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Tierrechtsforum:
Peter Singer, Speziesist und Unveganer

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Peter Singer, Speziesist und Unveganer

Autor: martin | Datum:
Peter Singer wird in etlichen Artikeln, Webseiten und Büchern über Veganismus und Tierrechte (naja, meist Tierschutz und "Tierethik") als "Begründer der Tierrechte" und dgl. bezeichnet und immer wieder zu diesen Themen interviewt. Da er allerdings kein "Tierrechtsphilosoph" ist, sondern eben speziesistischer Tierschützer und Unveganer, richtet das immensen Schaden an. Was die Öffentlichkeit anhand dieser Verbindung von "Tierrechten" mit einem Antitierrechtler halten muß läßt sich nur erahnen und es ist kein Wunder, daß sie deshalb Tierrechte immer und immer wieder mit kontraproduktivem Tierschutz in Verbindung bringt sowie Veganismus mit Pseudoveganismus gleichsetzt. Ein Beispiel hier.

Die bereits genannten Fakten zu dieser Person (siehe Forensuche und Zitate) können (analog zu diesem Blogeintrag) erweitert werden.

Er ist sich zumindest bewußt, daß er nie für Veganismus argumentiert hat - im Gegensatz zu Leuten, die sein Buch zitieren, ohne es gelesen zu haben:
Zitat: Now, other people assume, incidentally, that in Animal Liberation I said that killing animals is always wrong, and that was somehow the basis for vegetarianism or veganism. But if they go back and look at Animal Liberation they won't find that argument.

(Jetzt nehmen eine Leute im Übrigen an, daß ich in Animal Liberation gesagt hätte, Tiere zu töten sei grundsätzlich falsch und daß das irgendwie die Basis für Vegetarismus oder Veganismus sei. Aber wenn sie in Animal Liberation nachlesen, würden sie dieses Argument nicht finden.)

(Satya-Mag.com-Interview, Okt. 2006)
Veganer ist ohnehin nicht, erdreistet sich allerdings nicht, seinen Unveganismus mit diesem Begriff in Verbindung zu bringen:
Zitat: I've been a vegetarian since 1971. [...] But when I'm traveling or going to other people's places I will be quite happy to eat vegetarian rather than vegan.

(Ich bin Vegetarier seit 1971. [...] Aber wenn ich reise oder bei anderen Leuten zu Besuch bin, bin ich gerne bereit, vegetarisch statt vegan zu essen.)

(Mother-Jones-Interview, 03.03.2006)

I won't eat eggs if they're not free-range, but if they're free-range, I will.

(Ich würde keine Eier essen, die nicht aus Freilandhaltung stammen, aber wenn sie dies tun, würde ich sie essen.)

(Satya-Mag.com-Interview, Okt. 2006)
Darüber hinaus sieht er im Umbringen von Tieren keinerlei ethische Problematik (wie es eben auch mit seinen philosophischen Positionen mehr als deutlich zu lesen war und ist):
Zitat: It's pretty difficult to be a conscientious omnivore and avoid all the ethical problems, but if you really were thorough-going in eating only animals that had had good lives, that could be a defensible ethical position.

(Es ist sehr schwierig, ein gewissenhafter Omnivore zu sein und alle ethischen Probleme zu vermeiden, aber wenn man wirklich konsequent darin wäre, nur Tiere zu essen, die ein gutes Leben hatten, könnte das eine vertretbare ethische Position sein.)

(Guardian-Interview, 08.09.2006)
Da wundert es nicht, wenn er kein Problem darin sieht, sich unvegan zu ernähren:
Zitat: If it is the infliction of suffering that we are concerned about, rather than killing, then I can also imagine a world in which people mostly eat plant foods, but occasionally treat themselves to luxury of free range eggs, or possibly even meat from animals who live good lives under conditions natural for their species, and are then humanely killed on the farm.

(Wenn es die Zufügung von Leiden ist, bei der wir Bedenken haben, eher als das Töten, dann kann ich mir auch eine Welt vorstellen, in der die Leute hauptsächlich Pflanzen essen, aber gelegentlich dem Luxus von Freilandhaltungseiern nachgeben, oder möglicherweise selbst dem Fleisch von Tieren, die ein gutes Leben unter guten, artgerechten Bedingungen führten, und die dann human auf der Farm getötet wurden.)

(The-Vegan-Interview, Herbst 2006)
Und nicht zuletzt rechtfertigt er billigsten Speziesismus mit absurden Argumenten:
Zitat: You could say it's wrong to kill a being whenever a being is sentient or conscious. Then you would have to say it's just as wrong to kill a chicken or mouse as it is to kill you or me. I can't accept that idea. It may be just as wrong, but millions of chickens are killed every day. I can't think of that as a tragedy on the same scale as millions of humans being killed. What is different about humans? Humans are forward-looking beings, and they have hopes and desires for the future. That seems a plausible answer to the question of why it's so tragic when humans die.

(Man kann sagen, es sei falsch ein Lebewesen zu töten, wenn es empfindungsfähig ist oder ein Bewußtsein hat. Dann muß man sagen, daß es genauso falsch ist, ein Huhn oder eine Maus zu töten, wie es falsch ist, dich oder mich zu töten. Ich kann diese Meinung nicht akzeptieren. Es kann falsch sein, aber Millionen Hühner werden jeden Tag getötet. Ich kann mir das nicht als Tragödie auf dem gleichen Niveau vorstellen, als wenn Millionen Menschen getötet werden würden. Worin liegt der Unterschied bei Menschen? Menschen sind zukunftsbewußte Lebewesen und sie haben Hoffnungen und Wünsche für die Zukunft. Das scheint mir eine glaubwürdige Antwort auf die Frage, warum es so tragisch ist, wenn Menschen sterben, zu sein.)

(Indystar.com-Interview, 08.03.2009)


[Beitrag bearbeitet - Juli 2011]

Re: Peter Singer, Speziesist und Unveganer

Autor: Urs | Datum:
Ich frage mich immer bei der Begründung eines Tötungsverbots aufgrund von Zukunftsbewusstsein, inwieweit ein Mensch oder ein anderes selbstbewusstes Tier darunter leidet, wenn es schmerzlos aus dem nichts getötet wird? Man kann auch selbstbewusste Lebewesen ermorden ohne, dass es Todesangst im voraus hat oder auch nur irgendetwas beim Tötungsakt empfindet.

Warum man immer noch Singer zitiert, wenn es Leute wie Gary Francione oder Joane Dunayer gibt, ist mir auch ein Rätsel.

Anscheinend liegt es an Singers Titel "Philosoph", dass man über sein Tierschutzgefasel und seine anti-Tierrechte Argumente "hinwegsieht" und ihn als Tierrechtler darstellt.

Re: Peter Singer, Speziesist und Unveganer

Autor: martin | Datum:
Urs schrieb:
>
> Ich frage mich immer bei der Begründung eines Tötungsverbots
> aufgrund von Zukunftsbewusstsein, inwieweit ein Mensch oder
> ein anderes selbstbewusstes Tier darunter leidet, wenn es
> schmerzlos aus dem nichts getötet wird? Man kann auch
> selbstbewusste Lebewesen ermorden ohne, dass es Todesangst im
> voraus hat oder auch nur irgendetwas beim Tötungsakt empfindet.

Deshalb ist das Kriterium der Leidensverursachung auch nicht das einzige.

> Warum man immer noch Singer zitiert, wenn es Leute wie Gary
> Francione oder Joane Dunayer gibt, ist mir auch ein Rätsel.
> Anscheinend liegt es an Singers Titel "Philosoph", dass man
> über sein Tierschutzgefasel und seine anti-Tierrechte
> Argumente "hinwegsieht" und ihn als Tierrechtler darstellt.

Der eine Grund, vor allem für Deutschland, ist auch die Unbekanntheit (Unübersetztheit), auf englischsprachigen Seiten findet man viel mehr Ablehnung von Singer und Peta. Der andere Grund ist natürlich auch, daß die Leute konsequenten Antispeziesismus und Veganismus nicht hören wollen, sondern all den Tierschützern und Pseudo- und Unveganern solche Aussagen gerade recht kommen.

Dunayer kenne ich noch nicht, aber es sieht zumindest ganz gut aus, da sie sowohl Leidvermeidung aufgrund von Empfindungsfähigkeit als auch Antispeziesismus fordert, sowie Tierschutz und Singer, Regan und Wise ablehnt. Aber in einem Punkt kann ich nicht zustimmen: Es sei nicht gerechtfertigt, „ein nichtmenschliches Tier absichtlich zu töten, außer [...] um jemanden anderen vor dem unmittelbar bevorstehenden Hungertod zu retten.“ Wenn der Menschen und das nm. Tier die gleichen Rechte haben, kann so etwas nicht gerechtfertigt werden (da das nm. Tier nicht sterben würde, nur weil es der Mensch täte, liegt auch kein ethisches Dilemma vor). Mit diesem Argument würde sich außerdem auch Xenotransplantation rechtfertigen lassen.

Re: Peter Singer, Speziesist und Unveganer

Autor: Urs | Datum:
Zitat: Es sei nicht gerechtfertigt, „ein nichtmenschliches Tier absichtlich zu töten, außer [...] um jemanden anderen vor dem unmittelbar bevorstehenden Hungertod zu retten.“ Wenn der Menschen und das nm. Tier die gleichen Rechte haben, kann so etwas nicht gerechtfertigt werden (da das nm. Tier nicht sterben würde, nur weil es der Mensch täte, liegt auch kein ethisches Dilemma vor). Mit diesem Argument würde sich außerdem auch Xenotransplantation rechtfertigen lassen.


Auf diesen Punkt hat mich auch schon Achim aufmerksam gemacht als ich dieses Argument auf einen Flyer packte.
Ja, das ist wirklich ein kritischer Punkt, auch aus praktischen Gründen. Wenn man eine solche Lucke offenlässt, würde mensch sicher wieder Mittel und Wege finden, diese irgendwie auszuhöhlen um weiter medizischen Missbrauch von Nichtmenschen zu legitimieren.

Ich bin gespannt, ob sie dieses Argument in ihrem Buch "Speciesism" noch etwas konkretisiert. Zuerst stehen aber noch zwei Bücher von Francione an.

Dunayer, Francione

Autor: Achim Stößer | Datum:
> Es sei nicht gerechtfertigt, „ein nichtmenschliches
> Tier absichtlich zu töten, außer [...] um jemanden anderen
> vor dem unmittelbar bevorstehenden Hungertod zu retten.“ Wenn

Der Speziesismus dieser Aussage zeigt sich deutlich bei folgender Ersetzung: Es sei gerechtfertigt, "einen Menschen absichtlich zu töten, um jemanden anderen vor dem unmittelbar bevorstehenden Hungertod zu retten."

Es darf bezweifelt werden, daß das grundsätzlich gerechtfertigt ist.

Zu Francione: seit heute gibt es das richtungsweisende Interview mit Gary L. Francione über den Stand der Tierrechtsbewegung vollständig in deutscher Übersetzung.

Achim

Re: Peter Singer, Speziesist und Unveganer

Autor: Mesiu | Datum:
Zitat: „ein nichtmenschliches Tier absichtlich zu töten, außer [...] um jemanden anderen vor dem unmittelbar bevorstehenden Hungertod zu retten.“


Ich habe Dunayer ebenfalls noch nicht gelesen, und der Absatz erscheint mir ebenfalls verdächtig, mich würde aber interessieren, warum sie hier jemanden anderen schreibt und nicht oder sich selbst. Ist das impliziert, findet es sich im ausgelassenen Textteil, oder stellt sich diese Frage für Dunayer erst gar nicht?

Re: Peter Singer, Speziesist und Unveganer

Autor: Urs | Datum:
Ich sollte ihr Buch endlich zu Ende lesen... Bis jetzt kam dieser Punkt noch nicht vor. Die besagte Textstelle ist ja aus ihrem Vortrag an einem der "Tierrechtskongresse", glaub ich von 2004 oder so. Das Buch (bis jetzt) ist das beste, was ich in diesem Bereich gelesen habe und würde ich gerne als Standartlektüre für Tierrechtler und Neueinsteiger sehen.

Dunayer

Autor: martin | Datum:
Mesiu schrieb:
>
> Ich habe Dunayer ebenfalls noch nicht gelesen,

Wie gesagt, ist es nicht aus ihrem (zweiten) Buch. Beim Durchblättern habe ich eine ähnliche Stelle auch nicht gefunden. Sondern aus dem Vortrag zu einem der Pseudo-Tierrechtskongresse in Wien (wo es zwar (wahrscheinlich) auch ernstzunehmende Beiträge gibt, diese aber stark in der Minderzahl sind).

> und der Absatz
> erscheint mir ebenfalls verdächtig, mich würde aber
> interessieren, warum sie hier jemanden anderen
> schreibt und nicht oder sich selbst.

Sich selbst meint sie nicht.

> Ist das
> impliziert, findet es sich im ausgelassenen Textteil, oder
> stellt sich diese Frage für Dunayer erst gar nicht?

Die ganze Textstelle ist:

Zitat: Ich bin der Meinung, daß wir für solche Gesetze nicht eintreten sollten. Stattdessen sollten wir Gesetze fordern, die folgende Handlungen von Menschen verbieten:

Ein nichtmenschliches Tier für ein Experiment, das nicht zum Vorteil des betroffenen Tieres erfolgt, zu verwenden;

Ein nichtmenschliches Tier zu Arbeit, Zurschaustellung, Wettkampf oder Dienstleistungen für Menschen zu zwingen;

Ein nichtmenschliches Tier zu kaufen, zu verkaufen, zu züchten, auszustellen, zu inhaftieren, einzufangen oder zu quälen;

Ein nichtmenschliches Tier absichtlich zu verletzen, außer in Notwehr;

Ein nichtmenschliches Tier absichtlich zu töten, außer um ein offensichtlich unheilbares Leiden zu beenden; oder um Parasitismus bei jemandem anderen, oder Verletzung oder Tötung von jemandem anderen zu verhindern; oder um jemanden anderen vor dem unmittelbar bevorstehenden Hungertod zu retten.

Dem Rest kann man zustimmten (von Ausnahmen abgesehen, wie ein Tier "einzufangen", wenn es medizinische Hilfe genötigt usw.), aber dem letzten eben nicht. Wobei es vlt. nicht unbedingt speziesistisch (i.e.S.) ist, da sie mit "jemand anderen" auch ein anderes nichtmenschliches Tier meinen könnte, aber gegen das Prinzip der Gleichberechtigung (und damit gegen Tierrechte) verstieße es immer noch.

Schaden in der Öffentlichkeit

Autor: martin | Datum:
Zitat: «Speziesismus» gleich Rassismus

Der ideologische Hintergrund der Tierrechtsbewegung ist die Ablehnung der Sonderstellung des Menschen in Bezug auf die Tiere. Diese wird als «Speziesismus» (Ungleichbehandlung von Lebewesen aufgrund ihrer Art) gebrandmarkt und mit anderen Formen der Diskriminierung und Ausbeutung wie Sklaverei und Rassismus gleichgesetzt. Ein bedeutender Vertreter dieser Bioethik ist der australische Philosoph Peter Singer, dessen Thesen sehr umstritten sind. Da für ihn die Zugehörigkeit zur menschlichen Art keinerlei moralische Implikationen hat und das Leid, das einem Lebewesen zugefügt werden darf, einzig an dessen Bewusstseinsgrad gemessen wird, stehen für ihn höhere Säugetiere über geistig schwer behinderten Menschen. Hier sehen Kritiker ungute Parallelen zu den Vorstellungen der Nazis von «lebensunwertem» Leben. (20min.ch, 05.08.09)
Sicher darf man von Zeitungen oder Journalismus allgemein nicht viel erwarten - das Pressespiegelforum beweist es immer wieder (Veganisushetze wohin man nur sieht). Der letzte Satz und die sonstigen inhaltlichen Fehler ("gleichgesetzt", "an Bewußtseinsgrad gemssen" usw.) zeigen es auch hier. Aber dennoch ist das ein weiterer Beweis dafür, wie solche Leute dem Antispeziesismus schaden (so wie Peta oder Vier Pfoten den Tierrechten schaden), wenn seine Position wird als "Grundlage" des Antispeziesismus angesehen wird, unabhängig von der Presseverzerrung.

Cholera statt Pest

Autor: martin | Datum:
Überraschenderweise ist bei ein paar Menschen offensichtlich doch angekommen, daß Singer (äußerst schädlichen) Unsinn erzählt.
Zitat: Populär wurde dieser Ansatz ab Mitte der 1970er Jahre durch den australischen Moralphilosophen Peter Singer. Er beurteilt Handlungen von Menschen allein danach, wie viel Glück oder Leid sie hervorrufen bei anderen »Individuen«, menschlichen wie tierischen. Singer meint tatsächlich, Leid unterscheide sich nur der Größe nach, egal ob es um Menschen oder Tiere geht und das Leid eines »Individuums« könne durch das Glück eines anderen ausgeglichen werden. Bei seinen absurden Kalkulationen mit Leid- und Glücksmengen kommt er zu dem Schluss, dass es gerechtfertigt sei, lieber einen behinderten Säugling als ein gesundes Tier zu töten. Den meisten linken Tierrechtlern schmecken diese brutalen Konsequenzen natürlich nicht. Sie beziehen sich deshalb heute hauptsächlich auf den amerikanischen Tierethiker Tom Regan, der ausdrücklich das Lebensrecht aller Menschen anerkennen will.
(ND, 04.09.09)
Dumm nur, wenn man Regan genauso wenig liest, wie zuvor Singer gelesen wurde. Denn auch er bleibt inhärent speziesistisch, wenn er die moralische Grenze zwischen "hochentwickelten" und niedriger entwickelten Tieren zieht. Zweite sind alle Tiere seiner dritten Kategorie ("moral patiens" i.w.S.) und diese haben keinen inhärenten Wert. Dazu gehören auch Truthähne, Frösche und Hühner und sie zu töten, ist vereinfacht gesagt, nicht so schön, aber beinhaltet für ihn kein moralisches Problem. Bei einem ethischen Dilemma sind sie hingegen die ersten, die für die "höher entwickelten" Tiere geopfert werden.
Kurz: speziesistisch durch und durch. Was daran besser als an Singer ist, bleibt ein Rätsel, da es längst eine wirklich antispeziesitische Theorie gibt.

Re: Cholera statt Pest

Autor: Mona | Datum:
Zum letzten Absatz dieses Artikels im ND,04.09.09

Zitat: Wie eine bessere Gesellschaft frei von den Zwängen
der Profitmaximierung ihr Verhältnis zu Tieren gestaltet,
lässt sich heute nicht klären.
Aber sicher bringt uns Veganismus der befreiten Gesellschaft
keinen Schritt näher. Im Gegenteil: Die Verwischung der Grenze zwischen
Mensch und Tier führt in die Irre.


Der Veganismus schafft aber Grundlagen für ein völlig anderes
Verständnis des Verhältnisses von Mensch zu
Nichtmensch und Mensch zu Mensch,von Moral, Mitgefühl,
Respekt, Achtung. Dadurch leistet der Veganismus
eine ganze Menge für eine befreite Gesellschaft.
Die Grenze zwischen Tier und Mensch wird doch nicht verwischt! Oder sehe ich das falsch?
Es geht doch um Diskriminierung/Ausbeutung/Herrschaft u.s.w.
der Menschen gegenüber Nichtmenschen.

nur heiße Luft

Autor: martin | Datum:
Mona schrieb:
>
> Zum letzten Absatz dieses Artikels im ND,04.09.09
>
> Der Veganismus schafft aber Grundlagen für ein völlig anderes
> Verständnis des Verhältnisses von Mensch zu
> Nichtmensch und Mensch zu Mensch,von Moral, Mitgefühl,
> Respekt, Achtung. Dadurch leistet der Veganismus
> eine ganze Menge für eine befreite Gesellschaft.
> Die Grenze zwischen Tier und Mensch wird doch nicht
> verwischt! Oder sehe ich das falsch?

Nein, das siehst du richtig. Dieser Artikel steckt natürlich voll solcher und anderer Absurditäten, die einzeln zu kommentieren ich mir nicht die Mühe gemacht habe, weil es in den Zeitungen häufig Antiveganismuspropaganda gibt, die alle den gleichen Unsinn enthalten.
An der Formulierung selbst, "die Grenze zwischen Mensch und Tier verwischen", zeigt sich bereits der Speziesismus der Autorin, denn selbstverständlich sind Menschen Tiere, sodaß es keine Grenze gibt. Das gleiche gilt für die zitieren Plakate "Für die Befreiung von Mensch und Tier" auf Tierschutz-Demos, womit sie zeigt, nicht zwischen Tierschutz und Tierrechten unterscheiden zu können (auch sie hat es eben nicht für nötig befunden, sich vorher zu informieren). Speziesismus bedeutet auch nicht, wie von ihr wiedergegeben, daß "es ungerecht [ist], dass Tiere nach anderen Maßstäben behandelt werden als Menschen." Das würde bedeuten, Kühen Wahlrecht zuzusprechen, was kein seriöser Tierrechtler behaupten würde. Genauso "Antispeziesisten lehnen Tierhaltung prinzipiell ab" - selbstverständlich nicht, z.B. für die Aufnahme befreiter Tiere.

Weiterer Unsinn im Überblick:
Zitat: Das nehmen Anhänger dieser Denkrichtung zum Anlass, Nicht-Veganen die Frage zu stellen: Warum findest du es falsch, diese Menschen zu töten? Ein rhetorischer Trick. Egal, was man antwortet, es wird benutzt, um Rechte für Tiere zu begründen. Auch dieser Ansatz arbeitet also damit, die Rechte von Menschen in Frage zu stellen.
Tierrechtler, die automatisch auch Menschenrechtler sind, stellen Menschenrechte in Frage und widersprechen sich selbst... aber natürlich.
Zitat: Mit dem Theorie-Werkzeug der Postmoderne behaupten sie ihren »Antispeziesismus« als emanzipatorisch und setzen »Speziesismus« – den im Grunde alle vertreten, die auf einem Unterschied zwischen Tier und Mensch beharren – mit Sexismus und Rassismus strukturell gleich.
Sie kann also auch nicht zwischen Analogie und Vergleich unterscheiden.
Zitat: [Menschen essen und] Tiere fressen dagegen, was sie finden können. Wer da [in der sprachlichen Differnzierung] keinen Unterschied erkennen kann, will es schlicht nicht und leugnet damit die Besonderheit menschlicher Gesellschaft.
Ahja und wer "Schwarzer" statt "Nigger" sagt leuget wohl einen Unterschied in der "Besonderheit der weißen Rasse"?
Zitat: Wer Menschen und Tiere gleichermaßen als Individuen behandeln will, übergeht, dass nur Menschen sich gesellschaftlich und bewusst aufeinander beziehen können. Diese Fähigkeit ist wesentlich, sowohl für das Begreifen der heutigen falschen Verhältnisse, als auch für die Möglichkeit ihrer Überwindung.
Der gleiche Unsinn wie oben: niemand will nm. Tiere genauso wie Menschen behandeln. Es geht vordergründig um die Grundrechte auf physische und psychische Unversehrtheit. Welche Fähigkeiten Menschen haben oder nicht, ist vollkommen irrelevant.
Zitat: Der beliebte Einwand, dass es Menschen gibt, die dazu nicht in der Lage sind, trifft nicht. Denn auch für sie gilt immer noch, dass sie Menschen sind. Ganz einfach, weil sie von Menschen abstammen.
Speziesismus ist Reinform.

Wie gesagt: Blabla einer Speziesistin und Pseudokritik, die irrelevant oder falsch ist. Manche lernen es nie.

Re: Peter Singer, Speziesist und Unveganer

Autor: Urs | Datum:
Wie rech du hast.

Wenn es nur einmal eine richtige, korrekte und vorallem nicht speziesistische Definition dieses Begriffs in der breiten Medienwelt geben, dürfte so mancher Singer-Speziesistist oder Speziesisten sehen, dass nur der Antispeziesismus eine Grundlage für Rechte von Mensch und Nichtmensch auf rationaler und gerechter Ebene hergibt.

Es erscheint mir immer wieder sehr verwunderlich, warum Speziesisten mit Euthanasiedebatten anfangen, obwohl sie sprichwörtlich eine riesige Zeitspanne hinter sich hatten, dieses von ihnen selbst tabuisierte Grenzthema philosophisch anzugehen.

Wenn jetzt noch ein Schritt weiter gedacht würde, dann wäre eine Euthanasiedebatte erledigt, da Antispezisismus alle nötigen, rationalen Gründe liefert und "menschliche Grenzfälle" und Nichtmenschen rechtlich schützt.

Aber ja, die ermordeten Nichtmenschen auf dem Teller sind ja keine Menschen und reiner Mittel zum Zweck...

Re: Peter Singer, Speziesist und Unveganer

Autor: martin | Datum:
Urs schrieb:
>
> Es erscheint mir immer wieder sehr verwunderlich, warum
> Speziesisten mit Euthanasiedebatten anfangen, obwohl sie
> sprichwörtlich eine riesige Zeitspanne hinter sich hatten,
> dieses von ihnen selbst tabuisierte Grenzthema philosophisch
> anzugehen.

Das kommt wohl daher, daß sich genauso wie Singer, auch Regan, Wolf und 2500 Jahre "Tierethik" (oder "Bioethik") bisher immer nur mit den absurdesten Kriterien beschäftigt hat, die moralische Berücksichtigung rechtfertigen sollen (wie Selbsterkennungsvermögen oder Zukunftsbewußtsein), und die dann natürlich noch unentwickelten oder behinderten Menschen genauso fehlten.

> Wenn jetzt noch ein Schritt weiter gedacht würde, dann wäre
> eine Euthanasiedebatte erledigt, da Antispezisismus alle
> nötigen, rationalen Gründe liefert und "menschliche
> Grenzfälle" und Nichtmenschen rechtlich schützt.

Nicht unbedingt, gerade intraspeziesive (um mal etwas Wortbildung zu betreiben, ich meine "innerhalb der Spezies") Probleme lassen sich schlecht durch Antispeziesismus lösen (z.B. Abtreibung). Aber natürlich ist jede Form von Moral, die nicht auf antispeziesistischer (antirassistischer, antisexistischer usw.) Grundelage beruht, inhärent unmoralisch.

Singers Zoophilie

Autor: martin | Datum:
Singer scheut sich nicht, Tierrechte in sämtlichen Beziehungen zu untergraben. Bereits einige Jahre her, aber hier noch ergänzungsbedürftig, ist seine Verteidigung (wenn nicht "Empfehlung") von Zoophilie in einer Rezension mit dem Titel "Heavy Petting".
In einem Zeitungsartikel darüber heißt es:
Zitat: In his review, titled "Heavy Petting," Mr. Singer noted that almost all of the taboos on nonprocreative sex (taboos against homosexuality, oral sex, contraception and masturbation) have vanished. But one notable exception still stands: the taboo on sex with animals. "Heard anyone chatting at parties lately about how good it is having sex with their dog?" he asked. The persistence of the bestiality taboo, he wrote, reflects humans' ambivalence about animals. We know we are like them, but we think we are better, and so we want "to differentiate ourselves, erotically and in every other way, from animals."

