlich brauchen die doch kein Eiweiß, weil sie nicht so viel Energie wie ein Handwerker oder Bergwerksarbeiter verausgaben. Es sollte kostenlose Ernährungskurse von überzeugten Veganern für arme Leute geben, natürlich mit freiwilliger Teilnahme. Dann könnten sie trotz gesellschaftlicher Benachteiligung zu einer besseren Umweltbilanz beitragen. Leute müssen nicht immer auf Machtpositionen sitzen, um etwas zu erreichen.

Grüße, Sabine