(In seiner Rezension mit dem Titel "Heavy Petting" stellte Singer fest, daß fast alle Tabus von Sex ohne Zeugungsabsicht/-möglichkeit (Tabus von Homosexualität, Oralsex, Verhütung und Masturbation) verschwunden sind. Aber eine deutliche Ausnahme gibt es noch: das Tabu von Sex mit Tieren. "Haben Sie kürzlich jemanden auf Partys darüber reden gehört, wie gut es ist, Sex mit seinem Hund zu haben?", fragt er. Die Beständigkeit des Sodomie-Tabus, schreibt er, spiegelt die menschliche Ambivalenz gegenüber Tieren wider. Wir wissen, daß wir wie sie sind, aber wir denken, wir seien besser, und deshalb wollen wir "uns erotisch und in jeder anderen Hinsicht von Tieren unterscheiden".)

Als "Begründung" diente Singer auch hier sein Utilitarismus-Schwachsinn:
Zitat: "Sex with animals does not always involve cruelty." And if cruelty is the problem, isn't raising them to kill them generally worse than coupling with them?

("Sex mit Tieren impliziert nicht immer Grausamkeit." Und wenn Grausamkeit das Problem ist, ist es nicht generell schlimm sie zu züchten, um sie zu töten, als sich mit ihnen zu paaren?)
Tierrechtler wissen zumindest, daß auch nicht-offensichtliche Grausamkeit tierrechtsverletzend sein kann und Tiere zu sexuellen Handlungen zu mißbrauchen ist unter allen Umständen falsch.

Aber Peta - was will man erwarten? - verteidigte es natürlich.
Zitat: How does PETA, People for the Ethical Treatment of Animals, feel about its ideological father endorsing six-legged sex? PETA president Ingrid Newkirk said of the piece, "It's daring and honest and it does not do what some people read into it, which is condone any violent acts involving an animal, sexual or otherwise." Newkirk wants America to know that Singer does not advocate sex that kills or damages animals or requires them to be restrained. Indeed, Singer condemns sex between men and hens because it is "usually fatal to the hen."
[...]
Newkirk answered, "It sounds like this is an attempt to make this so narrow and so unintellectual in its focus. You know, Peter Singer is an intellectual, and he looks at all nuances of an issue." And: "The whole concept of consent with animals is very different."

(Was hält Peta von ihrem ideologischen Vater, der sechsbeinigen Sex verteidigt? Peta-Präsidentin Ingrid Newkirk sagte über dessen Artikel: "Er ist gewagt und ehrlich und er tut nicht das, was andere Leute hineininterpretieren, nämlich gewaltsame Handlungen an Tieren zu billigen, ob sexuell oder sonstwie." Newkirk will Amerika wissen lassen, daß Singer keinen Sex verteidigt, der Tiere tötet, verletzt oder es nötig macht, sie ihre Bewegungsmöglichkeit zu beschränken. Tatsächlich verurteile Singer Sex zwischen Menschen und Hennen, da er "üblicherweise tödlich für die Henne" sei.
[...]
Newkirk antwortete: "Das klingt, als wäre es ein Versuch, es beschränkt und unintellektuell in seinem Fokus zu aussehen zu lassen. Sie wissen, daß Singer ein Intellektueller ist, und er betrachtet jede Nuance eines Problems." Und: "Das ganze Konzept der Einwilligung bei Tieren ist sehr unterschiedlich."
)
Immerhin: daß Singer hier offensichtlich tödliche Praktiken mißbilligt ist für ihn ein Fortschritt, sonst findet er "humane Schlachtung" schließlich nicht weiter problematisch.
Zitat: There was one important exception. Ingrid Newkirk, the president of People for the Ethical Treatment of Animals, not only stood by Mr. Singer but also imagined a few perfectly innocent human-animal sex acts: "If a girl gets sexual pleasure from riding a horse, does the horse suffer? If not, who cares? If you French kiss your dog and he or she thinks it's great, is it wrong? We believe all exploitation and abuse is wrong." But she added, "If it isn't exploitation and abuse, it may not be wrong."

(Es gibt eine wichtige Ausnahme. Ingrid Newkirk, die Präsidentin von Peta, hält nicht nur zu Singer, sondern stellte sich auch einige völlig unschuldige zoophile Handlungen vor: "Wenn ein Mädchen sexuelles Vergnügen durch das Reiten eines Pferdes erfährt, leidet das Pferd dann? Wenn nicht, wen kümmert es? Wenn du deinem Hund einen Zungenkuß gibst und er das toll findet, ist es dann falsch? Wir glauben, alle Ausbeutung und aller Mißbrauch ist falsch." Aber sie fügte hinzu: "Aber wenn es keine Ausbeutung und kein Mißbrauch ist, ist es wahrscheinlich nicht falsch.")
"Reiten" ist also kein Mißbrauch und keine Ausbeutung? Aber was soll's. Bei einer Organisation, die die Euthanasie von 2000 "Fund-Tieren" jährlich mit der Begründung, es wäre "schmerzfrei", rechtfertigt, wird eben auch die Tierausbeutung des "Reitens" so nebenbei als unproblematisch etikettiert.

Quellen:
One Man's Animal Husbandry
Yes, but Did Anyone Ask the Animals' Opinion?

Singer über Tierproduktkonsum (Fortsetzung)

Autor: martin | Datum:
Singer hat sich mal wieder zu etwas geäußert, zu dem er lieber nichts mehr sagen sollte (Hinweis von hier):
Zitat: If we are going to eat animal products then I think there's a heavy responsibility on us to make sure that the animals didn't suffer. And that might involve a bit of going to local markets, or, at the very least, buying certified organic, given the present system.

And that will definitely be better than the factory farm production. I think those are options.

Wenn wir Tierprodukte essen haben wir die große Verantwortung sicherzustellen, dass die Tiere nicht leiden. Und das kann in der gegenwärtigen Situation bedeuten, heimische/lokale Märkte zu besuchen und zumindest zertifizierte Bioprodukte zu kaufen.

Und das würde definitiv besser sein als die Massentierhaltung. Ich denke, dass sind die Möglichkeiten.


("From farm to fork", ABC Australien, 25.03.2010, http://www.abc.net.au/lateline/content/2010/s2856547.htm)

Ich überlege gerade, ob Kofi Annan so etwas sagen würde: "Wenn wir Genozid begehen, sollten wir sicherstellen, dass die Menschen nicht leiden. Das kann bedeuten, die sie nicht zu Tode zu prügeln, sondern ordentlich zu erschießen." Aber ich bin ziemlich sicher, dass er das nicht machen würde, denn er meint es mit den Menschenrechten ernst. Singer hingegen hält bekanntlich nichts von Tierrechten, aber dass er sie ständig mit Füßen treten muss, ist irgendwie unnötig.

Singer und Tierversuche

Autor: martin | Datum:
Ein weiterer Nachtrag: Singer findet - in völliger Übereinstimmung mit seiner utilitaristischen Philosophie - Tierversuche in Ordnung, wenn man ihm deren Nutzen vorrechnet.

Der Experimentator meint, mit Versuchen an 100 Affen 40'000 Menschen helfen zu können (natürlich nur rein hypothetisch) und Singer antwortet:
Zitat: Well, I think if you put a case like that, clearly I would have to agree that was a justifiable experiment. I do not think you should reproach yourself for doing it, provided—I take it you are the expert in this, not me—that there was no other way of discovering this knowledge. I could see that as justifiable research.

(Nun, ich denke, wenn Sie sich für eine solche Sache einsetzen, würde ich eindeutig zustimmen, dass das ein gerechtfertigtes Experiment wäre. Ich denke nicht, Sie sollten sich deshalb Vorwürfe machen, vorausgesetzt - ich nehme an, dass Sie der Experte sind, nicht ich -, dass es keinen anderen Weg diese Erkenntnisse zu erlangen gibt. Ich würde das als gerechtfertige Forschung ansehen.
(Times Online, 26.11.2006)

Re: Singer und Tierversuche

Autor: Marton | Datum:
Entschuldige, aber zum Tierversuchsthema will schon lange au smir heraus: ist es denn bitteschön auch in Ordnung -- rein utilitaristisch, versteht sich -- 40 Menschen umzubringen, wenn das 200 (tausend) Affen das Leben rettet?

Re: Singer und Tierversuche

Autor: Urs | Datum:
Laut meines Wissens wäre dieser Versucht utilitaristisch gerechtfertigt, wenn es sich um 40 schwer behinderte Menschen handeln würde, deren kognitiven Fähigkeiten unter denen der Affen liegen würden.

Utilitarismus

Autor: martin | Datum:
Marton schrieb:
>
> Entschuldige, aber zum Tierversuchsthema will schon lange au
> smir heraus: ist es denn bitteschön auch in Ordnung -- rein
> utilitaristisch, versteht sich -- 40 Menschen umzubringen,
> wenn das 200 (tausend) Affen das Leben rettet?

Nein, das gibt es in keiner utilitaristischen Ausrichtung. Damit gehst du - an und für sich nicht falsch - davon aus, dass das Leben von nichtmenschlichen Tieren und Menschen gleichwertig ist, dann würde das zutreffen, aber auch Utilitarier (ob traditionelle wie Jeremy Bentham oder Präferenz-Utilitarier wie Singer) sind Speziesisten und "retten" sich darin, dass Menschen und andere Tiere nicht auf einer Ebene stehen und deshalb nicht direkt verrechnet werden können.

Wie Urs angedeutet hat, gibt es für Singer lediglich bei schwer behindert geborenen Säuglingen den seltenen Fall, dass sie mit manchen ("höher entwickelten") geistig gesunden und voll entwickelten (ausgewachsenen) Tieren (Menschenaffen oder Delfine) auf einer Stufe stehen bzw. ggf. diese Tiere auch den Vorrang haben könnten. Das ist aber auch bei ihm ein seltener Ausnahmefall, ansonsten sind - wie die zahlreichen Zitate belegen - nichtmenschliche Tiere per se weniger wert als Menschen. Das gründet er auf der (wissenschaftlich fragwürdigen udn ethisch irrelevanten) Annahme, dass sie kein Zukunftsbewusstsein hätten und daher keine "Präferenz" (daher Präferenz-Utilitarismus) weiterleben zu wollen. Menschen haben diese Präferenz (eben außer geistig schwerbehinderten Säuglingen, die auch kein Zukunftsbewusstsein hätten), deshalb könne man eine höhere Anzahl an nichtmenschlichen Tieren nicht gegen Menschen aufwiegen.

Re: Peter Singer, Speziesist und Unveganer

Autor: LilaLinda | Datum:
Aber trotz aller Kritik, die es vielleicht zu äußern gibt, hat er etwas getan und auf das Leid der Tiere aufmerksam gemacht.
Es gibt Menschen, die nur aufgrund der Massentierhaltung überhaupt darauf aufmerksam geworden sind, dass Tiere auch würdige Wesen sind. Weil es ein nicht mehr zu akzeptierendes Ausmaß angenommen hat.
Was bringt es denn, sich über jeden aufzuregen, der nicht den selben Lebensweg eingeschlagen hat wie ihr?
Er hat auf etwas Furchtbares aufmerksam gemacht, hat Diskussionen hervorgerufen, hat das Ganze mehr ins Licht der Aufmerksamkeit gerückt.
Das ist ein Verdienst. Ein Guter.
Auch das muss man sehen.
Zumindest liegt es nahe, wenn es einem um das Wohl der Tiere geht, dass man das, unabhängig von anderen Meinungen über ihn, schätzt und, wenn es einem tatsächlich nur um das Wohl der Tiere geht, auch froh darüber ist.

Re: Peter Singer, Speziesist und Unveganer

Autor: bunbury | Datum:
LilaLinda schrieb:
>
> Aber trotz aller Kritik, die es vielleicht zu äußern gibt,
> hat er etwas getan und auf das Leid der Tiere aufmerksam
> gemacht.
> Es gibt Menschen, die nur aufgrund der Massentierhaltung
> überhaupt darauf aufmerksam geworden sind, dass Tiere auch
> würdige Wesen sind.


Wir halten fest: Sowohl Tierausbeuter Peter Singer als auch die Massentierhaltung sind ein wahrer Glücksfall für die Tierrechtsbewegung! Wer hätte das gedacht...


> Weil es ein nicht mehr zu akzeptierendes
> Ausmaß angenommen hat.

Interessant. Wieviel Mord ist denn noch akzeptabel?


> Er hat auf etwas Furchtbares aufmerksam gemacht, hat


Der Mann beutet andere Tiere aus. Da kann er auf noch so viel Furchtbares aufmerksam machen - mit Tierrechten hat er nichts am Hut.

> Diskussionen hervorgerufen, hat das Ganze mehr ins Licht der
> Aufmerksamkeit gerückt.

Der Mann propagiert Tierproduktkonsum. Da kann er noch so viele Diskussionen hervorrufen - er schadet der Tierrechtsbewegung.


> Das ist ein Verdienst. Ein Guter.
> Auch das muss man sehen.

Singer beutet aktiv andere aus, genau wie Du es tust. Vielleicht wird es Zeit, die rosarote Brille mal abzunehmen.


> Zumindest liegt es nahe, wenn es einem um das Wohl der Tiere
> geht, dass man das, unabhängig von anderen Meinungen über
> ihn, schätzt und, wenn es einem tatsächlich nur um das Wohl
> der Tiere geht, auch froh darüber ist.

Ich soll froh darüber sein, dass jemand Menschenrechte für Menschenaffen fordert, gleichzeitig aber auf die Rechte derer, die dem Menschen weniger ähneln, scheißt? Irgendwie fällt es mir schwer, Deinen Enthusiasmus zu teilen...

Re: Peter Singer, Speziesist und Unveganer

Autor: Achim Stößer | Datum:
Jaja, und Singer hat die Autobahn gebaut.

Laaangweilig.

Achim

Re: Peter Singer, Speziesist und Unveganer

Autor: Monique Weiß | Datum:
Diese Kritik ist hart aber trotz allem ist er ,wenn er auch wieder zum Fleischessen zurück gekehrt sein sollte ein Mensch der dieses Thema mir nahegebracht hat und Dank seines Buches welches ich in der Zeit meines begins zum Übertritt in den Vegetrarismus als meine Bibel angesehen habe ,um andere aufklären zu können warum und weshalb ich mich dazu entschieden habe.Natürlich wußte ich das auch schon vorher aber nicht in welchem Außmaß Tiere für diese Konsumgesellschaft augebeutet werden und wie weit das Leid reicht.Allein aus dem Grund habe ich soviel Respekt vor Peter Singer.Animal Liberation"Die bEFREIIUNG DER tIERE" WAR SOMIT MEIN ERSTES BUCH dieser Art und jetzt lese ich weiter viele Ethikbücher die sich mit dem Thema beschäftigen, das ich gern selbst ein Buch schreiben möchte.D.H. viel mehr ein Bildband was zeigt warum ich Vegetrarier wurde und mich so sehr für den Tierschutz interessiere wie niemals zu vor.Ich selbst wurde im März dieses Jahres das Opfer von Haustierdiebstahl auf Grund illegaler Tierfänger wegen Pelzhandel.Ich verlor meine Katze die seit 13 Jahren mein treuer Freund war für solch niedere Absichten.Sie wurde noch lebendig in einem Transorter gehäutet und ich konnte ihr nicht helfen.Alle Stationen der Suche,die Suchzettel,meine Gedanken beim Artikel in der Zeitung das die Katzenkiller im Südharz unterwegs sind und meine Zeit der Wut ,Trauer und verarbeitung dieses ganzen Themas bis hin zur Tierethik allgemein würde ich gern in einem Bildband festhalten.Viell. auch zur Aufklärung an andere jüngere Menschen die sich dem Thema nur vorsichtig nähern ohne viel lesen zu wollen.Denen BIlder von Peta und A.L.F. vielleicht helfen.

was halten sie davon??


Liebe Grüße MOnique Weiß

[Formatierung korrigiert - Moderator]

Singer und Vegetarismus

Autor: martin | Datum:
Monique Weiß schrieb:
>
> Diese Kritik ist hart aber trotz allem ist er ,wenn er auch
> wieder zum Fleischessen zurück gekehrt sein sollte ein Mensch
> der dieses Thema mir nahegebracht hat

Ja, 1975 war das eines der ersten Bücher, die über die Zustände in der Massentierhaltung (nicht aber allgemein) informiert haben. Ich sehe nur nicht, was das mit der o.g. Kritik zu tun hat, schließlich ist das nicht der Punkt, worauf ich mich beziehe.

> und Dank seines Buches
> welches ich in der Zeit meines begins zum Übertritt in den
> Vegetrarismus als meine Bibel angesehen habe ,um andere

Genau das war meine Kritik: er propagiert Unveganismus.

> Ethikbücher die sich mit dem Thema beschäftigen, das ich gern

Wenn du immer noch vegetarisch und nicht vegan bist, scheinen das sehr eigenartige "Ethikbücher" zu sein.

> auch zur Aufklärung an andere jüngere Menschen die sich dem
> Thema nur vorsichtig nähern ohne viel lesen zu wollen.Denen
> BIlder von Peta und A.L.F. vielleicht helfen.

Noch zwei, die Unveganismus propagieren. Davon halte ich entsprechend wenig.

Singer: ''Wir sollten Fische human töten.''

Autor: martin | Datum:
Im englischen Guardian hat Peter Singer einen Artikel anlässlich der Studie, die Anzahl die weltweit getöteten Fische schätzt (mehr als eine Billion), geschrieben. Sein Fazit ist das, was man erwartet:
Zitat: We need to learn how to capture and kill wild fish humanely – or, if that is not possible, to find less cruel and more sustainable alternatives to eating them.

Wir müssen lernen, Wildfische human zu fangen und zu töten - oder, wenn das nicht möglich ist, weniger grausame und nachhaltigere Alternativen dazu finden.

(guardian.co.uk/commentisfree/cif-green/2010/sep/14/fish-forgotten-victims)

Damit suggeriert er, dass a) das Umbringen von Nicht-Wildfischen (solchen von "Zuchtfarmen"), die mit Storm betäubt werden, nicht grausam (und völlig unnötig) wäre; dass b) es möglich wäre, Wildfische auf eine nicht-grausame Art und Weise umzubringen (nein, dass ist es nicht); und c) dass wir nach einer Alterantive suchen müssten. Lieber Peter Singer, wir kennen die Alternative, sie heißt Veganismus. Aber das scheint Ihnen bei Ihren Bemühungen um "Freilandeier", "Fleisch von human geschlachteten Tieren" und krudem Reformismus entgangen zu sein. Dabei ist es ganz einfach: Vegan werden und die Fische leben lassen.

Re: Singer: ''Wir sollten Fische human töten.''

Autor: bunbury | Datum:
"We need to learn [...] to kill [...] fish".

Yupp, da wird Ethik ganz groß geschrieben. Ein Hoch auf den "Vater der Tierrechtsbewegung"! Man sollte meinen, bei derartig unverschlüsselten Mordaufrufen müsse jeder Veganer sehen, dass dringend angeraten ist, sich von diesem Mann zu distanzieren...

Re: Singer: ''Wir sollten Fische human töten.''

Autor: Paul Philipp Wellmann | Datum:
Grüßt euch, geschätzte Tierrechtler!

ich nehme diesen thread mal als Anlass meinen ersten Eintrag in diesem Forum hier zu hinterlassen.

Vielleicht nur kurz zu meiner "Geschichte" an die sich nahtlos mein Wunsch nach Gedankenaustausch anschließen wird...

Bin 20 und es ist noch nichteinmal ganz ein Jahr her, dass ich den Entschluss, den ich schon mit 16 gefasst hatte endlich bereit war umzusetzen - nämlich vegan zu leben. Und das ging bei mir dann vom einen auf den anderen Tag, obgleich ich leider am Anfang noch sehr gutgläubig bzw. uninformiert war und einiges an Fehlern machte, die ich mittlerweile ganz gut ausschließen kann.

Es wäre vielleicht noch gut (da ich gleich über Singer rede) zu erwähnen, dass mein Anspruch an mich als vegan lebendes Individuum sich vermutlich mit dem euren an euch deckt, sprich: kein Fleisch, keine Milchprodukte, keine Eier, kein Leder, keine Gelatine kein Honig, kein Bienenwachs, kein casein... niente eben. (Das nur, damit ich nicht gleich, vielleicht, als inkonsequent dargestellt werde.)

Also, ich hab' Singers "Praktische Ethik" als einziges Werk von ihm und übrigens auch als so ziemlich einziges Werk der Tierrechtsszene - und ja, auch wenn ich gerade bei Singers Interview-Kommentaren reichlich geschockt bin, über so viel inkonsequenz, neuerdings(?!), würde ich dieses Werk dazu zählen - gelesen. Im ausgehenden Sommer des letzten Jahres etwa, und genau darauf werde ich mich gleich nur beziehen können.

Utilitarismus macht für mich nicht viel Sinn, was Singer als Präferenz-Utilitarismus einführt auch nur bedingt, sprich, es gibt Argumentationsstränge die Sinn machen, anderen steh' ich sehr skeptisch gegenüber. Aber ein großer Punkt den das Buch für mich geleistet hat, und auf den ich momentan den größten Teil meiner Ethischen Ideologie aufbaue ist die Idee der "Interessengleichheit".
Sprich: Ich glaube nicht, dass es irgendein Recht für irgendjemanden, beispielsweise auf "Leben" gibt, aber jedes Wesen, dass dieses "Interesse teilt" (was natürlich überaus abstrakt anmutet) hat das gleiche Recht wie jedes andere Individuum auch, unabhängig seiner Spezies, dass dieses Interesse gewahrt bleibt. Hinzu kommt jetzt noch eine Gewichtung der Interessen, das Interesse auf "Unversehrtheit" ist beispielsweise Größer als jenes "etwas leckeres zu Essen haben zu wollen".
So, und nun kommt noch die (in euren Ohren vermutlich speziezistische) Überlegung dazu, dass Individuen abhängig von ihrem Bewusstsein, vor allen Dingen, unterschiedliche Interessen haben, und man diese von Individuum zu Individuum anders gewichten muss, was sich darin niederschlägt, dass ein Großteil der Menschen und Menschenaffen (aber eben nicht alle) komplexere Interessen besitzen, als die meisten anderen Individuen verschiedener Spezies. Als Beispiele in denen das Anwendung findet meine ich vor allem Fälle wie:
Abtreiben muss prinzipiell erlaubt sein.
Ich würde, gäbe es garkeine andere Möglichkeit der Ernährung (sehr unwahrscheinlicher Fall), jagen gehen.
Es ist keine unheimliche Tragödie, wenn ich versehentlich mit meinem Fahrrad auf dem Weg irgendwohin nach einen Regen, mal einen Regenwurm oder eine Schnecke überfahre.


ok, soweit - vermutlich gibt es sowieso manchen unter euch, der das gern kommentieren möchte, falls nicht, würde ich euch zumindest darum bitten mir, Bücher/AutorInnen zu nennen, die eine glaubwürdige Ethik vertreten und meinem grob skizierten Modell überlegen sind, in euren Augen.

seid fröhlich,
phyirus

Singer, Interessengleichheit u.a.

Autor: martin | Datum:
> das ging bei mir dann vom einen auf den anderen Tag,

Das darfst du aber nicht zu laut sagen. Sonst wirst du von Kaplanisten und anderen Reformisten darüber belehrt, dass du nicht existierst. (Um Missverständnisse zu vermeiden: Das war Ironie.)

> zu erwähnen, dass mein Anspruch an mich als vegan lebendes
> Individuum sich vermutlich mit dem euren an euch deckt,

Wobei es eigentlich nicht "unser" Anspruch ist, sondern die auf Donald Watson zurückgehende Definition.

> Also, ich hab' Singers "Praktische Ethik" als einziges Werk
> von ihm und übrigens auch als so ziemlich einziges Werk der
> Tierrechtsszene

Um Tierrechte geht es dort, wie auch sonst bei Singer, nicht. Eher um Tierschutz.

> und ja, auch wenn ich gerade bei Singers
> Interview-Kommentaren reichlich geschockt bin, über so viel
> inkonsequenz, neuerdings(?!),

Inkonsequent ist er nicht und auch nicht neuerdings. Seine utilitaristische "Tiere haben kein Lebensinteresse"-Position hat er von Anfang an (also seit Anfang der 1970er) vertreten und nie wesentlich geändert. Insofern ist er recht konsequent, nur ist er kein Tierrechtler und kein Veganer, wie immer wieder behauptet wird.

> Aber ein großer Punkt den das Buch
> für mich geleistet hat, und auf den ich momentan den größten
> Teil meiner Ethischen Ideologie aufbaue ist die Idee der
> "Interessengleichheit".

Ein sinnvolles Prinzip, dass er allerdings weder erfunden noch gepachtet hat. Sich darauf zu beziehen geht auch ohne Singer.

> Sprich: Ich glaube nicht, dass es irgendein Recht für
> irgendjemanden, beispielsweise auf "Leben" gibt, aber jedes
> Wesen, dass dieses "Interesse teilt" (was natürlich überaus
> abstrakt anmutet) hat das gleiche Recht wie jedes andere
> Individuum auch,

In dem ersten Satzteil scheint etwas zu fehlen. Du meinst wohl, es gibt kein gott- oder naturgegebenes Recht. Das ja, aber wenn ein Lebewesen ein Interesse hat, sollte es dann wiederum auch ein Recht darauf bekommen.

> So, und nun kommt noch die (in euren Ohren vermutlich
> speziezistische) Überlegung dazu, dass Individuen abhängig
> von ihrem Bewusstsein, vor allen Dingen, unterschiedliche
> Interessen haben, und man diese von Individuum zu Individuum
> anders gewichten muss,

Warum sollte das speziesistisch sein? Diese Position ist eigentlich Standard unter Tierrechtlern. So würde niemand ein Wahlrecht für nichtmenschliche Tiere fordern, weil sie eben kein Interesse an Politikpartizipation haben. Gleiheit heißt sowohl gleiches gleich zu behandeln (z.B. Lebensinteresse) als auch ungleich ungleich (z.B. Wahlrecht).

> Anwendung findet meine ich vor allem Fälle wie:
> Abtreiben muss prinzipiell erlaubt sein.

Nunja, dass Abtreibung nicht grundsätzlich verboten werden sollte, meinen alle vernünftigen Menschen (ein paar Theisten ausgenommen). Die Frage ist jedoch, bis zu welchem Alter des Fötus es erlaubt sein soll. Hier gehen die Meinungen auseinander.

> Ich würde, gäbe es garkeine andere Möglichkeit der Ernährung
> (sehr unwahrscheinlicher Fall), jagen gehen.

Was hat das mit der Interessengleichheit zu tun?

> Es ist keine unheimliche Tragödie, wenn ich versehentlich mit
> meinem Fahrrad auf dem Weg irgendwohin nach einen Regen, mal
> einen Regenwurm oder eine Schnecke überfahre.

Genauso wenig, wenn du einen erwachsenen Menschen überfährst. Der Grund ist allerdings nicht unterschiedliches Interesse, sondern dass beides ein Unfall ist.

> der das gern kommentieren möchte, falls nicht, würde ich euch
> zumindest darum bitten mir, Bücher/AutorInnen zu nennen, die
> eine glaubwürdige Ethik vertreten und meinem grob skizierten
> Modell überlegen sind, in euren Augen.

Sieh dich hier mal um, aber lies vorher die Texte zu den Büchern, da nicht alle Empfehlungen sind und auch die Empfehlungen kritisch betrachtet werden dürfen und sollen.

Re: Peter Singer, Speziesist und Unveganer

Autor: Veit Dorian | Datum:
[fehlerhafte Formatierung korrigiert, Quelle ergänzt - Moderator]

Zitat: Zur Debatte um Peter Singer

Stellungnahme von Michael Schmidt-Salomon (26.05.2011)

Dass der Philosoph Peter Singer in Deutschland mit dem „Ethik-Preis der Giordano-Bruno-Stiftung“ ausgezeichnet werden soll, quittierten einige Menschen mit Unverständnis oder gar Empörung. Hat Peter Singer nicht dazu aufgerufen, behinderte Kinder zu töten? Oder war dies bloß ein schlimmes Missverständnis? Michael Schmidt-Salomon versucht, Licht ins Dunkel der Debatte zu bringen.

Die Vergabe des Ethik-Preises der Giordano-Bruno-Stiftung an die Initiatoren des „Great Ape Project“, Paola Cavalieri und Peter Singer, hat leider zu Missverständnissen geführt, die ich als Vorstandsprecher der Stiftung gerne aus dem Weg räumen würde.

1. Wir zeichnen Peter Singer für seine herausragenden Leistungen als Tierrechtler aus – insbesondere für die Initiierung des Great Ape Project (gemeinsam mit Paola Cavalieri). Begleitend zur Preisverleihung haben wir eine Broschüre verfasst, die noch einmal begründet, warum den Großen Menschenaffen gewisse Grundrechte eingeräumt werden sollten.

2. Dass Peter Singer in seinen Schriften unter anderem auch für Sterbehilfe votiert hat, betrifft unsere Preisverleihung nicht direkt, jedoch würden wir als humanistische Stiftung niemals einen Mann auszuzeichnen, der auch nur im Entferntesten „Hetze gegen Behinderte“ betreibt. Ich gebe zu: Ausgelöst durch die Debatte der 1990er Jahre hegte auch ich damals gegen Peter Singer einen solchen Verdacht. Dann aber las ich seine Bücher und erkannte, dass die damaligen Diskussionen auf Missverständnissen, Fehlinterpretationen und (auch das kam vor!) böswilligen Unterstellungen beruhten. Ich kann nur jedem empfehlen, vermeintliche „Zitate“, die aus Singers Büchern stammen sollen, kritisch zu überprüfen – und auch gedruckte Interviews äußerst skeptisch zu betrachten.

Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie solche Interviews häufig zustande kommen: Selbst wenn man das Interview redigiert und autorisiert hat, erlebt man am Schluss oft böse Überraschungen. Allzu häufig werden wichtige Passagen – vermeintlich oder tatsächlich aus Platzgründen – herausgestrichen, so dass man seine eigenen Aussagen kaum noch wiedererkennt. Bedenken sollte man in diesem Zusammenhang auch, dass Deutsch für Peter Singer eine Fremdsprache ist, was die Angelegenheit noch einmal problematischer macht. Fakt ist: Würde ich von Peter Singer nur dieses eine, immer wieder zitierte Spiegel-Interview aus dem Jahre 2001 kennen, hätte ich ganz bestimmt nicht zugestimmt, ihn mit einem Ethik-Preis auszuzeichnen. Allerdings gibt dieses Interview Singers Positionen streckenweise nur sehr verzerrt wieder – während der Anfang des Interviews in Ordnung ist, ist der Schluss geradezu ein Musterbeispiel für schlechten bzw. politisch manipulativen Journalismus.

Was sagt Peter Singer wirklich?

Wenn das Spiegel-Interview nicht repräsentativ ist, welche Positionen vertritt Peter Singer denn tatsächlich in Bezug auf den gesellschaftlichen Status behinderter Menschen? In dem maßgeblichen Buch zu dieser Thematik „Muss dieses Kind am Leben bleiben? – Das Problem schwerstgeschädigter Neugeborener“ (Helga Kuhse/Peter Singer, Harald Fischer Verlag 1993) heißt es dazu: „Wir meinen (…), dass die reichen Nationen sehr viel mehr tun sollten, um behinderten Menschen ein erfülltes, lebenswertes Leben zu ermöglichen und sie in die Lage zu versetzen, das ihnen innewohnende Potential wirklich auszuschöpfen. Wir sollten alles tun, um die oft beklagenswert schlechte institutionelle Betreuung zu verbessern und die Dienstleistungen bereitzustellen, die behinderten Menschen ein Leben außerhalb von Institutionen und innerhalb der Gemeinschaft ermöglichen“ (S.26). Schreibt so ein Mann, der „gegen Behinderte hetzt“?!

Es stimmt, dass Peter Singer in den 1980er Jahren – im Rekurs auf frühere Modelle in verschiedenen Kulturen – vorschlug, Säuglinge bis 28 Tage nach der Geburt nicht als volle Rechtspersonen zu behandeln. Unter bestimmten Bedingungen wäre es somit Eltern möglich, schwerstgeschädigte Neugeborene zu töten, ohne deshalb angeklagt zu werden. Philosophisch begründet wurde dieser Vorschlag mit der unbestreitbaren Tatsache, dass Säuglinge in diesem Alter (ob behindert oder nichtbehindert!) noch keine „Personen im empirischen Sinn“ sind, da sie noch nicht über ein Bewusstsein ihrer selbst verfügen, die Zukunft noch nicht antizipieren können etc. Spätestens 1993 (siehe die deutsche Ausgabe von „Muss dieses Kind am Leben bleiben?“) revidierte Singer jedoch diesen Vorschlag (mit dem er unerträgliches Leid durch das langsame Sterbelassen schwerstgeschädigter Neugeborener im Zeitalter der Gerätemedizin mindern wollte!). Er schloss sich der Argumentation Norbert Hoersters an, der dargelegt hatte, dass nur die Geburt „als Grenze sichtbar und selbstverständlich genug“ sei, „um ein sozial anerkanntes Lebensrecht zu markieren“ (S.251). Singer bestätigte, dass es problematisch ist, den rechtlichen Status eines Menschen vom Alter abhängig zu machen. Denn: Würde die Vorstellung in das öffentliche Denken eingehen, „dass ein Kind mit dem Augenblick der Geburt nicht zugleich auch ein Lebensrecht besitzt, sinke möglicherweise die Achtung vor kindlichem Leben im allgemeinen“(S.251f.)

Singers Philosophie ist nicht „behindertenfeindlich“, sondern „behindertenfreundlich“

Angesichts „des Leids, das der Status quo für die schwergeschädigten und kranken Kinder und ihre Familien bedeutet“, stellten Kuhse/Singer, wie zuvor schon Hoerster, zwei Forderungen auf: a) „Eltern eines schwerstgeschädigten Kindes [müssen] zu jedem Zeitpunkt und unabhängig vom Alter des Kindes die Möglichkeit haben, das Kind ohne eigene Kosten in einer staatlichen Institution unterzubringen (Wir gehen natürlich davon aus, dass diese Institutionen über genügend Mittel verfügen, um einen hohen Betreuungsstandard zu garantieren.)“
b) „Aktive und passive Euthanasie sollte immer dann erlaubt sein, wenn jemand unter einer unheilbaren Krankheit so sehr leidet, dass ein Weiterleben nicht in seinem oder ihrem Interesse ist. (…) Die erste Bedingung befreit die Familie von der Belastung, ein schwerstbehindertes Kind aufziehen zu müssen – wenn sie denn davon befreit werden will. Die zweite Bedingung stellt sicher, dass ein Kind dasselbe Lebensrecht besitzt wie wir alle, aber nicht, wie zur Zeit noch, gezwungen werden kann, ein elendes Leben weiterzuleben“ (S.252).

Man könnte diese Position etwa auf den folgenden Nenner bringen: 1. Jeder Mensch hat ab der Geburt ein Lebensrecht, aber keine Lebenspflicht. (Manchmal ist das Leben leider mit solchen Qualen verbunden, dass es unethisch wäre, es unbedingt aufrechterhalten zu wollen.) 2. Kranke und Behinderte sollten mit allen Mitteln gefördert werden – Krankheit und Behinderung jedoch nicht! Ich halte diese Differenzierung nicht für „behindertenfeindlich“, sondern, ganz im Gegenteil, für „behindertenfreundlich“. Dies sage ich nicht nur als philosophischer Theoretiker, sondern auch ganz bewusst vor dem Hintergrund meiner eigenen praktischen Erfahrungen: Vor einigen Jahren arbeitete ich sehr intensiv mit einem „Förderverein für Familien mit chronisch kranken und schwerstbehinderten Kindern“ zusammen. Daher weiß ich, wie groß die Belastung dieser Familien ist. Die Gesellschaft lässt sie allzu häufig im Stich – ein Status quo, der auf keinen Fall hingenommen werden darf, worauf Peter Singer völlig zu Recht hingewiesen hat. (Auch wenn es exotisch klingen mag: Die Behindertenverbände wären m.E. gut beraten, Singer nicht als „Gegner“ wahrzunehmen, sondern vielmehr als „potentiellen Verbündeten“ im Kampf für menschenwürdigere Lebensverhältnisse.)

„Einer der klarsten und mitfühlendsten Denker unserer Zeit“

Um dem Philosophen und Menschen Peter Singer gerecht zu werden, sollte man seine Aussagen zur Sterbehilfe im Kontext seiner sonstigen Veröffentlichungen sehen. Lesen Sie beispielsweise sein Buch „Leben retten“ (erschienen 2010 im Arche Literatur Verlag), in dem er nach Wegen sucht, die absolute Armut zu beseitigen, oder „Wie sollen wir leben?“, ein Buch, das ethische Alternativen zum „Egoismus unserer Zeit“ aufzeigt (1999 bei dtv erschienen). Denjenigen, die ernsthaft glauben, einen linksliberalen, jüdischen Gelehrten (der drei seiner Großeltern in deutschen Konzentrationslagern verlor!) durch Nazivergleiche diskreditieren zu müssen, empfehle ich dringend Singers Buch „Mein Großvater. Die Tragödie der Juden von Wien“ (2003 im Europa Verlag erschienen). In diesem Zusammenhang frage ich mich mittlerweile ernsthaft: Worauf ist es eigentlich zurückzuführen, dass Peter Singer ausgerechnet hier in Deutschland so scharf angegriffen wurde und wird? Liegt es wirklich daran, dass wir aus den Gräueln des Nationalsozialismus mehr gelernt haben als der Rest der Welt – oder ist es vielleicht so, dass gerade wir in entscheidenden Punkten noch immer viel zu wenig daraus gelernt haben?

Als jemand, der von Berufswegen sämtliche Bücher Singers gelesen hat, bleibe ich bei dem Statement, das ich in der gbs-Pressemitteilung vom 13.5.2011 abgegeben habe: Ich halte Peter Singer für einen „klarsten und zugleich mitfühlendsten Denker unserer Zeit“ (auch wenn ich nicht mit allen seinen Positionen übereinstimme). Seine Achtung vor dem Leben geht soweit, dass er sich seit Jahrzehnten schon vegan ernährt und einen Großteil seines Einkommens für wohltätige Zwecke spendet. Glauben Sie wirklich, dass ein solcher Mann, „Hetze gegen Behinderte“ betreibt? Glauben Sie wirklich, dass es in irgendeiner Weise gerechtfertigt sein könnte, ihn mit Faschisten auf eine Stufe zu stellen?

Der beste Weg, solche Vorurteile zu überprüfen, ist die Lektüre von Singers Büchern. Wem dies zu mühsam ist, dem seien (zumindest!) die folgenden Video-Dokumentationen ans Herz gelegt:

ABC-Sendung “Talking Heads” mit Peter Singer (2007, 3 YouTube-Videos):
http://www.youtube.com/watch?v=-lu9sc4FWLw
http://www.youtube.com/watch?v=7vu9W2a7CZ8
http://www.youtube.com/watch?v=roHsBMYc48M
A Good Life: According to Peter Singer (2009, 3 YouTube-Videos):
http://www.youtube.com/watch?v=wx-lW9Nv1js
http://www.youtube.com/watch?v=B1K-XVmmuUo
http://www.youtube.com/watch?v=XuS7ZQ5k7YU

[Quelle: http://hpd.de/node/11627]

Singers Position zu Behinderten

Autor: martin | Datum:
Was hat das mit dem Thema dieses Thread zu tun? (Außer, dass es sich um die gleiche Person handelt, was allerdings etwas wenig ist.) Es dient einer Diskussion nicht, Texte in voller Länge zu zitieren und nichts dazu zu sagen. Insbesondere, wenn der Zusammenhang zur Diskussion nicht ersichtlich ist.

Das einzig, halbwegs relevante, was ich hier herauslesen kann, ist, dass auch Schmidt-Salomon nicht immer ordentlich recherchiert. Sonst hätte er nicht gesagt, Singer ernähre sich "seit Jahrzehnten [..] vegan". Singers letzte Aussage, dass er sich nicht vegan ernährt, stammt von 2006 (siehe Ausgangsbeitrag) und es ist nicht wahrscheinlich, dass sich dies grundlegend geändert hätte.

Kritik

Autor: Krümel | Datum:
Lukas sprach mich gestern bezüglich des Singer-Threads an und bat mich seine Reaktion darauf an Martin weiter zu leiten/ ins Forum zu stellen:

Zitat: "Dieser Beitrag wurde 3717 mal gelesen" -- Traurig! Das sind die schlechten Seiten des Internets, solcher Blödsinn aus dritter, vierter oder fünfter Hand wird dann immer weiterverbreitet. Ich habe schon etlicher Veganer gegen Singer schimpfen gehört, die nicht einmal Ansatzweise(!) Singers Sicht widergeben konnten! Viele haben auf diesen schrecklichen Link verwiesen... Hier die Richtigstellung (von jemandem, der Singers Bücher gelesen hat, was beim Autor dieses Beitrags wohl nicht der Fall ist):

"Peter Singer wird in etlichen Artikeln, Webseiten und Büchern über Veganismus und Tierrechte (naja, meist Tierschutz und "Tierethik") als "Begründer der Tierrechte" und dgl. bezeichnet und immer wieder zu diesen Themen interviewt. Da er allerdings kein "Tierrechtsphilosoph" ist, sondern eben speziesistischer Tierschützer und Unveganer, richtet das immensen Schaden an."

Singer IST ein Gründer der Tierrechtsbewegung, für ihn sind Rechte einfach nicht 'absolut geltend' wie bei Deontologen, trotzdem setzt er sich für Tierrechte ein. Kürzlich wurde er von der Giordano Bruno Stiftung mit dem Ethikpreis für sein Engagement bezüglich 'Grundrechte für Menschenaffen' geehrt, es ist also absurd zu behaupten, dass er sich nicht für Tierrechte einsetzen würde. "Unveganer -- ja, Singer macht Ausnahmen, wenn er sich bei Gästen aufhält. Er rechtfertigt dies, indem er sagt, dass 'auf Extremismus beharren' kontraproduktiv wäre, und er so weniger Leute überzeugen könnte. Hat er Recht? Ich weiss nicht, ich finde es etwas zweifelhaft, aber ihn deshalb als 'Unveganer' zu bezeichnen, auf eine Art, die vermuten lässt, dass damit etwas ganz ganz Böses gemeint ist, ist vollkommen irreführend. Grössenteils lebt Singer nämlich vegan, und er hat sich in seinem Lebenswerk wie nur wenige andere Philosophen für nichtmenschliche Tiere eingesetzt!

Als gefragter Philosoph reist er an viele Kongresse, und manchmal ist es in gewissen Gegenden schwierig, schnell an veganes Essen zu kommen. Dann erlaubt er sich halt manchmal Freilandeier, wenn er in der Welt herumreist um die Leute zu überzeugen, ethischer zu handeln (so ein Bösewicht, oder, wer tun denn sowas?).

"speziesistischer" -- Frechheit! Sowas macht mich wütend, mehr dazu weiter unten.

"Er ist sich zumindest bewußt, daß er nie für Veganismus argumentiert hat - im Gegensatz zu Leuten, die sein Buch zitieren, ohne es gelesen zu haben:"

Komplette Fehlinterpretation, und das 'ohne es gelesen zu haben' ist offensichtlich voll von Ironie. Singer sagt nur, dass das Töten von Tieren nicht grundsätzlich falsch ist. Trotzdem kann man sich für den Veganismus aussprechen, wenn man ihn mit 'Leid verhindern' begründet, und dies hat Singer auch ganz klar und oft getan!

"Und nicht zuletzt rechtfertigt er billigsten Speziesismus mit absurden Argumenten:"

Der Autor dieses Beitrages weiss anscheinend nicht, was Speziesismus ist. Ist es speziesistisch von mir, wenn ich einem Bakterium keine Grundrechte gebe? Nein, das Bakterium ist zwar eine Spezies, trotzdem gibt es RELEVANTE KRITERIEN, die Menschen von Bakterien unterscheiden, z.B. die Empfindungsfähigkeit.

Unsere Gesellschaft erlaubt das Abtreiben von empfindungsfähigen Föten. Ob der Fötus, oder das Baby, innerhalb des Mutterleibes oder ausserhalb davon ist, hat keinen Einfluss auf den Bewusstseinszustand davon. Wenn man also konsequent ist, dürfte man auch nach der Geburt 'abtreiben', solange das Baby von den mentalen Fähigkeiten noch einem Fötus ähnelt. Singer hat jedoch eingesehen, dass dies a) missbraucht werden kann, und b) in der Gesellschaft bei vielen Leuten Wut und Unverständnis hervorrufen würde, deshalb hält er trotzdem fest, dass es Sinn macht, Menschen uneingeschränkt direkt nach der Geburt Rechte zu verleihen.
Aber eben, Singer macht den Unterschied zwischen 'Person' und nur empfindungsfähigen Wesen, und das scheint ja Sinn zu machen! Wenn ein Fötus im Mutterleib abgetrieben wird, ist das ja wohl weniger problematisch, als wenn jemand auf der Strasse einen erwachsenen Menschen erschiesst. Als Atheist solltest Du das sowieso einsehen, Bewusstsein entwickelt sich graduell, es macht nicht einfach *zack* und dann ist eine 'Seele' da.
Jedenfalls, Singer bringt das plausible Argument, dass die Fähigkeit der Selbsterkenntnis, dass man seine eigene Existenz von Vergangenheit bis in die Zukunft versteht, dass man Zukunftspläne und Wünsche hat, ethische Relevanz hat. Ist es wirklich gleich schlimm, wenn jemand eine Ziege tötet, als wenn jemand einen Menschen tötet? Singer scheint einen guten Punkt zu haben... Und weil er eben ein (für ihn?) relevantes Kriterium bringt, ist er sicherlich kein Speziesist! Ausserdem hat man zeigen können, dass Schimpansen und womöglich andere Menschenaffen 'Voraussicht' und Selbsterkenntnis besitzen. Und siehe da: Singer will ihnen Rechte geben. Das ist gut und vollkommen konsequent. Wer sagt, Singer sei ein Speziesist, ist entweder ein Idiot, oder jemand, der seine Werke nicht einmal annähernd gelesen hat, und sich nur auf irgendwelche Interviewpassagen ohne Kontext bezieht.

Und schlussendlich noch das absurdeste Beispiel:

[So Singer takes on Kant for arguing that "humans have an inherent dignity that makes them ends in themselves, whereas animals are mere means to our ends".

(So argumentiert Singer mit Kant, dass "Menschen eine inhärente Würde haben, die einen Selbstzweck darstellt, wogegen Tiere nur Mittel für unsere Bedürfnisse sind".)]

Das ist schlichtweg falsch übersetzt. Eigentlich hiesse es "Also widerspricht Singer Kant, welcher argumentiert, dass Menschen eine inhärente Würde haben, welche ihnen einen 'Selbstzweck' gibt, während dem Tiere nur Mittel zu unseren Zielen sind."

Also sagt Singer gerade das Gegenteil, im Gegensatz zu Kant ist er dafür, das Tierwohl auch zählt! So eine Sauerei, das ist doch Rufmord....

Nochmals '3717 mal gelesen', wie oft wurden diese Argumente weiterverbreitet, ohne dass man die Fakten überprüft hat? Einfach nur traurig sowas.

Re: Kritik

Autor: Krümel | Datum:
Da ich mich nur dunkel erinnern kann Singer gelesen zu haben, kurz nachdem ich vegan wurde, kann ich zu den Inhalten nicht so viel sagen, trotzdem einige Anmerkungen.

> "Unveganer -- ja, Singer macht
> Ausnahmen, wenn er sich bei Gästen aufhält. Er rechtfertigt
> dies, indem er sagt, dass 'auf Extremismus beharren'
> kontraproduktiv wäre, und er so weniger Leute überzeugen
> könnte. Hat er Recht?

Wenn man sich nicht traut unvegane Produkte öffentlich abzulehnen, weil man befürchtet als Extremist darzustehen, dürfte es schwierig werden dem Gegenüber zu erklären was Tierrechte sind und warum eine vegane Lebensweise notwendig ist.


> Ich weiss nicht, ich finde es etwas
> zweifelhaft, aber ihn deshalb als 'Unveganer' zu bezeichnen,
> auf eine Art, die vermuten lässt, dass damit etwas ganz ganz
> Böses gemeint ist, ist vollkommen irreführend.

Als Unvegane wird eben jemand bezeichnet, der nicht vegan lebt. Dies ist bei ihm doch offensichtlich zutreffend. "Böse" ist das insofern, dass Tiere darunter leiden müssen.

> Als gefragter Philosoph reist er an viele Kongresse, und
> manchmal ist es in gewissen Gegenden schwierig, schnell an
> veganes Essen zu kommen. Dann erlaubt er sich halt manchmal
> Freilandeier, wenn er in der Welt herumreist um die Leute zu
> überzeugen, ethischer zu handeln (so ein Bösewicht, oder, wer
> tun denn sowas?).

Wenn er nicht gerade Vorträge in irgend ner Sibirischen Eiswüste hält, sollte es doch kein Problem sein veganes Essen zu bekommen, oder sich welches mit zu nehmen. Selbst wenn man dann mal ein paar Tage nicht so abwechlungsreich essen kann, wie vllt gewünscht.


> "Er ist sich zumindest bewußt, daß er nie für Veganismus
> argumentiert hat - im Gegensatz zu Leuten, die sein Buch
> zitieren, ohne es gelesen zu haben:"
>
> Komplette Fehlinterpretation, und das 'ohne es gelesen zu
> haben' ist offensichtlich voll von Ironie. Singer sagt nur,
> dass das Töten von Tieren nicht grundsätzlich falsch ist.
> Trotzdem kann man sich für den Veganismus aussprechen, wenn
> man ihn mit 'Leid verhindern' begründet, und dies hat Singer
> auch ganz klar und oft getan!

Zumindest in animal liberation scheint er nicht für Veganismus argumentiert zu haben. An welchen Stellen tut er es denn?

> Der Autor dieses Beitrages weiss anscheinend nicht, was
> Speziesismus ist. Ist es speziesistisch von mir, wenn ich
> einem Bakterium keine Grundrechte gebe? Nein, das Bakterium
> ist zwar eine Spezies, trotzdem gibt es RELEVANTE KRITERIEN,
> die Menschen von Bakterien unterscheiden, z.B. die
> Empfindungsfähigkeit.

Ich, und ich bin mir sicher Martin sieht das genau so, fordere Grundrechte die den Interessen der Tiere entsprechen. Weswegen ein Bakterium keine Grundrechte hat.

> Unsere Gesellschaft erlaubt das Abtreiben von
> empfindungsfähigen Föten. Ob der Fötus, oder das Baby,
> innerhalb des Mutterleibes oder ausserhalb davon ist, hat
> keinen Einfluss auf den Bewusstseinszustand davon. Wenn man
> also konsequent ist, dürfte man auch nach der Geburt
> 'abtreiben', solange das Baby von den mentalen Fähigkeiten
> noch einem Fötus ähnelt. Singer hat jedoch eingesehen, dass
> dies a) missbraucht werden kann, und b) in der Gesellschaft
> bei vielen Leuten Wut und Unverständnis hervorrufen würde,
> deshalb hält er trotzdem fest, dass es Sinn macht, Menschen
> uneingeschränkt direkt nach der Geburt Rechte zu verleihen.
> Aber eben, Singer macht den Unterschied zwischen 'Person' und
> nur empfindungsfähigen Wesen, und das scheint ja Sinn zu
> machen! Wenn ein Fötus im Mutterleib abgetrieben wird, ist
> das ja wohl weniger problematisch, als wenn jemand auf der
> Strasse einen erwachsenen Menschen erschiesst. Als Atheist
> solltest Du das sowieso einsehen, Bewusstsein entwickelt sich
> graduell, es macht nicht einfach *zack* und dann ist eine
> 'Seele' da.

Sobald das Kind soweit entwickelt ist, dass man ihm Interessen zusprechen könnte, wäre es eben problematisch diese zu verletzten. Wenn das Kind also schon im Mutterleib ein Interesse daran hat, nicht getötet zu werden sehe ich es zu diesem Zeitpunkt als falsch an, es abzutreiben. Bei der Abtreibungsfrage stellt sich für mich also die Frage, bis wann es erlaubt ist.

Re: Kritik

Autor: martin | Datum:

> Lukas sprach mich gestern bezüglich des Singer-Threads an und
> bat mich seine Reaktion darauf an Martin weiter zu leiten/
> ins Forum zu stellen:

Wer ist Lukas bzw. wieso kann er hier nicht selbst schreiben? (Wäre schlicht einfacher für eine Diskussion, auch wenn er offenkundig kein sehr großes Interesse an einer Diskussion hat.)

> "Dieser Beitrag wurde 3717 mal gelesen" -- Traurig!

Ich möchte vorweg sagen, dass der Beitrag zwei Jahre alt ist und ich ihn heute nicht mehr so schreiben würde. Allerdings betrifft das vordergründig die Formulierungen (und ggf. Übersetzungen), nicht aber den grundsätzlichen Inhalt.

> Das sind die schlechten Seiten des Internets, solcher
> Blödsinn aus dritter, vierter oder fünfter Hand wird dann
> immer weiterverbreitet.

Den Teil verstehe ich nicht. Wieso sind Aussagen, die er in Interviews gegeben hat, aus "dritter usw. Hand"? Von einer kleineren redaktionellen Nachbearbeitung abgesehen, ist es das, was er wörtlich gesagt hat.

> "Peter Singer wird in etlichen Artikeln, Webseiten und
> Büchern über Veganismus und Tierrechte (naja, meist
> Tierschutz und "Tierethik") als "Begründer der Tierrechte"
> und dgl. bezeichnet und immer wieder zu diesen Themen
> interviewt. Da er allerdings kein "Tierrechtsphilosoph" ist,
> sondern eben speziesistischer Tierschützer und Unveganer,
> richtet das immensen Schaden an."
>
> Singer IST ein Gründer der Tierrechtsbewegung, für ihn sind
> Rechte einfach nicht 'absolut geltend' wie bei Deontologen,
> trotzdem setzt er sich für Tierrechte ein.

"einfach nicht 'absoulut geltend'" ist eine nette Umschreibung für jemanden, der dem Utilitarismus völlig logisch folgend Rechte grundsätzlich ablehnt. Ich zitiere mich aus Bequemlichkeit selbst:
Zitat: Singer benutzt den Begriff [des Rechts] nur der Einfachheit halber, doch eigentlich sei die "Redeweise von Rechten [...] in keiner Weise notwendig" (Peter Singer: Animal Liberation. Die Befreiung der Tiere, Reinbek bei Hamburg 1996, S. 37). [...] Dabei geht es hier nicht nur um den begrifflichen Gebrauch des Wortes "Recht". Singer ist der Meinung, Tiere "schmerzfrei" zu töten sei in Ordnung, obwohl dies gegen ein elementares Recht, das Recht auf Leben, verstößt. Er ist gegen "Massentierhaltung", aber für sog. Alternativhaltungen und damit eindeutig Tierschützer, kein Tierrechtler.

Wenn er gegen Rechte ist, kann man dann also sagen, er setze sich "für Rechte" ein? Die Medien können das in ihrer Vereinfachung tun (was nicht heißt, dass das richtig wäre), aber bei fundierteren Diskussionen sollte ein solcher, nicht gerade marginaler Unterschied entsprechend berücksichtigt werden.

(Nebenbei: Gerade am Punkt mit dem "immensen Schaden" hat sich im Übrigen bis heute nichts geändert. Wann immer von "Tierrechten" die Rede ist, wird es praktisch mit seinem utilitaristischen Ansatz gleichgesetzt.)

> Kürzlich wurde er
> von der Giordano Bruno Stiftung mit dem Ethikpreis für sein
> Engagement bezüglich 'Grundrechte für Menschenaffen' geehrt,
> es ist also absurd zu behaupten, dass er sich nicht für
> Tierrechte einsetzen würde.

Warum? Nur weil die gbs den Begriff "Recht" in ihrem Titel benutzt? Das ist eine etwas schwache Begründung.
Dazu kommt: So sehr ich die gbs in anderen Bereichen auch schätze, aber eine tierrechtlerische Position vertritt sie nicht (mehr dazu findet man über die Suchfunktion). Dazu kommt außerdem: Das Great Ape Project wird zwar von u.a. Singer getragen, setzt seine Ethik aber nicht prinzipiengetreu um. Es wäre nachlässig, nicht zwischen Projekt und Theorie zu unterscheiden.

> Grössenteils
> lebt Singer nämlich vegan, und er hat sich in seinem
> Lebenswerk wie nur wenige andere Philosophen für
> nichtmenschliche Tiere eingesetzt!

Nun ja, dieser Einwand widerlegt sich bereits selbst. Wenn es "größtenteils" ist, ist es nicht vollständig. Und da es "ein bisschen vegan" ebenso wenig wie "ein bisschen schwanger" gibt, folgt daraus, dass er nicht vegan lebt.
Das zweite Argument ist ebenso schwach: Es ist völlig egal, wie viel er sich für was eingesetzt hat. Wenn er nicht vegan ist, ist er nicht vegan.

Zudem war das Argument zweiteilig: Das Problem ist nicht nur sein eigener Unveganismus, sondern auch wie er ihn öffentlich rechtfertigt und damit dem (Real-)Veganismus gerade durch die Gewichtung seiner Aussagen aufgrund seiner Autorität immens schadet.

> Als gefragter Philosoph reist er an viele Kongresse, und
> manchmal ist es in gewissen Gegenden schwierig, schnell an
> veganes Essen zu kommen. Dann erlaubt er sich halt manchmal
> Freilandeier, wenn er in der Welt herumreist um die Leute zu
> überzeugen, ethischer zu handeln (so ein Bösewicht, oder, wer
> tun denn sowas?).

Er verhält sich so aus reiner Bequemlichkeit. Denn ein Professor einer Eliteuniversität wird wohl in der Lage sein, Eiprodukte zu vermeiden (Kongresse finden im Übrigen nicht in der Wüste statt). Als "böse" bezeichnete ich ihn nicht. Die Frage ist, ob jemand, der aus reiner Bequemlichkeit unvegane Produkte konsumiert ethischer verwerflich handelt. Offensichtlich ja.

(Wobei es genau genommen keine reine Bequemlichkeit ist. Die Rechtfertigung, (solche) Tierprodukte zu konsumieren, geht schließlich lückenlos aus seiner Ethik-Theorie hervor. S.o., s.u.)

> und das 'ohne es gelesen zu
> haben' ist offensichtlich voll von Ironie.

Eigentlich nicht. In seinem Buch plädiert er - wie er auch selbst sagt, siehe Zitat - irgendwo für Veganismus, sondern rechtfertigt Tierproduktkonsum, d.h. es liegt nicht einfach daran, dass er nur 'vergessen' hätte, den Begriff "vegan" ausdrücklich zu benutzen. Wer das Buch tatsächlich gelesen hätte, dem müsste das aufgefallen sein. Wem das nicht aufgefallen ist, hat es demzufolge nicht gelesen (oder verstanden).

> Singer sagt nur,
> dass das Töten von Tieren nicht grundsätzlich falsch ist.
> Trotzdem kann man sich für den Veganismus aussprechen, wenn
> man ihn mit 'Leid verhindern' begründet, und dies hat Singer
> auch ganz klar und oft getan!

Das schon etwas Wortklauberei bezüglich meiner Formulierung. Natürlich kann man er sich auch als Unveganer für Veganismus aussprechen und er hat auch nicht aktiv davon abgeraten. Dennoch spricht er sich nicht ausdrücklich dafür aus, wie es immer wieder behauptet wird, sondern rechtfertigt im Gegenteil Tierproduktkonsum.

> Der Autor dieses Beitrages weiss anscheinend nicht, was
> Speziesismus ist. Ist es speziesistisch von mir, wenn ich
> einem Bakterium keine Grundrechte gebe?

Im Zitat geht es um Hühner und Mäuse, nicht um Bakterien.

> Nein, das Bakterium
> ist zwar eine Spezies, trotzdem gibt es RELEVANTE KRITERIEN,
> die Menschen von Bakterien unterscheiden, z.B. die
> Empfindungsfähigkeit.

Hühner und Mäuse sind empfindungsfähig.

> Unsere Gesellschaft erlaubt das Abtreiben von
> empfindungsfähigen Föten. Ob der Fötus, oder das Baby,
> innerhalb des Mutterleibes oder ausserhalb davon ist, hat
> keinen Einfluss auf den Bewusstseinszustand davon. Wenn man
> also konsequent ist, dürfte man auch nach der Geburt
> 'abtreiben', solange das Baby von den mentalen Fähigkeiten
> noch einem Fötus ähnelt. Singer hat jedoch eingesehen, dass
> dies a) missbraucht werden kann, und b) in der Gesellschaft
> bei vielen Leuten Wut und Unverständnis hervorrufen würde,
> deshalb hält er trotzdem fest, dass es Sinn macht, Menschen
> uneingeschränkt direkt nach der Geburt Rechte zu verleihen.
> Aber eben, Singer macht den Unterschied zwischen 'Person' und
> nur empfindungsfähigen Wesen, und das scheint ja Sinn zu
> machen! Wenn ein Fötus im Mutterleib abgetrieben wird, ist
> das ja wohl weniger problematisch, als wenn jemand auf der
> Strasse einen erwachsenen Menschen erschiesst. Als Atheist
> solltest Du das sowieso einsehen, Bewusstsein entwickelt sich
> graduell, es macht nicht einfach *zack* und dann ist eine
> 'Seele' da.

Diesen ganzen Absatz hätte man sich sparen können, hätte man beachtet, dass es im Ziat um - ich wiederhole mich - eindeutig empfindungsfähige Hühner und Mäuse, nicht um Bakterien, Embryonen oder Feten geht.

> Jedenfalls, Singer bringt das plausible Argument, dass die
> Fähigkeit der Selbsterkenntnis, dass man seine eigene
> Existenz von Vergangenheit bis in die Zukunft versteht, dass
> man Zukunftspläne und Wünsche hat, ethische Relevanz hat. Ist
> es wirklich gleich schlimm, wenn jemand eine Ziege tötet, als
> wenn jemand einen Menschen tötet?

Ja, Zukunftsbewusstsein ist ethisch relevant. Aber es ist nicht ethisch relevant in Bezug auf Grundrechte wie das Recht auf Leben (sonst hätten alle Menschen, die kein Zukunftsbewusstsein haben - wie Neugeborene, geistig schwer Behinderte usw., das Argument sollte bekannt sein -, kein Lebensrecht und könnten z.B. als Organspender benutzt und getötet werden). Daher ist eine Ziege zu töten (ohne sich in einer Konfliktsituation zu befinden) ethisch genauso verwerflich, wie einen Menschen zu töten.

> Singer scheint einen guten
> Punkt zu haben... Und weil er eben ein (für ihn?) relevantes
> Kriterium bringt, ist er sicherlich kein Speziesist!

Er ist Speziesist, weil er als Maßstab für sein Kriterium die menschliche Spezies ansetzt. Er argumentiert nicht direkt mit dem Begriff Spezies, aber indirekt steht sie hinter seinem Kriterium. (Auch das ist nicht gerade unbekannt, siehe Great Ape Project.)

> Ausserdem hat man zeigen können, dass Schimpansen und
> womöglich andere Menschenaffen 'Voraussicht' und
> Selbsterkenntnis besitzen. Und siehe da: Singer will ihnen
> Rechte geben. Das ist gut und vollkommen konsequent.

Ja sicher, nur macht das nicht weniger speziesistisch. Denn die Frage ist nicht, ob er die menschliche Speziesgrenze überschreitet, sondern ob wie er argumentiert (s.o.).

> und sich nur auf irgendwelche Interviewpassagen ohne Kontext
> bezieht.

Wenn ich den Kontext irgendwie verfälscht haben sollte, bin ich gespannt darauf zu hören wie und wie der richtige Kontext lautet.

> Das ist schlichtweg falsch übersetzt. Eigentlich hiesse es
> "Also widerspricht Singer Kant, welcher argumentiert, dass
> Menschen eine inhärente Würde haben, welche ihnen einen
> 'Selbstzweck' gibt, während dem Tiere nur Mittel zu unseren
> Zielen sind."

Ist korrigiert (d.h. gelöscht).

Re: Kritik

Autor: ...Lukas | Datum:
Danke für die sachliche Antwort.

> "einfach nicht 'absoulut geltend'" ist eine nette
> Umschreibung für jemanden, der dem Utilitarismus völlig
> logisch folgend Rechte grundsätzlich ablehnt.

Du beziehst dich auf fundamental-ethische Rechte, das gibt's für Utilitaristen nicht. Wenn du aber daraus schliesst, dass auch politische Rechte keinen Sinn machen, liegst du völlig falsch. Aus pragmatischen Gründen machen sie sehr wohl Sinn, und Singer unterstützt gewisse Rechte auch in diesem Sinne.

Ausserdem, bezüglich deinen 'elementaren Rechten', wenn du vor der Wahl stehst, ein Tier schmerzlos zu töten um tausende Tiere vor Qual und Tod zu retten, würdest du es tun? Falls ja, unterscheidet dich nichts vom Utilitarismus, ausser eben, dass das 'töten an sich' auch als 'schlechte Konsequenz' zählt. Falls nein, was ist das denn für eine absurde und unethische Moralvorstellung? 'Richtig zu handeln' bedeutet doch, die Welt besser machen. Und wenn anstatt einem Tiere tausende qualvoll sterben, dann ist das klar schlechter. Du meinst, hier Singer als Utilitarist verurteilen zu können, aber wenn du wirklich lieber tausendmal mehr Leid willst, als nötig wäre, dann bist doch du derjenige, der unmoralisch denkt.

> Singer ist der
> Meinung, Tiere "schmerzfrei" zu töten sei in Ordnung, obwohl
> dies gegen ein elementares Recht, das Recht auf Leben,
> verstößt. Er ist gegen "Massentierhaltung", aber für sog.
> Alternativhaltungen und damit eindeutig Tierschützer, kein
> Tierrechtler.[/quote]

Woher nimmst du dieses 'elementare Recht'? Singer hat geschrieben, dass es IN DER THEORIE möglich wäre, Tiere ohne Leid glücklich leben zu lassen, sie dann schmerzfrei zu töten, und dann die Endprodukte zu konsumieren. Praktisch wird das nur in den allerwenigsten Fällen, wenn überhaupt, getan.

Hier ein Auschnitt aus 'Practical Ethics':

"Apart from taking their lives there are also many other things done to animals in order to bring them cheaply to our dinner table. Castration, the separation of mother and young, the breaking up of herds, branding, transporting, and finally the moments of slaughter -- all of these are likely to involve suffering and do not take the animals' interests into account. [...] In any case, the important question is not whether animal flesh could be produced without suffering, but whether the flesh we are considering buying was produced without suffering. Unless we can be confident that it was, the principle of equal consideration of interests implies that it was wrong to sacrifice important interests of of the animal in order to satisfy less important interests of our own; consequently we should boycott the end result of this process."

'Animal Liberation' habe ich gerade nicht zur Hand, aber ich erinnere mich, dass er dort ähnlich argumentierte (z.T. gleiche Passagen). Mit diesem Argument ('equal consideration of interests' folgt aus dem anti-Speziesismus Argument) lässt sich der Veganismus begründen. Es ist in der Tat schade, dass Singer nicht näher auf das Leiden, dass auch(!) bei der Freilandei-Produktion oder bei bio Milchkühen verursacht wird, trotzdem spricht das Argument für sich selbst. Und Singer ist, wie schon gesagt, zu 99% Veganer. Stell dir vor er hat Recht mit seinem Argument, dass er Leute als 'Extremist' antagonisieren würde. Dann würde er damit mehr Leid verhindern, als der Konsum von Freilandeiern verursacht. Es ist also nicht so, dass er es aus Bequemlichkeit tut. Allerdings muss ich zugeben, dass ich von seiner Arguementation in dieser Hinsicht nicht vollkommen überzeugt bin.

> Und da es "ein
> bisschen vegan" ebenso wenig wie "ein bisschen schwanger"
> gibt, folgt daraus, dass er nicht vegan lebt.
> Das zweite Argument ist ebenso schwach: Es ist völlig egal,
> wie viel er sich für was eingesetzt hat. Wenn er nicht vegan
> ist, ist er nicht vegan.

Bravo, mit dieser Argumentation schadest du den Tieren! Für viele Fleischesser ist die Vorstellung, auf 'vegan' umzustellen, undenkbar schwierig. Wenn du mit deinem Puritäts-Scheiss kommst, werden sie es gar nicht erst versuchen. Man sollte die Leute ermutigen, ihr bestmöglichstes zu tun, und sie für Teilerfolge loben. Natürlich immer darauf hinweisen, dass es doch auch noch weiter geht, und irgendwann kommt man dann auch zu Veganismus. Wenn 1000 Menschen ihren Tierproduktskonsum halbieren, und bei den Tierprodukten, die gekauft werden, darauf achten, dass es nicht Massenproduktion ist, dann ist das Endresultat besser, als wenn die Hälfte strikte Veganer würden. Das erstere ist gut vorstellbar, das letztere scheint leider, zumindest kurzfristig, utopisch. Seien wird doch ein bisschen pragmatisch!

Ich möchte Singer hier nicht entschudligen, als Philosoph hat er natürlich eine Vorbildfunktion, und sein Argument ist schon etwas dürftig, aber ich sehe schon ein, wie 'Extremismus' (Veganismus ist nicht 'extrem' im schlechten Sinne natürlich, wird aber oft so von aussen wahrgenommen!) kontraproduktiv wirken kann. Du scheinst hier in diesem Beitrag ein gutes Beispiel davon zu geben, für viele Veganer machen deine Aussagen wohl Sinn, aber auf Fleischesser kann das sehr antagonisieren wirken. (Zum Glück sind in diesem Forum sowieso fast alle Veganer.)

> Zudem war das Argument zweiteilig: Das Problem ist nicht nur
> sein eigener Unveganismus, sondern auch wie er ihn öffentlich
> rechtfertigt und damit dem (Real-)Veganismus gerade durch die
> Gewichtung seiner Aussagen aufgrund seiner Autorität immens
> schadet.

Ja, da hast du wohl Recht, das ist Schade!

> Eigentlich nicht. In seinem Buch plädiert er - wie er auch
> selbst sagt, siehe Zitat - [n?]irgendwo für Veganismus, sondern
> rechtfertigt Tierproduktkonsum, d.h. es liegt nicht einfach
> daran, dass er nur 'vergessen' hätte, den Begriff "vegan"
> ausdrücklich zu benutzen.

Ich kann mir vorstellen, dass er es darum nicht tut, weil 'vegan' auch Dinge beinhaltet, gegen die Singer nichts hat. Falls Bienen z.B. nicht empfindungsfähig sind, sähe er kein Problem damit, Honig zu essen. Und alle Indizien deuten darauf hin, dass Bienen eben nicht empfindungsfähig sind. Ob Singer, als er die Bücher schrieb, über das Geschlechtsproblem (männliche Küken werden vergast) bei (Freiland)Hühnern zur Eierproduktion gewusst hat, weiss ich nicht, wahrscheinlich nicht. Und eben, wie im obigen Abschnitt, den ich zitiert habe, klar zur Sprache kommt, rechtfertigt Singer unnötiges Tierleid nicht! Und unnötig ist es immer, ausser wenn dadurch noch mehr(!) Leid verhindert werden könnte, was in gewissen medizinischen Tierversuchen (längst nicht aber in allen, oft sind die unnötig und ungenau), wenn überhaupt, der Fall sein kann.

> Im Zitat geht es um Hühner und Mäuse, nicht um Bakterien.

Ich weiss, ich wollte dir nur erklären, dass es nicht speziesistisch ist, Wesen mit verschiedenen relevanten Kriterien ungleich zu behandeln. Das scheinst du nicht verstanden zu haben.

> Diesen ganzen Absatz hätte man sich sparen können, hätte man
> beachtet, dass es im Ziat um - ich wiederhole mich -
> eindeutig empfindungsfähige Hühner und Mäuse, nicht um
> Bakterien, Embryonen oder Feten geht.

Wie gesagt, es war nur ein Vergleich. Und zwar einer, der deine Doppelstandards aufzeigen sollte. Föten sind empfindungsfähig, trotzdem darf man sie abtreiben, wir sehen das nicht als gleich schlimm an, wie wenn man einen Erwachsenen Menschen töten würde.

Krümel hat oben geschrieben, dass Wesen mit 'Interessen' Rechte verdienen. Wer sagt mir, wer oder was ein 'Interesse' hat? Ich find das ein schwammiges Kriterium. Wenn sich ein Tier instinktiv so verhält, als ob es Leben wolle, hat es dann ein 'Interesse' dazu? Schon heute gibt es Roboter, die das auch tun, ist es jetzt Mord, wenn man da auf den 'off' Knopf drückt? Oder zählt doch nur die Empfindungsfähigkeit? Dann aber wäre da wirklich kein Unterschied zwischen Mensch und Ziege. Interessen sind für mich BEWUSSTE zukunftsbezogene Vorstellungen. Hühner oder Mäuse haben das höchstwahrscheinlich nicht. Bei Kühen oder Schweinen ist es schon weniger klar.

Ausserdem, wer sagt, dass 'töten' überhaupt AN SICH schlecht sein muss? Wenn ich nie geboren wäre, könnte ich mich auch an nichts stören. Wenn mich jemand im Schlaf schmerzlos töten würde, würde ich ja auch nichts davon mitkriegen, es wäre so, wie in den 13.7 Milliarden Jahren vor meiner Geburt -- nichts würde wahrgenommen, und leiden tut auch niemand. Natürlich hat töten enorme Auswirkungen auf das Umfeld, man hat Angst davor, man trauert um Leute / Tiere usw. Man könnte nicht unplausibel argumentieren, dass es 'nur' auf die indirekten Konsequenzen darauf an käme. Aus pragmatischen Gründe wäre es immer noch absolut zwingend, Mord immer strengstens zu bestrafen, sonst würde die Gesellschaft schlichtweg nicht funktionieren. Das 'Lebensrecht für alle empfindungsfähigen Wesen' finde ich komplett mythologisch. Du argumentierst, also ob das sonnenklar wäre. Aber wie begründest du es denn?

> Ja, Zukunftsbewusstsein ist ethisch relevant. Aber es ist
> nicht ethisch relevant in Bezug auf Grundrechte wie das Recht
> auf Leben (sonst hätten alle Menschen, die kein
> Zukunftsbewusstsein haben - wie Neugeborene, geistig schwer
> Behinderte usw., das Argument sollte bekannt sein -, kein
> Lebensrecht und könnten z.B. als Organspender benutzt und
> getötet werden). Daher ist eine Ziege zu töten (ohne sich in
> einer Konfliktsituation zu befinden) ethisch genauso
> verwerflich, wie einen Menschen zu töten.

Da sich deren Umfeld um Neugeborene oder geistig Schwerstbehinderte kümmert, wäre es in den meisten Fällen verwerflich, die Tötung dieser Menschen zu unterlassen. Wenn jetzt aber ein Paar ein Kind hat, und das im fünften Monat wegen schwerster Behinderung abtreibt, ist dies dann akzeptabel? Nach heutigem Recht schon. Was, wenn das Kind im 8ten Monat überlebensfähig auf die Welt kommt, jedoch schwerstbehindert, und die Eltern das Kind, falls sie früher von der Behinderung gewusst hätten, abgetrieben hätten? Ob innerhalb oder ausserhalb des Bauches kann doch keinen intrinsischen Unterschied machen. Eine Regelung zur schmerzfreien Tötung in Spezialfällen, wenige Tage nach der Geburt, könnte man zumindest in Erwägung ziehen, wenn die Eltern denn dafür wären. Da sowas bei Religiösen und anderen Menschen wohl viel Wut und Leid auslösen würde, müsste man es sich gut überdenken, aber ich sehe Singers Vorschlag als gut begründet. Wenn man nie gängige Normen hinterfragen würde, würden die Leute heute noch Menschen verurteilen, die vor-ehelichen Sex hätten!

> Er ist Speziesist, weil er als Maßstab für sein Kriterium die
> menschliche Spezies ansetzt. Er argumentiert nicht direkt mit
> dem Begriff Spezies, aber indirekt steht sie hinter seinem
> Kriterium. (Auch das ist nicht gerade unbekannt, siehe Great
> Ape Project.)

Das ist Blödsinn, er setzt bei relevanten Unterschieden an. Singer einen Speziesist zu nennen ist falsch und unredlich.

> Ist korrigiert (d.h. gelöscht).

Da es jetzt weg ist, hier noch einmal festgehalten: Im originalen Beitrag stand zuerst, nicht wörtlich aber in etwa sinngemäss folgendes:

'''Dass Singer Tiere wie Kant nur als 'Mittel zum Zweck' betrachtete, den Menschen jedoch als ein Wesen mit'Selbstzweck' und Würde betrachtete.'''

Dies ist natürlich völlig falsch, Singers Utilitarismus ist ja gerade das Gegenteil von Kants Theorie, und ausserdem zählt für Singer jegliches Leid / Wohl, ob es jetzt im Körper eines Menschen, Tieres, oder in Zukunft möglicherweise Roboters geschieht.

Das ist wohl alles, was ich hierzu zu sagen habe, falls ich nochmals auf weitere Kommentare antworte wird es kurz sein. Ich hoffe, dass ich einigen Leuten hier aufzeigen konnte, dass Singer nicht das 'Monster' ist, als das er hier (ich übertreiben natürlich ein wenig) ursprünglich vorgestellt wurde.

Re: Kritik

Autor: Mak Kandelaki | Datum:
Ich will nur der in dieser Diskussion gestellte Frage nach der Empfindungsfähigkeit eines Embryos aufgreifen (" (da es ) um eindeutig empfindungsfähige Hühner und Mäuse, nicht um Bakterien, Embryonen oder Feten geht" Martin).

"Diese Frage beruht auf der Tatsache der Abtreibungsfreigabe bis zum 3. Monat in vielen Ländern. Man muss aber feststellen, dass diese Grenze aus praktischen, nicht aus humanembryologischen Gründen gezogen wurde, weil bis zu diesem Zeitpunkt das Kind noch relativ klein und eine Abtreibung am leichtesten durchführbar ist. Biologisch ist das Kind schon vor Ende des 3. Monats sehr weit entwickelt.
Der weltbekannte Arzt Dr. Nathanson filmte mit Hilfe der sogenannten "Ultraschall-Aufnahmetechnik" das Verhalten eines Embryos während einer Abtreibung. Er war von diesen Aufnahmen so sehr erschüttert, daß er von diesem Tag an keine Abtreibung mehr durchführte und ein entschiedener Kämpfer für das ungeborene Leben wurde "
pro-Leben.de

Der Film zeigt die ganze ethische Unsicherheit dieser Gefilde:

http://www.youtube.com/watch?v=-hdSblIKGRo

Für mich pesönlich käme eine Abtreibung nicht in Frage. Auch unterscheide ich nicht zwischen Mord an Tieren und Mord an Menschen. Damit kann ich vermutlich nur leben, weil ich selbst früher an Tiermord beteiligt war und diese Zeit bei mir und bei andreren Menschen, mit einer tiefer Bewusstlosigkeit erkläre :-) Die Frage: "wenn du vor der Wahl stehst, ein Tier schmerzlos zu töten um tausende Tiere vor Qual und Tod zu retten, würdest du es tun?" - ist eine abstrakte, von Ethiklektoren oft benützte Art der Spekulation, die mit Realität nichts zu tun hat. Genau in gleicher Art, kann ich sie auch beantworten: Ja, würde ich tun, aber nur wenn das Tier einverstanden ist.

Bei Menschen wurde die Frage wirklich schon gestellt und mit "Ja" beantwortet - von Kaiaphas: “Es ist besser, dass ein Mensch stirbt, als dass das ganze Volk Schaden leide”. Aber da war der betreffende Mensch auch einverstanden.

Dieses kalkuliertes Todesurteil musste ja noch gültiger und gütiger in so einem klarer Fall, wie Hitler sein. Dann wäre eine Frage eines Ethiklektors folgende sein: würdest du, lieber Lukas, hättest du in die Vergangenheit eingreifen können, kleinen - sagenwirma -3 Jährigen Adolf töten können?

Abtreibung

Autor: martin | Datum:
Wie ich inzwischen schon klargestellt habe, sollte das nicht heißen, ich würde jede Form von Abtreibung ohne Weiteres gutheißen. Trotzdem möchte ich darauf hinweisen, dass deine Quellen von Theisten kommen, die nicht mit allem, was sie sagen, unrecht haben müssen, die aber das Thema unwissenschaftlich, vorurteilsbehaftet und theologisch/irrational behandeln.

> Auch
> unterscheide ich nicht zwischen Mord an Tieren und Mord an
> Menschen.

Dafür ist "Abtreibung" allerdings sehr weit gefasst. Ein Embryo, das erst aus acht Zellen besteht, abzutreiben, würde ich nicht als Mord bezeichnen.

Re: Abtreibung

Autor: Mak Kandelaki | Datum:
Hallo Martin,

Zitat: wischen schon klargestellt habe, sollte das nicht heißen, ich würde jede Form von Abtreibung ohne Weiteres gutheißen. Trotzdem möchte ich darauf hinweisen, dass deine Quellen von Theisten kommen, die nicht mit allem, was sie sagen, unrecht haben müssen, die aber das Thema unwissenschaftlich, vorurteilsbehaftet und theologisch/irrational behandeln.


Nach meiner Meinung, überschätzst du die Objektivität der Wissenschaft, die letzendlich nur von der Entwicklung und Sensibilität der Messgeräte abhängig ist- wie schon Goethe schrieb:
"Daran erkenn ich den gelehrten Herrn!
Was ihr nicht tastet, steht euch meilenfern,
Was ihr nicht faßt, das fehlt euch ganz und gar,
Was ihr nicht rechnet, glaubt ihr, sei nicht wahr,
Was ihr nicht wägt, hat für euch kein Gewicht,
Was ihr nicht münzt, das, meint ihr, gelte nicht."

Ein Beweis dafür ist dieser Arzt, der ohne Bedenken Abtreibungen durchgeführt hat- erst nachdem es möglich wurde (durch Ultraschallaufzeichnung) die bis dahin unsichtbare Vorgänge endlich zu sehen, ist er zum Abtreibungsgegner geworden. Und das hat mit Theologie nichts zu tun.

Man erkennt die wahrheit und zieht daraus Konsequenzen.

Zitat: Ein Embryo, das erst aus acht Zellen besteht, abzutreiben, würde ich nicht als Mord bezeichnen.


Nun, diese acht Zellen braucht man erst gar nicht abzutreiben, in diesem Stadium ist die Schwangerschaft noch gar nicht sicher. Erst die 16 Zelle große Zellkugel fängt an zur Gebärmutter zu wandern. Aber schon mit 22 Tagen beginnt das Herz des Ungeborenen zu schlagen -da wissen meiste Frauen noch nichts von ihrer Schwangerschaft. Mit 7 Wochen- also im Abtreibungstoleranten Zeitraum sind alle Organe vorhanden. Es entwickelt sich nichts Neues mehr. Das Kind ist 21 mm groß. Es braucht nur noch Nahrung und Zeit, um zu wachsen und zu reifen. Und es reagirt auf Angriff mit offensichtilcher Angst.

Die Frage ist: wann fängt der Mensch zu leben an? Heute, mit der Entwicklung und vortschreitende Sensibilierung der Geräte, verschiebt sich der Zeitpunkt mehr und mehr zurück zum Anfang. Also,kann man auch keine ethisch sichere Antwort auf diese Frage geben- das wollte ich nur betonen.

Re: Abtreibung

Autor: martin | Datum:

> Nach meiner Meinung, überschätzst du die Objektivität der
> Wissenschaft, die letzendlich nur von der Entwicklung und
> Sensibilität der Messgeräte abhängig ist

Den Zusammenhang verstehe ich nicht. Warum überschätze ich die Objektivität der Wissenschaft mit dem Hinweis, dass man keine offensichtlich unwissenschaftlichen Quellen benutzen sollte?

Dazu ist es auch gut zu wissen, dass der Zeitraum von drei Monaten kein wissenschaftliche, sondern in erster Linie eine praktische/pragmatische Grenzziehung ist. Daher sollte man hiermit nicht gegen "die Wissenschaft" argumentieren.

> Nun, diese acht Zellen braucht man erst gar nicht
> abzutreiben, in diesem Stadium ist die Schwangerschaft noch
> gar nicht sicher.

Sicher, aber Theisten und andere unreflektierte Abtreibungsgegner wettern zz. z.B. gegen PID und die wird an einem vier- bis achtzelligen Embryo durchgeführt, der dann ggf. "abgetrieben" (richtiger: verworfen) wird. Genauso wie es für mich notwendig ist, mich von feministischen Parolen wie "Mein Bauch gehört mir" zu distanzieren, ist eine Distanzierung von solchen Positionen.

> Mit 7 Wochen- also im
> Abtreibungstoleranten Zeitraum sind alle Organe vorhanden. Es
> entwickelt sich nichts Neues mehr. Das Kind ist 21 mm groß.
> Es braucht nur noch Nahrung und Zeit, um zu wachsen und zu
> reifen. Und es reagirt auf Angriff mit offensichtilcher Angst.

Woraus schließt du "offensichtliche Angst"? Von Bewegungen, die z.B. auf solchen Ultraschallbildern zu sehen sind, kann man nicht auf die tatsächlichen Ursachen dieser Bewegungen schließen. Daher denkt dieser Arzt durchaus theistisch, da er monokausal argumentiert und seine Annahme nicht hinterfragt.

Wenn man Empfindungsfähigkeit als Grundlage nimmt, wäre die Drei-Monats-Regel vielleicht gar nicht so daneben.
Zitat: Der Bericht der britischen RCOG kam nun zu dem Ergebnis, dass Föten bis zur 24. Schwangerschaftswoche keine Schmerzen empfinden können. Damit kam er zu einem vom ersten Bericht 1997 abweichenden Ergebnis, der den Gebrauch von Analgetika bis zu diesem Zeitpunkt befürwortet hatte. Festgestellt wurde, dass die notwendigen Nervenbahnen bis zur 24. Wochen noch nicht im Gehirn verschaltet seien, eine Wahrnehmung von Schmerzen deshalb ausgeschlossen. Allan Templeton, Vorsitzender der Arbeitsgruppe, nahm zu den Reflexbewegungen von Föten ebenfalls Stellung: „Tatsächlich gibt es reflexive Reaktionen, aber da die Nerven noch nicht mit dem Cortex verbunden sind, sind es Reflexreaktionen ohne Gefühl von Schmerzen.“ Der Bericht hält fest, dass die gleichen Reflexbewegungen ebenfalls bei fehlentwickelten Föten beobachtet wurden, die teilweise überhaupt kein Gehirn hatten und demzufolge auch nicht zu einer sensorischen Empfindung in der Lage gewesen sein konnten.

(http://www.wissenrockt.de/2010/06/27/ab-wann-fuhlen-menschen-schmerzen-7549/)


> Die Frage ist: wann fängt der Mensch zu leben an?

Das ist keine gute Frage. Pflanzen leben auch, trotzdem benötigen sie keine ethische Berücksichtigung. Ich denke, Empfindungsfähigkeit ist ein sinnvolleres Kriterium.

> Heute, mit
> der Entwicklung und vortschreitende Sensibilierung der
> Geräte, verschiebt sich der Zeitpunkt mehr und mehr zurück
> zum Anfang.

Nicht unbedingt, s.o.

> Also,kann man auch keine ethisch sichere Antwort
> auf diese Frage geben- das wollte ich nur betonen.

Ich würde eher sagen, man kann keine abschließende Antwort geben, weil die wissenschaftliche Erforschung dieser Zusammenhäng nie eindeutig abgeschlossen sein wird. Aber man kann von dem heutigen Wissen ausgehend die bestmögliche Entscheidung treffen. Und aus sozialen Gründen (Stichwort illegale Abtreibungen bei Verbot) muss man eine Entscheidung treffen.

Re: Abtreibung

Autor: Mak Kandelaki | Datum:
Lieber Martin,

es ging um die Empfindungsfähigkeit eines Embryo und für mich (sowie auch für diesen Azt) ist dieses Video ein Beweis dafür, daß es während der Abtreibung sehr wohl empfindungsfähig ist. Wenn für dich es nur die Bewegungen darstellt, die keine Bewegungsgründe (wie z.B. Schmerz) offenbaren, lassen wir das so stehen.

Zitat: Warum überschätze ich die Objektivität der Wissenschaft mit dem Hinweis, dass man keine offensichtlich unwissenschaftlichen Quellen benutzen sollte?

Erstens, verstehe ich nicht, was an diesem Video "offensichtlich unwissenschaftlich" sein soll.
Ansonsten, wie gesagt, habe ich Eindruck, daß für dich "wissenschaftlich" gleich "hochstmögliche Objektivität" bedeutet (kann sein ich irre mich) und mit vorherigen Beitrag wollte ich meinen diesbezüglichen Zweifel ausdrück geben.

Dein Argument (von britischen RCOG) erinnert mich an Grauzone Organspende: da hat z.B. ARD im jahr 1999 einen Film über Organspende1 ausgestrahlt, darin wurde unter anderem berichtet, daß hirntote Organspender während der Explantation Abwehrbewegungen mit den Armen und Beinen machen, daß der Blutdruck in die Höhe schnellt und die Herzkurven signifikante Ausschläge zeigen. Auf die Frage nach Anästhesie bei Organentnahmen erklärte Prof. Angstwurm, daß Organspender zur Unterdrückung solcher „Rückenmarkreflexe“ zwar Muskelrelaxanzien bekommen, aber keine Narkose. Sie seien hirntot und könnten daher keine Schmerzen mehr verspüren.Also, man schneidet einen Menschen und der schwitzt, hat Herzklopfen und macht Abwehrbewgungen- für mich ist das ein Zeichen, daß er die Schmerzen wahrnimmt/empfindet. Trotzt der Beteuerung des Prof. Angstwurm. Ich bin nicht überzeugt, daß eder Gehirn dafür genügend erforscht ist ( der Entwicklung der Messgeräte!) und daß er für die Schmerzempfindlichkeit das einzig Entscheidende ist.
Ich würde- trotzt der nicht nachweisbare Schmerzempfindlichkeit - meiner Wahrnehmung trauen...
Zitat: Dazu ist es auch gut zu wissen, dass der Zeitraum von drei Monaten kein wissenschaftliche, sondern in erster Linie eine praktische/pragmatische Grenzziehung ist. Daher sollte man hiermit nicht gegen "die Wissenschaft" argumentieren.

Ich wollte nicht gegen Wissenschft argumentieren, sondern eben auf ihre praktisch/pragmatische Einstellung hinweisen, die nichts mit Ethik zu tun hat (soll auch nicht, ist nicht ihre Aufgabe). Aber ethische Fragen sollte man genau deswegen nicht ausschließich mit wissenschaftlicher Einstellung bewegen.

Re: Abtreibung

Autor: martin | Datum:

> es ging um die Empfindungsfähigkeit eines Embryo und für mich
> (sowie auch für diesen Azt) ist dieses Video ein Beweis
> dafür, daß es während der Abtreibung sehr wohl
> empfindungsfähig ist. Wenn für dich es nur die Bewegungen
> darstellt, die keine Bewegungsgründe (wie z.B. Schmerz)
> offenbaren, lassen wir das so stehen.

Das Problem ist, dass ihr per Beobachtung Aussagen über etwas machen wollt, das man nicht beobachten kann, nämlich Vorgänge im Gehirn. Wenn es zwei Erklärungsmodelle gibt - eines per Beobachtung und eines auf neuronaler Ebene - halte ich mich an das, was der Beantwortung der Frage am ehesten angemessen ist und das ist in diesem Fall das zweite.

> Erstens, verstehe ich nicht, was an diesem Video
> "offensichtlich unwissenschaftlich" sein soll.

Dass es von einer theistischen Organisation eingestellt wurde und dass es veraltet ist, da heute Erkenntnisse über embyronale Entwicklung aus wesentlich besseren Methoden als Ultraschallbeobachtungen gewonnen werden.

> Dein Argument (von britischen RCOG) erinnert mich an Grauzone
> Organspende: da hat z.B. ARD im jahr 1999 einen Film über
> Organspende1 ausgestrahlt, darin wurde unter anderem
> berichtet, daß hirntote Organspender während der Explantation
> Abwehrbewegungen mit den Armen und Beinen machen, daß der
> Blutdruck in die Höhe schnellt und die Herzkurven
> signifikante Ausschläge zeigen. Auf die Frage nach Anästhesie
> bei Organentnahmen erklärte Prof. Angstwurm, daß
> Organspender zur Unterdrückung solcher „Rückenmarkreflexe“
> zwar Muskelrelaxanzien bekommen, aber keine Narkose. Sie
> seien hirntot und könnten daher keine Schmerzen mehr
> verspüren.Also, man schneidet einen Menschen und der
> schwitzt, hat Herzklopfen und macht Abwehrbewgungen- für
> mich ist das ein Zeichen, daß er die Schmerzen
> wahrnimmt/empfindet.

Das sind alles keine Hinweise, dass diese Bewegungen auf Schmerzempfindung schließen lassen. Muskelbewegungen kommen selbst noch zustande, wenn der Muskel vom Körper getrennt und Stron hindurchgeleitet wurde. Für diese Bewegung ist nicht einmal eine Form von Bewusstsein nötig. Die Herzbewegung ist ebenfalls nicht bewusst steuerbar (im Gegensatz zu z.B. Atmungsbewegung).

> Ich würde- trotzt der nicht nachweisbare
> Schmerzempfindlichkeit - meiner Wahrnehmung trauen...

Du kannst bei dir selbst den Kniesehnenreflex auslösen. Ich würde aber behaupten, dass du dann trotz einer eindeutigen Beobachtung nicht davon überzeugt wärest, dass diese Bewegung auf eine bewusste Steuerung zurückgeht.

> Ich wollte nicht gegen Wissenschft argumentieren, sondern
> eben auf ihre praktisch/pragmatische Einstellung hinweisen,
> die nichts mit Ethik zu tun hat (soll auch nicht, ist nicht
> ihre Aufgabe). Aber ethische Fragen sollte man genau deswegen
> nicht ausschließich mit wissenschaftlicher Einstellung bewegen.

Sicher nicht ausschließlich, aber sie bildet die Grundlage, da man ohne Forschung durch reines Nachdenken Fragen - wie, wann sich Empfindungsfähigkeit einstellt - nicht lösen lassen.

Re: Kritik

Autor: martin | Datum:
> Du beziehst dich auf fundamental-ethische Rechte, das gibt's
> für Utilitaristen nicht. Wenn du aber daraus schliesst, dass
> auch politische Rechte keinen Sinn machen, liegst du völlig
> falsch. Aus pragmatischen Gründen machen sie sehr wohl Sinn,
> und Singer unterstützt gewisse Rechte auch in diesem Sinne.

Sicherlich lehnen Utilitaristen Rechte als politisches Instrumentarium nicht grundsätzlich ab. Jedoch würden sie sie nicht so verwenden, wie man heute den Begriff des Rechts versteht. Und da sich die Forderung nach Tierrechten an die Forderung von Menschenrechten anlehnt, ist das nicht das utilitaristische Rechtsverständnis. Singer weiß das und hat sein Buch nicht umsonst "Animal Liberation" statt "Animal Rights" genannt und auf den Unterschied dieser Benennungen mehrfach hingewiesen.

Das zweite Problem, ihn als "Begründer der Tierrechtsbewegung" zu bezeichnen, liegt darin, dass es zwar einige Tierrechtler gibt und die Anzahl durchaus steigt, aber bis heute nicht genug, um von einer "Bewegung" zu sprechen.

> Ausserdem, bezüglich deinen 'elementaren Rechten', wenn du
> vor der Wahl stehst, ein Tier schmerzlos zu töten um tausende
> Tiere vor Qual und Tod zu retten, würdest du es tun? Falls
> ja, unterscheidet dich nichts vom Utilitarismus, ausser eben,
> dass das 'töten an sich' auch als 'schlechte Konsequenz'
> zählt. Falls nein, was ist das denn für eine absurde und
> unethische Moralvorstellung? 'Richtig zu handeln' bedeutet
> doch, die Welt besser machen. Und wenn anstatt einem Tiere
> tausende qualvoll sterben, dann ist das klar schlechter.

Natürlich haben auch andere Ethik-Ansätze abwägende Elemente. Es wäre jedoch terminologisch unsinnig, jede Form von ethischer Abwägung als "utilitaristisch" zu kennzeichnen. Utilitaristisch ist es, Abwägung als Hauptkriterium für alle Entscheidungen anzusetzen; nicht wie andere Theorien, lediglich bei Dilemma- oder Extrem-Situationen darauf zurückzugreifen.

Zur Antwort: Nein, wahrscheinlich würde ich das nicht. Der Unterschied ist nur, dass der Utilitarist hier von einer regulären und sauberen Entscheidung sprechen würde; ich würde von einer ethisch problematischen Entscheidung sprechen, die nicht gut ist, sondern lediglich das kleinere von zwei Übeln in einer (völlig unrealistischen) Extremsituation zu wählen bedeutet.

> Du
> meinst, hier Singer als Utilitarist verurteilen zu können,
> aber wenn du wirklich lieber tausendmal mehr Leid willst, als
> nötig wäre, dann bist doch du derjenige, der unmoralisch denkt.

Zum einen "verurteile" ich Singer nicht als Utilitarist, sondern lehne seine Ansichten auch deshalb ab, weil ich Utilitarismus grundsätzlich ablehne. Zum anderen finde ich es bemerkenswert, ein unrealistisches Extremszenario zu entwerfen, mir eine Antwort zu unterstellen, die ich nicht gegeben habe, um so auf meine "Unmoralität" zu schließen.

> Woher nimmst du dieses 'elementare Recht'?

Aus meinem kontraktualistischen Verständnis (sowie aus der Analogie zu Rechten vergleichbarer Menschen).

> Singer hat
> geschrieben, dass es IN DER THEORIE möglich wäre, Tiere ohne
> Leid glücklich leben zu lassen, sie dann schmerzfrei zu
> töten, und dann die Endprodukte zu konsumieren. Praktisch
> wird das nur in den allerwenigsten Fällen, wenn überhaupt,

Ja, ich habe (an dieser Stelle) schließlich auch seine Theorie kritisiert. Dennoch würde das auf seine Praxis ebenso zutreffen, da er mehrfach den Konsum von Eiern gutgeheißen hat und die Eier- genauso wie die Fleischproduktion in allen heutigen Formen eindeutig nicht ohne das Töten der Tiere möglich ist, auch nicht bei Eiern aus sog. Alternativhaltungen. Ihm ist das zweifellos bekannt, aber es scheint ihn aus irgendwelchen Gründen nicht zu stören.

> 'Animal Liberation' habe ich gerade nicht zur Hand, aber ich
> erinnere mich, dass er dort ähnlich argumentierte (z.T.
> gleiche Passagen).

Aber ebenso nur, wenn es um Fleischkonsum geht. Dass Töten von Tieren zum Konsum anderer Tierprodukte auch nicht ohne Leiden möglich ist, scheint er - wie gesagt - aus irgendwelchen Gründen auszublenden. Trotzdem würde ich zustimmen, dass was Nahrungsmittel angeht, der Utilitarismus i.d.R. ausreichend ist, um alle Tierprodukte auszuschließen. Trotzdem reicht er nicht, um Tierrechte zu begründen. Denn bei Tierversuchen gibt es, wenn auch wenige, sinnvolle Versuche, die rein utilitaristisch das Quälen und Töten von Tieren rechtfertigen würden. Daher ist es auch kein Wunder, dass Singer sich nicht gegen alle Versuche an (empfindungsfähigen) Tieren ausspricht, sondern meint, einige wären sinnvoll.

> Singer ist, wie schon gesagt, zu 99% Veganer.

Zum Glück ist er keine Frau, sonst hätten die Medien irgendwann mglw. berichten können, dass er gerade "76% schwanger" ist.

> Stell dir vor
> er hat Recht mit seinem Argument, dass er Leute als
> 'Extremist' antagonisieren würde. Dann würde er damit mehr
> Leid verhindern, als der Konsum von Freilandeiern verursacht.

Zum einen wäre eine totale Tierproduktvermeidung auch utilitaristisch zu begründen und damit gäbe es keinen Vorwurf des "Extremismus". Zum anderen ist diese Denkweise wiederum gerade die utilitaristische (auf die Weise X mehr Leid vermeiden als usw. - natürlich rein hypothetisch), die ich jedoch ablehne. Daher macht es keinen Sinn, auf diese Weise gegen mich argumentieren zu wollen.

> Bravo, mit dieser Argumentation schadest du den Tieren! Für
> viele Fleischesser ist die Vorstellung, auf 'vegan'
> umzustellen, undenkbar schwierig. Wenn du mit deinem
> Puritäts-Scheiss kommst, werden sie es gar nicht erst
> versuchen. Man sollte die Leute ermutigen, ihr
> bestmöglichstes zu tun, und sie für Teilerfolge loben.

Welche Strategie besser ist, ist ein völlig anderes Thema, als die Frage, ob jemand, der Tierprodukte konsumiert, vegan ist. Und die Strategie-Frage wurde auch schon oft genug besprochen, das müssen wir hier nicht wiederholen.

> Natürlich immer darauf hinweisen, dass es doch auch noch
> weiter geht, und irgendwann kommt man dann auch zu
> Veganismus.

Wissentlich keine Tierprodukte zu konsumieren ist kein "noch weiter", sondern ein Mindeststandard, um als vegan zu gelten. Wenn er vorsätzlich Tierprodukte konsumiert, wie er es tut, ist er nicht vegan. Schlicht und ergreifend.

> Wenn 1000 Menschen ihren Tierproduktskonsum
> halbieren, und bei den Tierprodukten, die gekauft werden,
> darauf achten, dass es nicht Massenproduktion ist, dann ist
> das Endresultat besser, als wenn die Hälfte strikte Veganer
> würden.

Ich wiederhole mich: "Diese Denkweise ist wiederum gerade die utilitaristische (auf die Weise X mehr Leid vermeiden als usw. - natürlich rein hypothetisch), die ich jedoch ablehne. Daher macht es keinen Sinn, auf diese Weise gegen mich argumentieren zu wollen."

Auch ansonsten die die Rechnung falsch. Wenn entweder die alle 50% vermeiden oder die Hälfte 100%, ist das Ergebnis (bis hier) identisch. Da Veganer jedoch auch neben Tierprodukten sonstige Tierausbeutung wie für Zoo und Zirkus vermeiden, wäre die Hälfte Veganer (selbst utilitaristisch) besser.

> Das erstere ist gut vorstellbar, das letztere scheint
> leider, zumindest kurzfristig, utopisch. Seien wird doch ein
> bisschen pragmatisch!

Da "pragmatisch" in diesem wie in ähnlichen Fällen eine Umschreibung für "opportunistisch" ist, verzichte ich dankend. Aber dazu habe ich mich schon oft genug geäußert (z.B. hier), weshalb ich nicht vorhabe, das zu wiederholen.

> aber auf Fleischesser kann das sehr antagonisieren wirken.

Würde ich bezweifeln. Auch rational denkende Nicht-Veganer dürften mir zustimmen, dass jemand, der Tierprodukte konsumiert, nicht als vegan bezeichnet werden kann.

> Und alle Indizien deuten
> darauf hin, dass Bienen eben nicht empfindungsfähig sind.

Welche Indizien? Wenn man bedenkt, dass selbst Fruchtfliegen Nozizeptoren haben, scheint es unwahrscheinlich, dass Bienen sie nicht hätten. Und das wäre ein deutlicher Hinweis, dass sie vermutlich empfindungsfähig sind. Jedoch ist die Argumentation einfacher: Honig ist unnötig, daher ist es die bessere Entscheidung, ihn zu vermeiden, solange man nicht sicher sein kann, dass Bienen nicht empfindungsfähig sind.

> Ob
> Singer, als er die Bücher schrieb, über das
> Geschlechtsproblem (männliche Küken werden vergast) bei
> (Freiland)Hühnern zur Eierproduktion gewusst hat, weiss ich
> nicht, wahrscheinlich nicht.

Seine Aussage, dass der Eier konsumiert, ist wenige Jahre alt. Man kann wohl davon ausgehen, dass ihm dies inzwischen durchaus zu Ohren gekommen sein dürfte. Aber scheinbar sieht er kein Problem darin.

> > Im Zitat geht es um Hühner und Mäuse, nicht um Bakterien.
>
> Ich weiss, ich wollte dir nur erklären, dass es nicht
> speziesistisch ist, Wesen mit verschiedenen relevanten
> Kriterien ungleich zu behandeln. Das scheinst du nicht
> verstanden zu haben.

Ich sagte deutlich, dass für mich das relevante Kriterium nicht das Zukunftsbewusstsein, sondern die Empfindungsfähigkeit ist. Hier gibt es keinen signifikanten Unterschied und daher auch keine Rechtfertigung zur Ungleichbehandlung.

> Wie gesagt, es war nur ein Vergleich. Und zwar einer, der
> deine Doppelstandards aufzeigen sollte. Föten sind
> empfindungsfähig, trotzdem darf man sie abtreiben, wir sehen
> das nicht als gleich schlimm an, wie wenn man einen
> Erwachsenen Menschen töten würde.

Sicher war es ein Vergleich, nur ein völlig unnötiger (s.o.). Ansonsten scheinst du davon auszugehen, dass ich damit einverstanden wäre, dass auch wahrscheinlich empfindungsfähige Föten abgetrieben werden. Das ist nicht der Fall.

> Krümel hat oben geschrieben, dass Wesen mit 'Interessen'
> Rechte verdienen. Wer sagt mir, wer oder was ein 'Interesse'
> hat?

Tiere, die empfindungsfähig sind, haben Interessen. Daher ist Empfindungsfähigkeit bei praktisch allen Tierethik-Theorien das weitgehend unbestrittene Grundkriterium. "Interesse" ist jedoch ein Begriff, mit dem man an konkreten Fällen besser arbeiten kann.

> Ich find das ein schwammiges Kriterium. Wenn sich ein
> Tier instinktiv so verhält, als ob es Leben wolle, hat es
> dann ein 'Interesse' dazu?

Interessen umfassend auch passive Interessen, d.h. einem Tier muss nicht aktiv bewusst sein, dass es genau dieses Interesse hat, um es zu haben. So kann z.B. ein Kind von zwei Jahren kaum aktiv reflektieren, dass es Nahrung aufnehmen muss, dennoch hat es zweifelsohne ein Interesse daran.

> Interessen sind für mich BEWUSSTE zukunftsbezogene
> Vorstellungen.

Wenn dir jemand plötzlich den Arm abtrennt, hast du damit also kein Problem, da du wohl kaum jeden Moment eine "bewusste zukunftsbezogene Vorstellung" formulierst, alle Gliedmaßen behalten zu wollen. Trotzdem ist das Abtrennen auch ohne eine aktive Vorstellung sicher nicht in deinem Interesse.

> Ausserdem, wer sagt, dass 'töten' überhaupt AN SICH schlecht
> sein muss?

Ich zumindest nicht.

> Aus pragmatischen Gründe wäre es
> immer noch absolut zwingend, Mord immer strengstens zu
> bestrafen, sonst würde die Gesellschaft schlichtweg nicht
> funktionieren. Das 'Lebensrecht für alle empfindungsfähigen
> Wesen' finde ich komplett mythologisch. Du argumentierst,
> also ob das sonnenklar wäre. Aber wie begründest du es denn?

Die Kurzform: Ethik dient der gesellschaftlich vereinbarten Berücksichtigung ethischer Interessen und am Leben zu bleiben ist im Interesse jedes empfindungsfähigen Lebewesens.

Mythologisch ist für mich dagegen der Utilitarismus. Wo soll dieses Prinzip, dass das meiste Glück die beste Lösung ist, herkommen, sodass sich jeder dieser kollektivistischen Diktatur beugen muss, egal, wie viel Schaden ihm zugunsten von anderen zugefügt wird, nur weil dadurch eine abstrakte Summe verbessert werden kann?

> > Ja, Zukunftsbewusstsein ist ethisch relevant. Aber es ist
> > nicht ethisch relevant in Bezug auf Grundrechte wie das Recht
> > auf Leben (sonst hätten alle Menschen, die kein
> > Zukunftsbewusstsein haben - wie Neugeborene, geistig schwer
> > Behinderte usw., das Argument sollte bekannt sein -, kein
> > Lebensrecht und könnten z.B. als Organspender benutzt und
> > getötet werden). Daher ist eine Ziege zu töten (ohne sich in
> > einer Konfliktsituation zu befinden) ethisch genauso
> > verwerflich, wie einen Menschen zu töten.
>
> Da sich deren Umfeld um Neugeborene oder geistig
> Schwerstbehinderte kümmert, wäre es in den meisten Fällen
> verwerflich, die Tötung dieser Menschen zu unterlassen. Wenn
> jetzt aber ein Paar ein Kind hat, und das im fünften Monat
> wegen schwerster Behinderung abtreibt, ist dies dann
> akzeptabel? Nach heutigem Recht schon. Was, wenn das Kind im
> 8ten Monat überlebensfähig auf die Welt kommt, jedoch
> schwerstbehindert, und die Eltern das Kind, falls sie früher
> von der Behinderung gewusst hätten, abgetrieben hätten? Ob
> innerhalb oder ausserhalb des Bauches kann doch keinen
> intrinsischen Unterschied machen. Eine Regelung zur
> schmerzfreien Tötung in Spezialfällen, wenige Tage nach der
> Geburt, könnte man zumindest in Erwägung ziehen, wenn die
> Eltern denn dafür wären. Da sowas bei Religiösen und anderen
> Menschen wohl viel Wut und Leid auslösen würde, müsste man es
> sich gut überdenken, aber ich sehe Singers Vorschlag als gut
> begründet. Wenn man nie gängige Normen hinterfragen würde,
> würden die Leute heute noch Menschen verurteilen, die
> vor-ehelichen Sex hätten!

Auch dieser ganze Absatz hat nichts mit dem von mir besprochenen Problem zu tun. Es ging darum, dass Zukunftsbewusstsein kein ethisches relevantes Kriterium für das Lebensrecht von nichtmenschlichen Tieren ist. Warum du hier stattdessen über Abtreibungen redest, ist mir völlig unklar.

> > Er ist Speziesist, weil er als Maßstab für sein Kriterium die
> > menschliche Spezies ansetzt. Er argumentiert nicht direkt mit
> > dem Begriff Spezies, aber indirekt steht sie hinter seinem
> > Kriterium. (Auch das ist nicht gerade unbekannt, siehe Great
> > Ape Project.)
>
> Das ist Blödsinn, er setzt bei relevanten Unterschieden an.
> Singer einen Speziesist zu nennen ist falsch und unredlich.

Ich habe eben gesagt, warum Zukunftsbewusstsein (in dieser Frage) kein ethischer relevanter Unterschied ist. Aber das scheinst du ausgeblendet zu haben.

Re: Kritik

Autor: ...Lukas | Datum:
> Natürlich haben auch andere Ethik-Ansätze abwägende Elemente.
> Es wäre jedoch terminologisch unsinnig, jede Form von
> ethischer Abwägung als "utilitaristisch" zu kennzeichnen.
> Utilitaristisch ist es, Abwägung als Hauptkriterium für alle
> Entscheidungen anzusetzen; nicht wie andere Theorien,
> lediglich bei Dilemma- oder Extrem-Situationen darauf
> zurückzugreifen.

Da Menschen sich nicht perfekt ethisch verhalten und zudem nicht alle Utilitaristen sind, braucht es staatliche Rechte und Regeln. Ausserdem hat man selten Zeit für genaue Abwägungen, und für Alltagsverhalten kann man sich an 'Faustregeln' halten, welche dann ähnlich sind wie die der Deontologen. http://en.wikipedia.org/wiki/Two-level_utilitarianism

> Zur Antwort: Nein, wahrscheinlich würde ich das nicht. Der
> Unterschied ist nur, dass der Utilitarist hier von einer
> regulären und sauberen Entscheidung sprechen würde; ich würde
> von einer ethisch problematischen Entscheidung sprechen, die
> nicht gut ist, sondern lediglich das kleinere von zwei Übeln
> in einer (völlig unrealistischen) Extremsituation zu wählen
> bedeutet.

Was würdest du nicht? Nach dem letzten Satz zu urteilen würdest du das 'kleinere Übel' nehmen, finde ich ja schon einmal gut. Ob man jetzt sagt, man hätte 'richtig' gehandelt, oder man hätte 'weniger falsch' gehandelt ist sowieso nur Semantik.

> Zum einen "verurteile" ich Singer nicht als Utilitarist,
> sondern lehne seine Ansichten auch deshalb ab, weil ich
> Utilitarismus grundsätzlich ablehne. Zum anderen finde ich es
> bemerkenswert, ein unrealistisches Extremszenario zu
> entwerfen, mir eine Antwort zu unterstellen, die ich nicht
> gegeben habe, um so auf meine "Unmoralität" zu schließen.

Ich habe gar keine Antwort 'unterstellt', soweit ich mich erinnere habe ich den Konjunktiv oder 'wenn ..., dann...' gebraucht.

> Aber ebenso nur, wenn es um Fleischkonsum geht. Dass Töten
> von Tieren zum Konsum anderer Tierprodukte auch nicht ohne
> Leiden möglich ist, scheint er - wie gesagt - aus
> irgendwelchen Gründen auszublenden. Trotzdem würde ich
> zustimmen, dass was Nahrungsmittel angeht, der Utilitarismus
> i.d.R. ausreichend ist, um alle Tierprodukte auszuschließen.

Sehe ich auch so. Vielleicht sind vereinzelte Ausnahmen mit 'Familienhühnern' möglich, aber wo kommt das Huhn her? Ist es überzüchtet? Hat es genügen artgerechten Freiraum? usw...

> Trotzdem reicht er nicht, um Tierrechte zu begründen. Denn
> bei Tierversuchen gibt es, wenn auch wenige, sinnvolle
> Versuche, die rein utilitaristisch das Quälen und Töten von
> Tieren rechtfertigen würden. Daher ist es auch kein Wunder,
> dass Singer sich nicht gegen alle Versuche an
> (empfindungsfähigen) Tieren ausspricht, sondern meint, einige
> wären sinnvoll.

Du hast doch vorher gerade zugegeben, dass man 'Rechtsverletzungen' abwägen kann, warum also wieder dieser Absolutismus? Es gibt Rechte, und es gibt RECHTE. In Indien sind Kühe heilig, sie dürfen also in gewissen Regionen nicht geschlachtet werden. Die Folge: Lange Zwangsmärsche in der Hitze nach Pakistan, bei denen ein Grossteil der Tiere schon an erschöpfung stirbt. Die Inder würden ihren Kühen einen Gefallen tun, wenn sie sie selbst schlachteten.

Es ist nicht 'entweder oder'. Wenn man deinen Rechtsbegriff nehmen würde, dürfte ich mich nicht einmal gegen einen hungrigen Bären wehren! Ist doch Blödsinn. Ein Gesetzestext, der besagt, dass wir Tieren kein Leid zufügen dürfen, es sei denn es würde von einer Ethik-Kommission für medizinische Forschung genehmigt, würde doch schon ein gewaltiger Fortschritt für DICH sein, und für Utilitaristen wäre es perfekt. Auch Utilitaristen wollen Gesetzestexte, was wir nicht wollen, ist Dogmatismus.

> Zum Glück ist er keine Frau, sonst hätten die Medien
> irgendwann mglw. berichten können, dass er gerade "76%
> schwanger" ist.

Ich esse Honig, zwar nicht 'rein', aber wenn's irgendwo in kleinen Mengen drinnsteckt. Gibst du mir also als Veganer-Guru die Erlaubnis, wieder massenhaft Fleisch, Eier und Käse zu essen, weil ich ja sowieso kein Veganer bin und Gradienten anscheinend scheissegal sind? Bitte gib mir diese Erlaubnis, ich hätte gerade Lust auf ein bisschen Salami!

> Zum anderen ist diese Denkweise wiederum
> gerade die utilitaristische (auf die Weise X mehr Leid
> vermeiden als usw. - natürlich rein hypothetisch), die ich
> jedoch ablehne. Daher macht es keinen Sinn, auf diese Weise
> gegen mich argumentieren zu wollen.

Und Singer würde dir sagen, dass deine Denkweise die 'deontoligische' ist, die du dir sonst wohin schieben kannst. Nein! Das würde er nicht sagen, er würde eher Argumente vorlegen, warum deine Sichtweise unhaltbar ist. Du solltest deine Sicht einmal hinterfragen. Einfach sagen 'ich lehne die utilitaristische Denkweise ab' ist kein Argument.

Nicht, dass es mich gross stören würde, dass viele Veganer Deontologen sind. Es sind generell mehr Menschen Deontologen als Utilitaristen, und ich finde es gut, dass es so zu vielen (naja, relativ gesehen leider) Veganern führt. Aber was mich stört, ist dass Singer hier zum Feindbild gemacht wird! Deontologische Argumente hätten mich nie überzeugt, Veganer zu werden.(Aber stimmt, bin ich ja gar nicht, wenn es nach dir ginge; nach deiner Definition könnte ich ja genauso gut wieder Fleisch essen.)

> Ich wiederhole mich: "Diese Denkweise ist wiederum gerade die
> utilitaristische (auf die Weise X mehr Leid vermeiden als
> usw. - natürlich rein hypothetisch), die ich jedoch ablehne.
> Daher macht es keinen Sinn, auf diese Weise gegen mich
> argumentieren zu wollen."

Willst du damit ernsthaft sagen, dass es dir egal wäre, wenn die Weltbevölkerung ab morgen nur noch halbsoviele Tierprodukte essen würde, wie jetzt (gleich verteilt, so dass niemand neu zum Veganer würde)?

Anscheinend geht es dir gar nicht um das Tierleid, du scheinst da eine Ersatzreligion gefunden zu haben.

> Auch ansonsten die die Rechnung falsch. Wenn entweder die
> alle 50% vermeiden oder die Hälfte 100%, ist das Ergebnis
> (bis hier) identisch. Da Veganer jedoch auch neben
> Tierprodukten sonstige Tierausbeutung wie für Zoo und Zirkus
> vermeiden, wäre die Hälfte Veganer (selbst utilitaristisch)
> besser.

Stimmt schon, du bräuchtest aber immer noch eine riesige und unrealistische Menge an Veganern.

> Würde ich bezweifeln. Auch rational denkende Nicht-Veganer
> dürften mir zustimmen, dass jemand, der Tierprodukte
> konsumiert, nicht als vegan bezeichnet werden kann.

Für dich gibt's nur zwei Kategorien, Mörder und Veganer. Ich sage, dass ein '99% Veganer' besser ist, als ein Vegetarier, was wiederum besser ist, als ein Fleischesser.

Fleischesser werden dein 'Mörder' Gerede hören, und dich als fanatischen und naiven Tierliebhaber abstempeln, so dass sie sich nicht einmal mehr bewusst mit den Argumenten beschäftigen müssen. Dass du (bis zu einem gewissen Grad) Recht hast ist dann egal, sobald Menschen die Veganer in die 'die spinnen doch' Schublade stecken können, muss man sich gar keine Gedanken mehr machen.

Wer mit 'wäääh, du frisst Tierleichen und Menstruationsprodukte, du Mörder und Kuh-Vergewaltiger, Tiere sind meine Freunde!!!' argumentiert, schadet dem Veganismus mehr, als er nützt. (Vor allem, wenn man mit Fleischessern redet. Bei Vegetariern könnte es noch funktionieren.)

> Welche Indizien? Wenn man bedenkt, dass selbst Fruchtfliegen
> Nozizeptoren haben, scheint es unwahrscheinlich, dass Bienen
> sie nicht hätten. Und das wäre ein deutlicher Hinweis, dass
> sie vermutlich empfindungsfähig sind. Jedoch ist die
> Argumentation einfacher: Honig ist unnötig, daher ist es die
> bessere Entscheidung, ihn zu vermeiden, solange man nicht
> sicher sein kann, dass Bienen nicht empfindungsfähig sind.

Hier: http://www.efsa.europa.eu/en/scdocs/doc/292.pdf

Ausserdem leben Bienen eusozial, ein Schmerzempfinden würde individuelle Bedürfnisse fördern, was im Kommunismus des Bienenstaates eine Katastrophe wäre. So dumm ist die Evolution nicht. Nacktmulle, die einzigen eusozial lebenden Säugetiere, haben kein Schmerzempfinden auf der Haut!http://de.wikipedia.org/wiki/Nacktmull#Schmerzunempfindlichkeit Und Säugetiere haben normalerweise alle Schmerzempfinden, bei Insekten ist das sowieso schon unwahrscheinlich.

Aber wenn man Herrn Achim Stösser glauben sollte, habe ich ja keine Ahnung von Biologie...

> Ich sagte deutlich, dass für mich das relevante Kriterium
> nicht das Zukunftsbewusstsein, sondern die
> Empfindungsfähigkeit ist. Hier gibt es keinen signifikanten
> Unterschied und daher auch keine Rechtfertigung zur
> Ungleichbehandlung.

Ja, für Singer und viele andere ist es das aber. Ich könnte dir jetzt vorwerfen, dass Empfindungsfähigkeit für mich kein wichtiges Kriterium ist. Dann würde ich mich aber DARAUF konzentrieren, und dich nicht SPEZIESISTEN nennen, nur weil dir Pflanzen oder Bakterien egal sind. Ich sehe nämlich ein, dass Unterschiede bestehen, genauso wie zwischen Personen und Ziegen unterschiede bestehen. Jetzt muss man nur noch klären, ob diese Unterschiede moralische Relevanz haben. Das hat nichts mit Speziesismus zu tun, und deshalb finde ich es eine Frechheit, Singer einen Speziesisten zu nennen. Du darfste gerne anderer Meinung sein, aber dann konzentriere dich bitte auf die Problematik.

> Tiere, die empfindungsfähig sind, haben Interessen. Daher ist
> Empfindungsfähigkeit bei praktisch allen Tierethik-Theorien
> das weitgehend unbestrittene Grundkriterium. "Interesse" ist
> jedoch ein Begriff, mit dem man an konkreten Fällen besser
> arbeiten kann.

Das einzige bewusste Interesse, dass diese Tiere haben, ist dasjenige, 'nicht leiden zu wollen'.
Ich kenne einen Veganer, der mir sagt, dass es unethisch wäre, Seitan zu essen, der nach Fleisch schmeckt, weil es bewusst den Tierfleisch Geschmack nachahmt und das nicht im Interesse des Tieres läge! Dann hat er noch behauptet, dass man den Tieren ihre 'Gene' nicht nehmen darf, also dass in-vitro Fleisch unethisch sei. Das erinnert mich an Animal Farm, "alle Tiere sind gleich." Nein: Wir können menschliche Interessen nicht analog auf Tiere übertragen. Ein Tier stört sich nicht an in-vitro Fleisch, und wenn dadurch 50 Milliarden von Tieren von Leiden erlöst werden, dann ist sogar ein einmaliger Nadelstich gerechtfertigt, um die Produktion davon zu starten. Aber das ist ein anderes Thema.

> Interessen umfassend auch passive Interessen, d.h. einem Tier
> muss nicht aktiv bewusst sein, dass es genau dieses Interesse
> hat, um es zu haben. So kann z.B. ein Kind von zwei Jahren
> kaum aktiv reflektieren, dass es Nahrung aufnehmen muss,
> dennoch hat es zweifelsohne ein Interesse daran.

Das zählt nicht, ohne Nahrung würde das Kind leiden. Wenn ein Interesse 'passiv' ist, dann merkt das Tier gar nicht, falls es verletzt würde! Und wenn dies zu keinem Leiden führt, wo liegt denn da das Problem? Ausserdem hätten nach dieser Definition selbst Bakterien passive Interessen, die machen ja auch Stoffwechsel, ohne daran zu denken.

> Wenn dir jemand plötzlich den Arm abtrennt, hast du damit
> also kein Problem, da du wohl kaum jeden Moment eine
> "bewusste zukunftsbezogene Vorstellung" formulierst, alle
> Gliedmaßen behalten zu wollen. Trotzdem ist das Abtrennen
> auch ohne eine aktive Vorstellung sicher nicht in deinem
> Interesse.

Ich nehme an, dass es mir weh tun würde. Ausserdem würde später leiden, mit nur noch einem Arm, da ich gewisse Aktivitäten nicht mehr oder schlechter ausführen könnte. Das Problem hier ist LEIDEN. Wenn mir mein Arm egal wäre, wär's wohl kein Problem. Wenn mir ein Zauberer den Blinddarm herauszaubern würde, ohne dass ich es in Zukunft je merken würde oder den Blinddarm brauchen würde, wär mir das egal.

> Die Kurzform: Ethik dient der gesellschaftlich vereinbarten
> Berücksichtigung ethischer Interessen und am Leben zu bleiben
> ist im Interesse jedes empfindungsfähigen Lebewesens.

Gesellschaftlich vereinbart? Denkst du da an Rawls + Anti-Speziesismus? Finde ich gut, es gibt Schlimmeres:) Aber dass jedes Empfindungsfähige Lebewesen 'leben will' stimmt nicht. Lebewesen verhalten sich so, ja, aber das tun Pflanzen auch! 'Nur empfindungsfähige' Tiere leben instinktiv und im Moment, was zählt ist nur Wohlbefinden oder Leid.

> Mythologisch ist für mich dagegen der Utilitarismus. Wo soll
> dieses Prinzip, dass das meiste Glück die beste Lösung ist,
> herkommen, sodass sich jeder dieser kollektivistischen
> Diktatur beugen muss, egal, wie viel Schaden ihm zugunsten
> von anderen zugefügt wird, nur weil dadurch eine abstrakte
> Summe verbessert werden kann?

Eigentlich geht es gar nicht so um das Glück, Leid ist viel zentraler. Jedes empfindungsfähige Lebewesen meidet das Leid, Leid selbst ist DER Bewusstseinseindruck für 'meide mich!', 'mach sofort, dass dies aufhört!'. Man muss nur Leid mit Leid vergleichen. Egal wie viel Freude es den Römern gab, einem Tiger zuzusehen, der im Kolosseum einen Christen verspies, es war nicht ethisch gerechtfertigt; es sei denn, die Römer würden aus Langeweile(!) mehr Leiden, als der Christ. Und das ist praktisch unmöglich. Selbst wenn es noch so viele Römer sind, könnten sie sich auch anders amüsieren (z.B. eine Orgie veranstalten). Ausserdem sollte man als Utilitarist sowieso versuchen, eine 'Interessen-Harmonie' herzustellen. Den Römern sollte es gar nicht Freude bereiten, zuzusehen wie der Christ stirbt, denn dies würde ja schon andere Interessen verletzten. Also müsste man die Römer da versuchen, zu erziehen. Heute haben wir das schon grösstenteils erreicht, nur wenige Menschen würden noch in ein Kolosseum gehen, wenn dort Leute getötet würden. Jetzt müssen wir erreichen, dass Leute ihre Vorliebe für Fleisch sich abgewöhnen!

Leidvermeidung

Autor: Achim Stößer | Datum:
> zentraler. Jedes empfindungsfähige Lebewesen meidet das Leid,
> Leid selbst ist DER Bewusstseinseindruck für 'meide mich!',
> 'mach sofort, dass dies aufhört!'. Man muss nur Leid mit Leid

Und da das Lesen der widerwärtigen tierausbeutungsapologetischen Ergüsse dieses Lukas bei den ethisch verantwortlich denkenden und handelnden Lesern dieses Forums massives Leid verursacht - es heißt ja immer so schön, "wenn Dummheit weh täte ...", aber mir z.B. tut es weh, solche Dummheit zu sehen - (mal davon abgesehen, dass es bei den Tieren, die dadurch ermordet und mißhandelt werden, weil es sicher ein paar Leute gibt, die auf ihn reinfallen), werden seine Beiträge (zumal er offensichtlich lernresistent ist und auf seinem Wahn beharrt - vgl. Forenrichtlinien) ab sofort zwecks Leidvermeidung entsorgt.

Achim

Re: Kritik

Autor: martin | Datum:
> > Natürlich haben auch andere Ethik-Ansätze abwägende Elemente.
> > Es wäre jedoch terminologisch unsinnig, jede Form von
> > ethischer Abwägung als "utilitaristisch" zu kennzeichnen.
> > Utilitaristisch ist es, Abwägung als Hauptkriterium für alle
> > Entscheidungen anzusetzen; nicht wie andere Theorien,
> > lediglich bei Dilemma- oder Extrem-Situationen darauf
> > zurückzugreifen.
>
> Da Menschen sich nicht perfekt ethisch verhalten und zudem
> nicht alle Utilitaristen sind, braucht es staatliche Rechte
> und Regeln. Ausserdem hat man selten Zeit für genaue
> Abwägungen, und für Alltagsverhalten kann man sich an
> 'Faustregeln' halten, welche dann ähnlich sind wie die der
> Deontologen.

Das hat schon wieder nichts mit dem zu tun, was ich geschrieben habe. Ich schrieb, weshalb man Abwägungen nicht per se als utilitaristisch bezeichnen kann und du erklärst mir, wie sich Utilitaristen zu Gesetzen verhalten. Mir ist unklar, wie man so offensichtlich aneinander vorbei reden kann.

> Was würdest du nicht? Nach dem letzten Satz zu urteilen
> würdest du das 'kleinere Übel' nehmen, finde ich ja schon
> einmal gut. Ob man jetzt sagt, man hätte 'richtig' gehandelt,
> oder man hätte 'weniger falsch' gehandelt ist sowieso nur
> Semantik.

Nein, ist es nicht. Eines der Hauptprobleme am Utilitarismus ist, dass er nicht gerecht ist. Gerechtigkeit bedeutet, ein Individuum als Individuum angemessen zu behandeln. Beim Utilitarismus dürfen jedoch Menschen (tlw. massiv) geschädigt werden, nur weil das eine abstrakte Summe verbessert; sie werden geschädigt für etwas, wofür sie nicht verantwortlich sind. Auch das ist ein Grund, warum er gesellschaftlich nicht umsetzbar wäre. Menschen denken individualistisch, nicht kollektivistisch. (Aus dem gleichen Grund funktionier(t)en Kommunismus oder Sozialismus nicht.)

> Du hast doch vorher gerade zugegeben, dass man
> 'Rechtsverletzungen' abwägen kann, warum also wieder dieser
> Absolutismus? Es gibt Rechte, und es gibt RECHTE.

Ich habe gesagt, dass bei bestimmten Extremsituationen evt. auch ein abwägendes Element in die Überlegung einfließen kann. Ich habe nirgendwo gesagt, dass das das Erste wäre, was ich täte.

Beim Zugbeispiel würde ich mich auf erster Ebene auch wie der Gesetzeskommentar es sagt entscheiden. Natürlich ist es rein rechnerisch besser, wenn nur drei Menschen statt fünfhundert sterben. Dennoch ist es diesen drei Menschen gegenüber ungerecht, dass sie die Konsequenzen für etwas tragen müssen (und ihr Leben verlieren), was sie nicht verursacht haben.

> In Indien
> sind Kühe heilig, sie dürfen also in gewissen Regionen nicht
> geschlachtet werden. Die Folge: Lange Zwangsmärsche in der
> Hitze nach Pakistan, bei denen ein Grossteil der Tiere schon
> an erschöpfung stirbt. Die Inder würden ihren Kühen einen
> Gefallen tun, wenn sie sie selbst schlachteten.

Sie würden den Kühen einen wirklichen Gefallen tun, wenn sie nicht erst gar nicht ausbeuten würden. (Und sich selbst, würden sie sich von ihrem Theismus befreien.)

> Es ist nicht 'entweder oder'. Wenn man deinen Rechtsbegriff
> nehmen würde, dürfte ich mich nicht einmal gegen einen
> hungrigen Bären wehren! Ist doch Blödsinn.

Blödsinn ist wohl eher diese Unterstellung. Wo habe ich so einen Begriff vertreten? Wenn du dich über die angeblich falsche Darstellung des Utilitarismus aufregst, solltest du dir überlegen, ob du das gleich tun und anderen Positionen mit derartigen Strohmannargumenten begegnen solltest.

Natürlich ist Selbstverteidigung legitim, genauso wie es Selbstverteidigung gegen Menschen ist. Gesetze sind nicht, wie du unterstellst, absolut, sondern können durch andere, ggf. höherwertige Gesetze oder Regeln, überboten werden bzw. bei Verletzung gegen Normen aufgehoben werden.

> Ich esse Honig, zwar nicht 'rein', aber wenn's irgendwo in
> kleinen Mengen drinnsteckt. Gibst du mir also als
> Veganer-Guru die Erlaubnis, wieder massenhaft Fleisch, Eier
> und Käse zu essen, weil ich ja sowieso kein Veganer bin und
> Gradienten anscheinend scheissegal sind? Bitte gib mir diese
> Erlaubnis, ich hätte gerade Lust auf ein bisschen Salami!

Ich finde hier nichts, was auf mein Argument eingeht. Wer bewusst (vermeidbare) Tierprodukte konsumiert, ist nicht vegan. Wenn Singer und du bewusst Tierprodukte konsumieren, seid ihr nicht vegan. Das ist noch vor der ethischen Bewertung eine reine Definitionsfrage, die man mit Ja oder Nein beantworten kann.

> Einfach sagen 'ich lehne die
> utilitaristische Denkweise ab' ist kein Argument.

Es sollte auch kein Argument sein, sondern ein Hinweis darauf, dass das, was du sagtest, kein Argument ist, das auf diese Diskussion anwendbar ist. Man kann gerne gegen meine Utilitarismus-Ablehnung argumentieren, aber eben nicht mit solchen Argumenten, die voraussetzen, dass ich den Utilitarismus akzeptiert habe, weil ich das - nun ja - eben nicht habe.

> Nicht, dass es mich gross stören würde, dass viele Veganer
> Deontologen sind. Es sind generell mehr Menschen Deontologen
> als Utilitaristen, und ich finde es gut, dass es so zu vielen
> (naja, relativ gesehen leider) Veganern führt. Aber was mich
> stört, ist dass Singer hier zum Feindbild gemacht wird!

Abgesehen davon, dass ich kein Deontologe bin: Singer wird hier nirgendwo zum Feindbild gemacht. Zum einen wird lediglich die Hagiographie, die um ihn betrieben wird, kritisiert und widerlegt (durchaus in seinem Sinn, siehe seine Zitate, wo er kritisiert, dass ihm Positionen untergeschoben werden, die er nicht vertritt) und zum anderen wird seine Position schlicht abgelehnt. Er ist weder ein "Monster" noch ein "Feind".

> Deontologische Argumente hätten mich nie überzeugt, Veganer
> zu werden.(Aber stimmt, bin ich ja gar nicht, wenn es nach
> dir ginge; nach deiner Definition könnte ich ja genauso gut
> wieder Fleisch essen.)

Soweit ich mich erinnere, habe ich gesagt, dass wer Tierprodukte konsumiert, kein Veganer ist. Ich kann mich jedoch nicht daran erinnern, dass ich gesagt habe, dass wer sich als Veganer bezeichnet, aber deshalb keiner ist, so unvegan wie möglich leben 'dürfte' oder sollte.

> Willst du damit ernsthaft sagen, dass es dir egal wäre, wenn
> die Weltbevölkerung ab morgen nur noch halbsoviele
> Tierprodukte essen würde, wie jetzt (gleich verteilt, so dass
> niemand neu zum Veganer würde)?

Solche Fragen sind so unrealistisch gestellt, dass sie zu beantworten unsinnig wäre. (Man kann auch überlegen, wie viele Engel auf eine Nadelspitze passen, man kann seine Zeit aber auch sinnvoller nutzen.)

> Fleischesser werden dein 'Mörder' Gerede hören, und dich als
> fanatischen und naiven Tierliebhaber abstempeln, so dass sie
> sich nicht einmal mehr bewusst mit den Argumenten
> beschäftigen müssen. Dass du (bis zu einem gewissen Grad)
> Recht hast ist dann egal, sobald Menschen die Veganer in die
> 'die spinnen doch' Schublade stecken können, muss man sich
> gar keine Gedanken mehr machen.

Hier ist mir wiederum unklar, weshalb ich (a) einen Unveganer als erstes in einem Gespräch als Mörder bezeichnen sollte und (b) seit wann ich ein Tierliebhaber bin. Hingegen weiß ich, dass ich weder hier noch an anderer Stelle etwas geäußert habe, woraus man solche Schlussfolgerungen ziehen könnte.

> > Welche Indizien? Wenn man bedenkt, dass selbst Fruchtfliegen
> > Nozizeptoren haben, scheint es unwahrscheinlich, dass Bienen
> > sie nicht hätten. Und das wäre ein deutlicher Hinweis, dass
> > sie vermutlich empfindungsfähig sind. Jedoch ist die
> > Argumentation einfacher: Honig ist unnötig, daher ist es die
> > bessere Entscheidung, ihn zu vermeiden, solange man nicht
> > sicher sein kann, dass Bienen nicht empfindungsfähig sind.
>
> Hier: http://www.efsa.europa.eu/en/scdocs/doc/292.pdf

Dort steht:
Zitat: The social ants and bees, and to a lesser extent the wasps and termites, show considerable learning ability and complex social behaviour. There is evidence of inflexibility in their behaviour but the trend in recent research has been to find more flexibility. The small size of the brain does not mean poor function as the nerve cells are very small. A case might be made for some bees and ants to be as complex as much larger animals. They might be aware to some extent but we have little evidence of a pain system.

Dort steht nicht, dass es eindeutig wäre.

> Nacktmulle, die einzigen eusozial lebenden
> Säugetiere, haben kein Schmerzempfinden auf der
> Haut!

Du hättest den ersten Satz lesen sollen: "Nacktmulle sind die einzige bekannte Säugetierart, deren Haut die Substanz P fehlt." Dort steht, dass sie die einzigen sind. Mit einer Ausnahme auf eine Regel zu schließen, ist recht fraglich.

> Ja, für Singer und viele andere ist es das aber. Ich könnte
> dir jetzt vorwerfen, dass Empfindungsfähigkeit für mich kein
> wichtiges Kriterium ist. Dann würde ich mich aber DARAUF
> konzentrieren, und dich nicht SPEZIESISTEN nennen, nur weil
> dir Pflanzen oder Bakterien egal sind. Ich sehe nämlich ein,
> dass Unterschiede bestehen, genauso wie zwischen Personen und
> Ziegen unterschiede bestehen. Jetzt muss man nur noch klären,
> ob diese Unterschiede moralische Relevanz haben. Das hat
> nichts mit Speziesismus zu tun, und deshalb finde ich es eine
> Frechheit, Singer einen Speziesisten zu nennen. Du darfste
> gerne anderer Meinung sein, aber dann konzentriere dich bitte
> auf die Problematik.

Das tue ich und kann mich nur wiederholen: Es geht nicht darum, dass er sich auf das Kriterium des Zukunftsbewusstseins stützt (natürlich wäre das allein nicht speziesistisch), sondern dass er den Maßstab dieses Kriteriums an einer konkreten Spezies (dem Menschen) festmacht: Ein Recht auf Leben haben die Tiere, deren Zukunftsbewusstsein so (oder annährend so) wie das des Menschen ist; kein Recht auf Leben haben die, deren Zukunftsbewusstsein von dem des Menschen stark abweicht. Das ist wohl speziesistisch.

> > Interessen umfassend auch passive Interessen, d.h. einem Tier
> > muss nicht aktiv bewusst sein, dass es genau dieses Interesse
> > hat, um es zu haben. So kann z.B. ein Kind von zwei Jahren
> > kaum aktiv reflektieren, dass es Nahrung aufnehmen muss,
> > dennoch hat es zweifelsohne ein Interesse daran.
>
> Das zählt nicht, ohne Nahrung würde das Kind leiden. Wenn ein
> Interesse 'passiv' ist, dann merkt das Tier gar nicht, falls
> es verletzt würde! Und wenn dies zu keinem Leiden führt, wo
> liegt denn da das Problem?

Passiv heißt nur, dass es nicht bewusst reflektiert wird (nicht, dass es nicht wahrgenommen wird). Deine Frage hast du bereits selbst beantwortet: Das Problem liegt darin, dass es trotzdem (auch wenn es das Interesse nicht bewusst reflektieren oder artikulieren kann) leiden würde.

> Ausserdem hätten nach dieser
> Definition selbst Bakterien passive Interessen, die machen ja
> auch Stoffwechsel, ohne daran zu denken.

Nein, Bakterien sind nicht empfindungsfähig. Ich dachte ich hätte gesagt, dass Interesse natürlich kein Wert an sich ist (es ist auch im Interesse einer Maschine, geölt zu werden), sondern nur, insofern das betroffene Lebewesens empfindungsfähig ist.

> Aber
> dass jedes Empfindungsfähige Lebewesen 'leben will' stimmt
> nicht. Lebewesen verhalten sich so, ja, aber das tun Pflanzen
> auch! 'Nur empfindungsfähige' Tiere leben instinktiv und im
> Moment, was zählt ist nur Wohlbefinden oder Leid.

Nochmal: 1. Kriterium Empfindungsfähigkeit (daher fallen Pflanzen, Bakterien usw. raus.) 2. Kriterium Interesse.

Die Frage ist also, ob auch Tiere, die "nur instinktiv" leben, nicht trotzdem ein Interesse am Weiterleben haben. Singer sagt nein, ich (und nicht nur ich) sage ja.

Re: Kritik

Autor: Jörg Hartmann | Datum:
> Eines der Hauptprobleme am Utilitarismus
> ist, dass er nicht gerecht ist. Gerechtigkeit bedeutet, ein
> Individuum als Individuum angemessen zu behandeln.

Was auch immer Utilitarismus für Probleme haben mag: Gerechtigkeitsmangel wäre eher ein Vorteil. Weil das ein völlig diffuser (nicht nur vom jeweils historischen Normenchaos sondern letztlich vom individuellen Geschmack abhängiger) Pseudo-Begriff ist, der im Übrigen schon eine durch und durch nomistische Weltsicht voraussetzt. Es kommt ja nicht von ungefähr, dass er sehr beliebt in religiös verbrämten, herrschaftssichernden "Verfassungen" etc. ist.

Re: Kritik

Autor: Gast | Datum:
Darin, dass das ein Zirkelschluss war, hast du zwar recht, aber

1)Einerseits sagst du, Gerechtigkeit wäre ein Pseudobegriff (also kein Begriff), und andererseits sagst du, ein Mangel davon sei »eher ein Vorteil«. Maximal eines davon kann stimmen.

2)Dein »Argument«, der Pseudobegriff sei beliebt bei all jenen, die du (korrekterweise imho) als nicht so gut ansiehst, ist äußerst schwach. Ungefähr so schwach wie »aber Hitler hat auch gesagt … [zB 2+2=4]«

3)Der Begriff kann nicht sowohl vom individuellen Geschmack abhängen als auch eine nomistische Weltsicht vorraussetzen.

Nomismus »Bindung an Gesetze, Gesetzlichkeit, besonders die vom alttestamentlichen Gesetz bestimmte Haltung der strengen Juden und mancher christlicher Gemeinschaften« -Duden

Bindung an Gesetze widerspricht individuellem Geschmack.

Gerechtigkeit »das Gerechtsein; Prinzip eines staatlichen oder gesellschaftlichen Verhaltens, das jedem gleichermaßen sein Recht gewährt
etwas, was als gerecht angesehen wird
(gehoben) Justiz« -Duden, Hervorhebung durch mich (ja, das ist nur eine der möglichen Bedeutungen des Wortes, ja, eine, die du nicht naturgegeben (*) als gut oder nötig ansehen musst, aber es ist − abhängig vom Begriff »Recht«, der ja auch nicht nur eine einzige Bedeutung hat − eine sinnvolle Bedeutung die sehr dagegen spricht, dass es sich hier um einen Pseudobegriff handelt − es sei denn, du definierst jedes Wort, das mehr als eine Bedeutung haben kann als Pseudobegriff)

(*) Nein, das ist kein naturalistischer Fehlschluss, denn hier findet keine Wertung statt

Re: Kritik

Autor: Jörg Hartmann | Datum:
Gast schrieb:
>
> Darin, dass das ein Zirkelschluss war, hast du zwar recht, aber
>
> 1)Einerseits sagst du, Gerechtigkeit wäre ein Pseudobegriff
> (also kein Begriff), und andererseits sagst du, ein Mangel
> davon sei »eher ein Vorteil«. Maximal eines davon kann stimmen.

Mehr diffuse Orientierung an Pseudo-Irgendwas ist also gut?

> 2)Dein »Argument«, der Pseudobegriff sei beliebt bei all
> jenen, die du (korrekterweise imho) als nicht so gut
> ansiehst, ist äußerst schwach. Ungefähr so schwach wie »aber
> Hitler hat auch gesagt … [zB 2+2=4]«

Du solltest lesen üben. Ich habe nicht damit, dass irgendwer das toll findet, begründet, dass es schlecht sei. Ich habe darauf hin gedeutet, dass es gute Gründe (nämlich die Diffusität) dafür gibt, dass eben diese Leute anderen diesen Schwammbegriff schmackhaft zu machen trachten ("kommt ja nicht von ungefähr").

> 3)Der Begriff kann nicht sowohl vom individuellen Geschmack
> abhängen als auch eine nomistische Weltsicht vorraussetzen.

Sechs, setzen. Zum einen sind Normen Produkte (ggf. mehrerer) individueller Geschmäcker, nämlich derer, die sie setzen. Zum anderen geht es bei "Gerechtigkeit" um nichts anderes, als die "angemessene" Anwendung des (vorgefundenen) "Rechts", und was der einzelne für angemessen hält, kann geschmäcklerischer nicht sein. Das ist auch überhaupt kein Gegensatz zur - individuellen - Normengläubigkeit.

> Bindung an Gesetze widerspricht individuellem Geschmack.

Sich an Gesetze gebunden zu fühlen, _ist_ ein individueller (gleichwohl gesellschaftlich konstruierter) Geschmack, erst Recht die konkrete Art, _wie_ man das tut und ausgestaltet ("angemessen").

Auch umfangreiche rechtsphilosophische Literatur ändert nichts daran, dass jede*r eine individuell verschiedene Vorstellung davon hat, wie genau denn nun "jedem gleichermaßen sein Recht gewährt" werden sollte. Das ergibt sich sogar nach herrschender juristischer Le(e/h)rmeinung zwingend aus den verschiedenen widerstreitenden Motiven und Aspekten (z.B. Rechtssicherheit versus materielle Gerechtigkeit).

Re: Sorry,

Autor: Gast | Datum:
Es war noch eine sachliche Diskussion und die Formulierung imho in Ordnung. (Zudem bin ich andernorts, auch in diesem Forum, gerade ebenso harsch geworden also wäre ich wohl der letzte, der sich über den Ton beschweren kann)

Re: Kritik

Autor: Gast | Datum:
Vorweg, ich behaupte nicht, dass jede mögliche Bedeutung von Gerechtigkeit sinnvoll ist, ich behaupte bloß (entgegen deiner Aussage) dass es eine solche gibt.

>Mehr diffuse Orientierung an Pseudo-Irgendwas ist also gut?

Nein. Damit es etwas geben kann, muss es (der Begriff) erstmal eine Bedeutung haben. Von etwas, dass es schon aus Prinzip nicht geben kann, kann es auch nicht zu wenig oder zu viel geben.
Von zuviel Orientierung an einem Pseudobegriff habe weder ich noch du (vorher) geschrieben

Es gibt einen Unterschied zwischen einem Pseudobegriff (also keinem Begriff), und einem Pseudo[irgendein konkreter Begriff], was sehr wohl ein Begriff sein kann.


Zu deinem Einwand zu 2)

Mir war schon klar, dass das kein Argument ist, sondern eher in Richtung Polemik ging, deshalb habe ich das »Argument« auch in Anführungszeichen gesetzt. Ob es nun tatsächlich Polemik war oder nicht, es war zumindest deutlich off topic, dazu kommt, dass so etwas von denen, die es schreiben, oft als Argument verstanden wird, und hier (im Bezug auf das Thema) keinen Sinn macht, daher habe ich vermutet, dass du es als Argument verstehst. Scheinbar habe ich mich hier geirrt.

>Zum einen sind Normen Produkte (ggf. mehrerer) individueller Geschmäcker, nämlich derer, die sie setzen.

Soweit richtig. Allerdings widersprechen individuelle Geschmäcker (innerhalb der Einstellung) immer noch einer nomistischen Einstellung, außer eben bei jenen, die die Gesetze diktieren.

>Zum anderen geht es bei "Gerechtigkeit" um nichts anderes, als die "angemessene" Anwendung des (vorgefundenen) "Rechts", und was der einzelne für angemessen hält, kann geschmäcklerischer nicht sein.
Hier diskutieren wir aber über etwas ganz anderes. Du hast recht, dass nicht jeder Anhänger derselben Ethik ist, wenn das allerdings gegen (jede Bedeutung von) Gerechtigkeit sprechen soll, ist das zumindest ein naturalistischer Fehlschluss.

>Sich an Gesetze gebunden zu fühlen, _ist_ ein individueller (gleichwohl gesellschaftlich konstruierter) Geschmack

Wieder richtig, aber was Gesetz ist, ist nicht dem individuellen Geschmack unterworfen (wieder gibt es die oben erwähnten Ausnahmen, wobei hier nur eingeschränkt) (ich weiß, es gibt bedingt durch die Bedeutung des Begriffs Nomismus die Auswahl zwischen staatlichem und biblischem Gesetz, aber für individuellen Geschmack ist das etwas wenig)

>erst Recht die konkrete Art, _wie_ man das tut und ausgestaltet ("angemessen").
Außerhalb des Nomismus ja.

>Auch umfangreiche rechtsphilosophische Literatur ändert nichts daran, dass jede*r eine individuell verschiedene Vorstellung davon hat, wie genau denn nun "jedem gleichermaßen sein Recht gewährt" werden sollte.
Hat wieder nichts mit Nomismus zu tun. Nomismus ist
>Bindung an Gesetze, Gesetzlichkeit, besonders die vom alttestamentlichen Gesetz bestimmte Haltung der strengen Juden und mancher christlicher Gemeinschaften
während es dem Individuum überlassen sein mag, ob es einer nomistischen Weltsicht anhängt, ist, sobald dies einmal mit »ja« entschieden ist, alles weitere eben nicht mehr frei wählbar.

Dass jeder(?) eine individuelle Vorstellung von Gerechtigkeit hat, spricht doch nicht dagegen, dass (die Vorstellung vor) Gerechtigkein nicht einer nomistischen Weltsicht entspringen muss


Des weiteren sei darauf verwiesen, dass du ursprünglich argumentiert hast, Gerechtigkeit sei etwas schlechtes, weil jeder seine eigene Vorstellung davon habe (wobei mir nicht klar ist, weshalb das gegen jede dieser Vorstellungen sprechen sollte). Jetzt argumentierst du, alles sei eine individuelle Vorliebe. Dies ist zwar nicht direkt ein Widerspruch, führt aber zwingend dazu, dass du argumentierst, dass alles schlecht ist, und das ist imho absurd.

Gerechtigkeit

Autor: martin | Datum:

> Was auch immer Utilitarismus für Probleme haben mag:
> Gerechtigkeitsmangel wäre eher ein Vorteil.

Für wen? Für die metaphyische Vorstellung eines Gesamtwohls, wie beim Utilitarismus üblich, vielleicht; für Individuen sicher nicht. Die Frage ist, wen Ethik eher berücksichtigen sollte. Ich bin für die Individuen, die konkreten Menschen, und gegen abstrakte Zahlen.

> Weil das ein
> völlig diffuser (nicht nur vom jeweils historischen
> Normenchaos sondern letztlich vom individuellen Geschmack
> abhängiger) Pseudo-Begriff ist, der im Übrigen schon eine
> durch und durch nomistische Weltsicht voraussetzt.

Wieso "völlig diffus"? Welcher "individueller Geschmack"? Wieso "Pseudo"?

> Es kommt
> ja nicht von ungefähr, dass er sehr beliebt in religiös
> verbrämten, herrschaftssichernden "Verfassungen" etc. ist.

Verstehe ich nicht. Was ist hier der Punkt?

Re: Gerechtigkeit

Autor: Jörg Hartmann | Datum:
martin schrieb:
>
> > Was auch immer Utilitarismus für Probleme haben mag:
> > Gerechtigkeitsmangel wäre eher ein Vorteil.
>
> Für wen? Für die metaphyische Vorstellung eines Gesamtwohls,
> wie beim Utilitarismus üblich, vielleicht; für Individuen
> sicher nicht. Die Frage ist, wen Ethik eher berücksichtigen
> sollte. Ich bin für die Individuen, die konkreten Menschen,
> und gegen abstrakte Zahlen.

Normen sind nicht zum Zweck der möglichst umfassenden Berücksichtigung individueller Interessen geschaffen worden sondern zum Zweck der Festigung von Herrschaft und Ausbeutung ("Ordnung"). Schau Dir die wichtigste, über allem stehende Norm unserer "freiheitlich-demokratischen Grundordnung" an: "Würde". Würde ist ein reines Herrschaftskonstrukt. Die Vorstellung von Würde (, Ehre, Scham, Ehrgeiz, Schande, ...) ist wesentliche Grundlage der permanenten Selbstausbeutung Benachteiligter. Des Versuchs, "würdevoll" seine Rolle im System auszufüllen und "fleißig" und "erfolgreich" mitzuspielen, auch wenn es die reinste Hölle ist. Diesen Zustand stützt und stabilisiert die diffuse Vorstellung von "angemessener Rechtsanwendung" ("Gerechtigkeit").

> > Weil das ein
> > völlig diffuser (nicht nur vom jeweils historischen
> > Normenchaos sondern letztlich vom individuellen Geschmack
> > abhängiger) Pseudo-Begriff ist, der im Übrigen schon eine
> > durch und durch nomistische Weltsicht voraussetzt.
>
> Wieso "völlig diffus"? Welcher "individueller Geschmack"?
> Wieso "Pseudo"?

Was ich für "angemessen", ergo "gerecht" halte, ist zwar gesellschaftlich konstruiert, aber dennoch höchst individuell (verschieden). Der "Begriff" "Gerechtigkeit" enthält also genau genommen nichts außer individueller Verschiedenheit - und dem Hinweis auf sein gesellschaftliches Konstruiertsein.

> > Es kommt
> > ja nicht von ungefähr, dass er sehr beliebt in religiös
> > verbrämten, herrschaftssichernden "Verfassungen" etc. ist.
>
> Verstehe ich nicht. Was ist hier der Punkt?

Weil der Begriff diffus ist, also eigentlich zu nichts taugt, als uns von unseren eigentlichen Interessen abzulenken hin zu "angemessener Anwendung" des uns übergestülpten "Rechts", ist er ein perfektes Herrschaftsinstrument.

Re: Gerechtigkeit

Autor: Gast | Datum:
Bitte schau in den Duden, was Gerechtigkeit bedeutet (und such dir nicht bloß die unsinnigste Bedeutung heraus, mir ist klar, dass die meisten Tautologien sind) Beachte dabei bitte auch, dass »Recht« nicht zwangsläufig die aktuell gültigen oder irgendwelche Gesetze meint.

Unsere Grundordnung interessiert übrigens nicht, wenn über Gerechtigkeit gesprochen wird, ebensowenig wie Würde (vielleicht schaust du mal nach, in was für einem Forum du hier schreibst. »Tierrechtsforum« heißt es (zum Begriff Tierrechte siehe Glossar). Siehst du in der Verfassung irgendeines Staates so etwas?)

Dass es Ausbeutung gibt, stimmt zwar, hat aber mit Gerechtigkeit wenig zu tun. Im Englischen würde deine »Argumentation« noch irgendwie sinnvoll aussehen, weil dort das Wort für »Gerechtigkeit« gleich dem für »Justiz« ist, im deutschen ist das aber leiderleider nicht so, sodass deutlich wird, dass du den Begriff absichtlich nicht verstehst.

>Weil der Begriff diffus ist, also eigentlich zu nichts taugt, als uns von unseren eigentlichen Interessen abzulenken hin zu "angemessener Anwendung" des uns übergestülpten "Rechts", ist er ein perfektes Herrschaftsinstrument.
im Englischen vielleicht, kann’s mir aber auch da nicht so richtig vorstellen.

Re: Gerechtigkeit

Autor: martin | Datum:

> Normen sind nicht zum Zweck der möglichst umfassenden
> Berücksichtigung individueller Interessen geschaffen worden
> sondern zum Zweck der Festigung von Herrschaft und Ausbeutung
> ("Ordnung"). Schau Dir die wichtigste, über allem stehende
> Norm unserer "freiheitlich-demokratischen Grundordnung" an:
> "Würde". Würde ist ein reines Herrschaftskonstrukt. Die
> Vorstellung von Würde (, Ehre, Scham, Ehrgeiz, Schande, ...)
> ist wesentliche Grundlage der permanenten Selbstausbeutung
> Benachteiligter. Des Versuchs, "würdevoll" seine Rolle im
> System auszufüllen und "fleißig" und "erfolgreich"
> mitzuspielen, auch wenn es die reinste Hölle ist. Diesen
> Zustand stützt und stabilisiert die diffuse Vorstellung von
> "angemessener Rechtsanwendung" ("Gerechtigkeit").

Es ist schwierig, eine Diskussion zu führen, wenn du nicht auf das Thema eingehst, sondern mit Schlagworten ("Herrschaft") und Abwegigkeiten ('Ordnung ist Ausbeutung') um dich wirfst.
Worum es ging: Ohne das Gerechtigkeitsprinzip werden Individuen übergangen und können für ein fiktives Allgemeinwohl benachteiligt werden. (Ob Gerechtigkeit ist Gesetzen oder Normen verankter ist oder nicht, ist hierfür unerheblich.)

> Was ich für "angemessen", ergo "gerecht" halte, ist zwar
> gesellschaftlich konstruiert, aber dennoch höchst individuell
> (verschieden). Der "Begriff" "Gerechtigkeit" enthält also
> genau genommen nichts außer individueller Verschiedenheit -
> und dem Hinweis auf sein gesellschaftliches Konstruiertsein.

Nein, auf grundlegender Ebene enthält er überindividuelle (nicht-subjektive) Prinzipien, wie eben eine Person für genau das gleiche nicht härter oder weniger zu bestrafen als eine andere Person unter gleichen Umständen; eine Person nicht für etwas zu bestrafen oder zu benachteiligen, wofür sie nicht verantwortlich ist; usw. Dass nicht alle, die sich auf Gerechtigkeit berufen oder diese behaupten, das optimal umsetzen, ändert am Inhalt nichts.

> Weil der Begriff diffus ist, also eigentlich zu nichts taugt,
> als uns von unseren eigentlichen Interessen abzulenken hin zu
> "angemessener Anwendung" des uns übergestülpten "Rechts", ist
> er ein perfektes Herrschaftsinstrument.

Das will ich doch hoffen. Wenn Gerechtigkeit nur behauptet, aber nicht durchgesetzt wird, wäre das Rechtssystem nicht viel wert.
Auch im anderen möglichen Verständnis - dass nach dem Prinzip der Gerechtigkeit regiert wird -, sehe ich nichts Negatives.

Re: Kritik

Autor: Jörg Hartmann | Datum:
> > Woher nimmst du dieses 'elementare Recht'?
>
> Aus meinem kontraktualistischen Verständnis (sowie aus der
> Analogie zu Rechten vergleichbarer Menschen).

Auf Deutsch: Aus einem naturalistischen Fehlschluss (und einem weiteren naturalistischen Fehlschluss). Hm. Ich denke, da gibt es bessere Gründe dafür, auch unterwegs keine Eier zu essen.

Re: Kritik

Autor: martin | Datum:

> Auf Deutsch: Aus einem naturalistischen Fehlschluss (und
> einem weiteren naturalistischen Fehlschluss).

Wieso sollen diese beiden Konzepte naturalistische Fehlschlüsse sein?

> Hm. Ich denke,
> da gibt es bessere Gründe dafür, auch unterwegs keine Eier zu
> essen.

Die da wären?

Re: Kritik

Autor: Jörg Hartmann | Datum:
martin schrieb:
>
>
> > Auf Deutsch: Aus einem naturalistischen Fehlschluss (und
> > einem weiteren naturalistischen Fehlschluss).
>
> Wieso sollen diese beiden Konzepte naturalistische
> Fehlschlüsse sein?

Fangen wir mit der Klammer an: Du kannst ein "elementares Recht" nicht "per Analogie" zu ihm selbst, also mit Verweis darauf begründen, dass es eben irgendwo schon "existiert", anerkannt ist. Das ist ein rein deskriptiver Zirkel. Das ist genau gar nicht argumentativ. Dann kannst Du auch gleich "war schon immer so", "gesunder Menschenverstand" oder "Stammtisch" sagen.

Und genau dieses "war schon immer so" ist Dein "kontraktualistisches Verständnis", denn dort soll es angeblich in grauer Vorzeit zwischen Leuten, von denen wir irgendwie (teilweise) abstammen, auf Basis irgendwelcher "Naturzustands"-Frustrationen ein allgemeines implizites Übereinkommen zur Errichtung einer "legitimen staatlichen Ordnung" gegeben haben.

Abgesehen davon, dass sämtliche Vertragstheorien nur Gedankenexperimente und daher zur Erklärung "bestehender Rechte" per se untauglich sind, hat es, wie wenigstens wir Veganer*innen wissen sollten, nie je einen chaotischen "Naturzustand" und ebensowenig je eine aus unserer Sicht auch nur entferntest "legitime staatliche Ordnung" gegeben. Aber selbst wenn: Damit, dass auf irgend eine Weise eine (vermeintliche) Übereinkunft über irgendwelche Rechte getroffen worden sein soll, kann man die Sinnhaftigkeit oder Notwendigkeit eben dieser Rechte nicht argumentativ herleiten. Man kann nur feststellen: Irgendwie "gelten" sie, "sind schon da". Alles andere ist Piruettendrehen.

> > Hm. Ich denke,
> > da gibt es bessere Gründe dafür, auch unterwegs keine Eier zu
> > essen.
>
> Die da wären?

Dass auch sogenannte Freiland- oder Bioeier nicht leidfrei "produziert" werden, ist ja Konsens (unter uns jedenfalls). Dass empfindsame Wesen prinzipiell motiviert sind, ihr eigenes Leid zu reduzieren, ebenfalls. Daher ist es offenbar nicht nur summarisch sondern auch interindividuell eine sinnvolle Strategie, auch im Umgang miteinander gegenseitig Leid zu vermeiden, zumal komplett unnötiges. Wende dies auf die Eier an, und Du kommst ohne "Gedankenexperimente" aus - und ohne Fehl- und Zirkelschlüsse.

Vertragstheorie, Leidvermeidung

Autor: martin | Datum:
> Fangen wir mit der Klammer an: Du kannst ein "elementares
> Recht" nicht "per Analogie" zu ihm selbst, also mit Verweis
> darauf begründen, dass es eben irgendwo schon "existiert",
> anerkannt ist. Das ist ein rein deskriptiver Zirkel. Das ist
> genau gar nicht argumentativ.

Wenn man das Ziehen von Analogien isoliert, kann man vielleicht wie du argumentieren. Ich habe jedoch vorausgesetzt (wohl vorschnell), dass man Selbstverständlichkeiten mitbedenkt. Die sind hier: Nicht das Ziehen der Analogie zu anderen Rechten ist das Argument allein, sondern, unter der Maßgabe, dass diese anderen Rechte gut begründet sind, eben diese Begründung. (Erstens, und zweitens die daraus resultierende Notwendigkeit logischer Konsistenz.) Heißt: Dass (die meisten) nichtmenschlichen Tiere elementare Rechte erhalten sollen, ist nicht deshalb notwendig, weil es diese Rechte bei Menschen gibt, sondern weil diese bei Menschen einer Begründung unterliegen, die für die nichtmenschlichen Tiere ebenso zutrifft. (Und man diesen Widerspruch nicht ignorieren kann, ohne inkonsistent zu handeln.)

> Und genau dieses "war schon immer so" ist Dein
> "kontraktualistisches Verständnis", denn dort soll es
> angeblich in grauer Vorzeit zwischen Leuten, von denen wir
> irgendwie (teilweise) abstammen, auf Basis irgendwelcher
> "Naturzustands"-Frustrationen ein allgemeines implizites
> Übereinkommen zur Errichtung einer "legitimen staatlichen
> Ordnung" gegeben haben.

Ich sehe das Problem. Du verwechselst (bzw. vermischst) Kontraktualismus mit Naturrecht. Kontraktualismus ist das Gegenteil von Naturrecht.

Zitat: Vertragstheorie, eine sozialphilosophische Anschauung, nach der sich die Menschen als gleiche und freie Wesen aufgrund eines Vertrages (Kontraktes) zu Staat und Gesellschaft zusammengetan haben. Der Kontraktualismus geht von der Vernunft der Menschen aus und basiert auf dem Tauschprinzip; so geben bei T Hobbes die Menschen ihre je spezifische Macht auf, um Sicherheit von ihren Mitmenschen einzuhandeln, so verzichten aus dem gleichen Grund bei J.-J. Rousseau die Menschen auf ihre natürliche Freiheit. Die Vorstellung eines Gesellschaftsvertrages löste in der bürgerlichen Gesellschaft die als irrational angesehene Vorstellung einer natürlichen Soziabilität des Menschen - und damit zugleich der Natürlichkeit der societas civilis - ab, indem die Herrschaftsverhältnisse nun vom rationalen Handeln der Menschen abhängig gemacht werden.

(http://www.wirtschaftslexikon24.net/e/kontraktualismus/kontraktualismus.htm)

Die zweite Unterstreichung ist das, was du wohl im Sinn hast. Kontraktualismus sagt hingegen, es gibt keine natur- oder gottgegebenen Rechte. Alle Rechte, sind ausgehandelt und können prinzipiell immer wieder neu verhandelt (verändert, erweitert, eingeschränkt) werden.

> Abgesehen davon, dass sämtliche Vertragstheorien nur
> Gedankenexperimente und daher zur Erklärung "bestehender
> Rechte" per se untauglich sind,

So halb. Es ist richtig, dass gegenwärtiges Recht verschiedene Begründungen und Prinzipien hat. Das ändert nur nichts daran, dass ein rein kontraktualistisches Recht ein Ideal ist bzw. sein sollte (und etwas anderes habe ich nicht gesagt).

> Dass auch sogenannte Freiland- oder Bioeier nicht leidfrei
> "produziert" werden, ist ja Konsens (unter uns jedenfalls).
> Dass empfindsame Wesen prinzipiell motiviert sind, ihr
> eigenes Leid zu reduzieren, ebenfalls. Daher ist es offenbar
> nicht nur summarisch sondern auch interindividuell eine
> sinnvolle Strategie, auch im Umgang miteinander gegenseitig
> Leid zu vermeiden, zumal komplett unnötiges. Wende dies auf
> die Eier an, und Du kommst ohne "Gedankenexperimente" aus -
> und ohne Fehl- und Zirkelschlüsse.

Und wenn jemand sagt, ihm oder ihr sei Leidvermeidung egal und wenn er Eier essen wolle, werde er oder sie das tun? Wenn diese Person fragt, mit welche Recht du sie davon abhalten willst?

Re: Vertragstheorie, Leidvermeidung

Autor: Jörg Hartmann | Datum:
martin schrieb:
>
> > Fangen wir mit der Klammer an: Du kannst ein "elementares
> > Recht" nicht "per Analogie" zu ihm selbst, also mit Verweis
> > darauf begründen, dass es eben irgendwo schon "existiert",
> > anerkannt ist. Das ist ein rein deskriptiver Zirkel. Das ist
> > genau gar nicht argumentativ.
>
> Wenn man das Ziehen von Analogien isoliert, kann man
> vielleicht wie du argumentieren. Ich habe jedoch
> vorausgesetzt (wohl vorschnell), dass man
> Selbstverständlichkeiten mitbedenkt. Die sind hier: Nicht das
> Ziehen der Analogie zu anderen Rechten ist das Argument
> allein, sondern, unter der Maßgabe, dass diese anderen Rechte
> gut begründet sind, eben diese Begründung. (Erstens, und
> zweitens die daraus resultierende Notwendigkeit logischer
> Konsistenz.) Heißt: Dass (die meisten) nichtmenschlichen
> Tiere elementare Rechte erhalten sollen, ist nicht deshalb
> notwendig, weil es diese Rechte bei Menschen gibt, sondern
> weil diese bei Menschen einer Begründung unterliegen, die für
> die nichtmenschlichen Tiere ebenso zutrifft. (Und man diesen
> Widerspruch nicht ignorieren kann, ohne inkonsistent zu
> handeln.)

Eben diese (angebliche) Begründungs bleibst Du aber schuldig bzw. drückst Dich mit eben jener Analogie darum.

> > Und genau dieses "war schon immer so" ist Dein
> > "kontraktualistisches Verständnis", denn dort soll es
> > angeblich in grauer Vorzeit zwischen Leuten, von denen wir
> > irgendwie (teilweise) abstammen, auf Basis irgendwelcher
> > "Naturzustands"-Frustrationen ein allgemeines implizites
> > Übereinkommen zur Errichtung einer "legitimen staatlichen
> > Ordnung" gegeben haben.
>
> Ich sehe das Problem. Du verwechselst (bzw. vermischst)
> Kontraktualismus mit Naturrecht.

Nö. Ich schrieb "Naturzustand" ("status naturalis"), nicht "Naturrecht".

> Kontraktualismus ist das Gegenteil von Naturrecht.

Noch weniger. Beide erklären dasselbe: Die Legitimität der bestehenden Ordnung. Beide greifen dabei auf obskure Vorannahmen zurück: "Naturrecht" bzw. göttlicher Wille oder eben ein imaginärer "Gesellschaftsvertrag" als vermeintlich historische Überwindung des "Naturzustands". Allerdings haben die Erfinder der Vertragstheorie an die tatsächliche Historizität gar nicht geglaubt. Überwunden wurde beides zunächst durch verschiedene rechtspositive Ansätze. Und auch die sind in reflektierten Teilen der Gesellschaft nur noch ein alter Hut, wofür gibt es schließlich Herrschaftsdekonstruktion, spätestens seit Max Weber sogar weitgehend etabliert (außer in den Zirkeln der Macht selbst, versteht sich).

>
Zitat: Vertragstheorie, eine sozialphilosophische Anschauung,
> nach der sich die Menschen als gleiche und freie Wesen
> aufgrund eines Vertrages (Kontraktes) zu Staat und
> Gesellschaft zusammengetan haben
. Der Kontraktualismus
> geht von der Vernunft der Menschen aus und basiert auf dem
> Tauschprinzip; so geben bei T Hobbes die Menschen ihre je
> spezifische Macht auf, um Sicherheit von ihren Mitmenschen
> einzuhandeln, so verzichten aus dem gleichen Grund bei J.-J.
> Rousseau die Menschen auf ihre natürliche Freiheit. Die
> Vorstellung eines Gesellschaftsvertrages löste in der
> bürgerlichen Gesellschaft die als irrational angesehene
> Vorstellung einer natürlichen Soziabilität des Menschen - und
> damit zugleich der Natürlichkeit der societas civilis -
> ab
, indem die Herrschaftsverhältnisse nun vom rationalen
> Handeln der Menschen abhängig gemacht werden.
>
> (http://www.wirtschaftslexikon24.net/e/kontraktualismus/kontraktualismus.htm)

> Die zweite Unterstreichung ist das, was du wohl im Sinn hast.

Quatsch.

> Kontraktualismus sagt hingegen, es gibt keine natur- oder
> gottgegebenen Rechte. Alle Rechte, sind ausgehandelt ...

Also nur ein anderer Aberglaube. Ein lähmender noch dazu.

> > Abgesehen davon, dass sämtliche Vertragstheorien nur
> > Gedankenexperimente und daher zur Erklärung "bestehender
> > Rechte" per se untauglich sind,
>
> So halb. Es ist richtig, dass gegenwärtiges Recht
> verschiedene Begründungen und Prinzipien hat. Das ändert nur
> nichts daran, dass ein rein kontraktualistisches Recht ein
> Ideal ist bzw. sein sollte (und etwas anderes habe ich nicht
> gesagt).

Du meinst vielleicht, dass Normen, soweit überhaupt vorhanden, auf Vereinbarung, also auf Konsens basieren bzw. konsequenter: sich eben darauf beschränken sollten. Das ist, als reines Ideal, aber Anarchie, nicht Vertragstheorie. Letztere hat die bestehende Ordnung in ihrer - nicht bezweifelten - Legitimität nur anders erklären wollen. Deshalb sollten alle Veränderungen auch von der bestehenden Ordnung (quasi durch Vertragsänderungen) ausgehen. Das ist aber eben gerade kein Konsens.

> > Dass auch sogenannte Freiland- oder Bioeier nicht leidfrei
> > "produziert" werden, ist ja Konsens (unter uns jedenfalls).
> > Dass empfindsame Wesen prinzipiell motiviert sind, ihr
> > eigenes Leid zu reduzieren, ebenfalls. Daher ist es offenbar
> > nicht nur summarisch sondern auch interindividuell eine
> > sinnvolle Strategie, auch im Umgang miteinander gegenseitig
> > Leid zu vermeiden, zumal komplett unnötiges. Wende dies auf
> > die Eier an, und Du kommst ohne "Gedankenexperimente" aus -
> > und ohne Fehl- und Zirkelschlüsse.
>
> Und wenn jemand sagt, ihm oder ihr sei Leidvermeidung egal
> und wenn er Eier essen wolle, werde er oder sie das tun? Wenn
> diese Person fragt, mit welche Recht du sie davon abhalten
> willst?

Dann gibt Deine Vertragstheorie auch nur die Antwort: Weil das (angeblich) irgendwann mal irgendwer für Menschen vereinbart hat. Viel Spaß bei der Vertragsänderung (Gegenstandserweiterung) zu Gunsten nicht-menschlicher Tiere.

Das Wohl von vielen, das Wohl von einzelnen

Autor: Achim Stößer | Datum:
> Ausserdem, bezüglich deinen 'elementaren Rechten', wenn du
> vor der Wahl stehst, ein Tier schmerzlos zu töten um tausende
> Tiere vor Qual und Tod zu retten, würdest du es tun? Falls
> ja, unterscheidet dich nichts vom Utilitarismus, ausser eben,
> dass das 'töten an sich' auch als 'schlechte Konsequenz'
> zählt. Falls nein, was ist das denn für eine absurde und
> unethische Moralvorstellung? 'Richtig zu handeln' bedeutet
> doch, die Welt besser machen. Und wenn anstatt einem Tiere
> tausende qualvoll sterben, dann ist das klar schlechter. Du
> meinst, hier Singer als Utilitarist verurteilen zu können,
> aber wenn du wirklich lieber tausendmal mehr Leid willst, als
> nötig wäre, dann bist doch du derjenige, der unmoralisch denkt.

Zwei Züge rasen aufeinander zu, es wird tausend Tote geben. Es sei denn, Du verstellt eine Weiche, so dass einer der Züge auf ein Nebengleis fährt, dort aber zwingend die drei Gleisarbeiter töten wird. Laut der mir viorliegenden Ausgabe des Schönke-Schröder (dem Strafrechtskommentar; in diesem ist in etwa dieses Beispiel zu finden ist), ist dies nicht zulässig, da diese Handlung zum Tod der drei Gleisarbeiter führt. Und das, obwohl dadurch 997 Menschen weniger sterben.

Und nun?

Ein Flugzeug mit hunderten Passagieren abschießen, das von einem Theisten entführt wurde, um so einen Terroanschlag zu verhindern?
Zitat: "Wenn ein von Terroristen gekapertes Flugzeug einen Angriff auf unser Gemeinwesen richtet, müssen Menschenleben gerettet werden können", sagte Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) der "Bild am Sonntag". Vor einigen Wochen hatte der Minister mit ähnlichen Aussagen einen heftigen Streit ausgelöst. Einen Abschussbefehl dürfe man nicht öffentlich ankündigen, hatte der Koalitionspartner SPD gewettert. Das sei verfassungswidrig. Kanzlerin Angela Merkel hatte daraufhin in internen Gesprächen Zurückhaltung bei Sonntagsinterviews angemahnt. http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,509884,00.html


Jedenfalls ist mir bislang nicht zu Ohren gekommen, dass Singer sämtlich greifbaren Unveganer ermordet hätte, um dadurch jeweils pro Ermordetem "22 Schweine, außerdem sieben Rinder, zwanzig Schafe, sechshundert Hühner, [...] unzählige Fische [...] und viele andere Tiere" zu retten (kein Wunder, würde das doch auch gleich Selbstmord implizieren, da Singer ja Unveganer ist).

Und Lukas? Wieviele Unveganer hat er wohl schon ganz utilitaristisch um die Ecke gebracht?

Nun ja, von jemandem, der sich darüber aufregt, dass Singer als Unveganer bezeichnet wird, nur weil er unvegan ist, ist wohl nicht viel Logik zu erwarten ...

Dagegen hat selbst Spock sein "The needs of the many outweigh the needs of the few; or the one" letzlich revidiert. Manche Autoren von SF-Filmen sind wohl ethisch weiter als Singer. Naja, ist ja auch nicht so schwer.

Achim

Singer: "nichts gewußt"?

Autor: Achim Stößer | Datum:
> Ich kann mir vorstellen, dass er es darum nicht tut, weil
> 'vegan' auch Dinge beinhaltet, gegen die Singer nichts hat.

Z.B. Eierfressen.

> darauf hin, dass Bienen eben nicht empfindungsfähig sind. Ob
> Singer, als er die Bücher schrieb, über das
> Geschlechtsproblem (männliche Küken werden vergast) bei
> (Freiland)Hühnern zur Eierproduktion gewusst hat, weiss ich
> nicht, wahrscheinlich nicht. Und eben, wie im obigen

Jaja, die beliebte Ausrede, "wir haben nichts gewußt". Was kommt als nächste, "Wenn das der [strike]Führer[/strike]Tierrechtsphilosoph wüßte"?

Wie, der Papst ist katholisch? Hitler soll Antisemit gewesen sein? Na sowas ...

Es spräche ja nun auch nicht gerade für Singer, wenn er nichteinmal die grundlegensten Fakten zu dem Thema, über das er ausführlich "philosphiert", kennt. Nichtsdestotrotz weiß er es inzwischen gezwungenermaßen, von denen, die im Gegensatz zu ihm, Veganer, Antispeziesisten und Tierrechtler sind, darauf aufmerksam gemacht.

Wo also bleibt seine Revision seiner damaligen Aussage? Wo seine Konsequenz - das Eierfressen sein zu lassen (wobei ich wette, dass er sich beim Tierproduktkonsum weder auf Eier noch auf solche aus dieser Art der Gefangenhaltung beschränkt)? Eben.

Ganz davon abgesehen, dass das Vergasen oder Vermusen der männlichen Küken ja nun keineswes der einzige Grund ist, keine "Freilandeier" zu konsumieren (vielmehr der, der von hypokritischen Tierschützern gelegentlich kritisiert wird (siehe Künast in VsM), womit dann, wenn etwa durch Sexen vor dem Schlüpfen, sobald diese Methode ausgereift ist und angewandt wird, die Eier garantiert ein Tierschutzsiegel bekommen werden).

Dass Lukas ausgerechnet diesen, und nur diesen, anführt, ist vielsagend. Kein Wort über Qualzüchtung, Ermordung der Hennen, wenn die "Legeleisting" nachlässt - und schon gar nicht über die Gefangenhaltung. Und auch wenn Lukas einige Leute mit seiner Vernebelungstaktik für dumm verkaufen kann, dass Singer "damals" glaubte, die "Freilandeier" würden von frei lebenden Bankivahühnern in Indonesien gesammelt, wird ihm selbst der Dümmste nicht abnehmen. Was impliziert, dass Singer eben diese Gefangenhaltung von Hühnern gutheißt (guthieß in "Animal Liberation" und seine Ansicht nach meinem Kenntnisstand bis dato nicht revidiert hat). Selbst wenn er dies glaubte: dass er "damals" wohl zumindest nicht glaubte, die "Freilandeier" würden an Eierbäumen wachsen, impliziert, dass Singer eben diese Ausbeutung von Hühnern gutheißt (guthieß in "Animal Liberation" und seine Ansicht nach meine Kenntnisstand bis dato nicht revidiert hat).

Stellt sich also die Frage, weshalb Lukas derartig abstruse Sinegrapologetik betreibt.

Meine Vermutung (ohne ihn zu kennen und mehr zu wissen als das, was hier in den Beiträgen steht): er ist sich als Veganer ausgebender (maximal) Pseudoveganer, der so seine speziesistische Tierausbeutung (vor sich oder für den Fall der Aufdeckung prophylaktisch) zu rechtfertigen versucht.

Achim

Typisch unveganer speziesistischer tierrechtsverletzender Singeranbeter

Autor: Achim Stößer | Datum:
> Stellt sich also die Frage, weshalb Lukas derartig abstruse
> Sinegrapologetik betreibt.
>
> Meine Vermutung (ohne ihn zu kennen und mehr zu wissen als
> das, was hier in den Beiträgen steht): er ist sich als
> Veganer ausgebender (maximal)
> Pseudoveganer,
> der so seine speziesistische Tierausbeutung (vor sich oder
> für den Fall der Aufdeckung prophylaktisch) zu rechtfertigen
> versucht.

Zitat: Ich esse Honig, zwar nicht 'rein', aber wenn's irgendwo in kleinen Mengen drinnsteckt. Gibst du mir also als Veganer-Guru die Erlaubnis, wieder massenhaft Fleisch, Eier und Käse zu essen, weil ich ja sowieso kein Veganer bin und Gradienten anscheinend scheissegal sind? Bitte gib mir diese Erlaubnis, ich hätte gerade Lust auf ein bisschen Salami!

"...Lukas" heute, 15:11


Achim

Take on me: Singer nimmt es mit Kant auf - oder?

Autor: Achim Stößer | Datum:
> Und schlussendlich noch das absurdeste Beispiel:
>
> [So Singer takes on Kant for arguing that "humans have an
> inherent dignity that makes them ends in themselves, whereas
> animals are mere means to our ends".
>
> (So argumentiert Singer mit Kant, dass "Menschen eine
> inhärente Würde haben, die einen Selbstzweck darstellt,
> wogegen Tiere nur Mittel für unsere Bedürfnisse sind".)]
>
> Das ist schlichtweg falsch übersetzt. Eigentlich hiesse es
> "Also widerspricht Singer Kant, welcher argumentiert, dass
> Menschen eine inhärente Würde haben, welche ihnen einen
> 'Selbstzweck' gibt, während dem Tiere nur Mittel zu unseren
> Zielen sind."

Wie übersetzt man "Untiefe" (was ja sowohl eine besonders flache Stelle als auch eine besonders große Tiere bezeichnen kann)? Richtig, es hängt vom Kontext ab.

Ähnlich verhält es sich mit "to take on", das zwei praktisch diametral gegenteilige Bedeutungen haben kann. So kommt es durchaus vor, dass jemand auf die Frage "could you take on sb else's kids" ("würdest du jemandes Kinder [an Kindes statt] annehmen?") antwortet: "kommt drauf an, wie viele es sind und ob sie bewaffnet sind", weil es eben auch "könntest Du es mit [ihnen] aufnehmen" heißen könnte. Mögliche Übersetzungen von "to take on" sind u.a. "annehmen, auf sich nehmen, übernehmen, sich aufregen, antreten gegen, [jemanden] einstellen, engagieren, sich anlegen mit, es mit jdm. aufnehmen" usw.

Wie also ist "Singer takes on Kant" hier zu übersetzen?

Betrachten man den Kontext ("One Man's Animal Husbandry"), so handelt es sich um einen Artikel, in dem die Autorin sich über Singers Aussagen (konkreter Anlaß: seine Befürwortung von Zoosexualität) auslässt:
Zitat: So Singer takes on Kant for arguing that "humans have an inherent dignity that makes them ends in themselves, whereas animals are mere means to our ends."

Thus, it's wrong for animals to be a means to an end when it comes to food, but somehow this scholar finds a loophole for sex.


Sie könnte damit also meinen:
1. Obwohl Singer sich mit Kant anlegt (dies entspräche grob Lukas' "Übersetzung"), weil dieser Tiere als Mittel zum Zweck betrachtet, verhält Singer sich hypokritisch, indem er Tiere eben (entgegen seiner angeblich Ablehnung der kantschen Aussage) sehr wohl als Mittel zum Zweck (zwar nicht zum Verzehr, wohl aber zum Zweck der Befriedigung der sexuellen "Bedürfnisse") betrachtet. Sie würde damit also zum Ausdruck bringen, dass Singer ein Heuchler ist, der Wasser predigt ("it's wrong for animals to be a means to an end when it comes to food", paraphrasiert: "Kants Tiere als Zweckmittel ist falsch"), aber Wein säuft ("but somehow this scholar finds a loophole for sex", paraphrasiert: "nmT zum Zweck der Triebbefriedigung missbrauchen ist okay").
2. Singer übernimmt Kants Betrachtungsweise (dies entspäche Martins Version), dass Tiere Mittel zum Zweck sind, jedenfalls, wenn der Zweck Sex ist.

Weder das eine noch das andere spricht für Singer, völlig unabhängig davon, welche Übersetzung nun die "richtige" ist, und ...

> Also sagt Singer gerade das Gegenteil, im Gegensatz zu Kant
> ist er dafür, das Tierwohl auch zählt! So eine Sauerei, das
> ist doch Rufmord....

... damit ist Martins Übersetzung eben keineswegs "Rufmord", sondern wäre allenfalls - wenn sie denn falsch wäre - eben nichts als ein versehentlicher Übersetzungsfehler einer alles andere als leicht zu übersetztenden Textstelle.

Eine "Sauerei" natürlich ohnehin nicht - dieser Terminus offenbart lediglich Lukas' Speziesismus. Der uns hier noch eine Erklärung schuldig ist, wieso Zoosexualität dem "Tierwohl" ("im Gegensatz zu Kant ist er dafür, das Tierwohl auch zählt") dienen soll.

Im gleichen Artikel steht übrigens: "You could say Singer's take on(!) animal rights is: You can have sex with them, but don't eat them."

Zu all dem noch der Hinweis, dass es in Martins obigem Beitrag, soweit ich das beurteilen kann, ja nun eben nicht primär direkt um Singers inakzeptable Ansichten geht, sondern vielmehr um deren - durch ihn verschuldete! *) - Rezeption, insbesondere deren Darstellung in den Medien.

Achim

*) Natürlich ist niemand gegen falsche Darstellung in der Presse gefeit; so behauptete etwa die "Deutsche Welle" Rußland kürzlich, ich sei Fruktarier - "Следует отметить, что Штёссер придерживается крайней формы веганства – фруктарианства" -, was ja nun offensichtlich völliger Blödsinn ist. Worum es geht, ist die zutreffende Darstellung der abstrusen Singerschen Thesen. Und das betrifft keineswegs nur seine Befürwortung von Zoosexualität, sondern auch seine Tierrechtsverletzung, seinen Unveganismus und seinen Speziesismus (sowohl in der Theorie als auch der Praxis)

Singer ist (und bleibt) Unveganer, ergo speziesistischer Tierrechtsverletzer

Autor: Achim Stößer | Datum:
> "Dieser Beitrag wurde 3717 mal gelesen" -- Traurig!

Stimmt. Viel mehr müssten sowas lesen, dann käme vielleicht niemand auf den Gedanken, ausgerechnet diesem Singer einen "Ethikpreis" zu verleihen.

> schrecklichen Link verwiesen... Hier die Richtigstellung (von
> jemandem, der Singers Bücher gelesen hat, was beim Autor
> dieses Beitrags wohl nicht der Fall ist):

Ich wette, Martin hat weit mehr von und über Singer gelesen als er.

Nicht, dass nicht wenige Aussagen Singers allein schon genügen würden ...

> Singer IST ein Gründer der Tierrechtsbewegung, für ihn sind

Dieser Unfug ist wohl zur genüge widerlegt (auch in diesem Thread). Es immer und immer wieder zu behaupten macht es nicht wahrer.

> trotzdem setzt er sich für Tierrechte ein. Kürzlich wurde er

Er setzt sich nachweislich gegen Tierrechte ein (und vereltzt sie massiv). Kleiner, aber feiner unterschied.

> Böses gemeint ist, ist vollkommen irreführend. Grössenteils
> lebt Singer nämlich vegan, und er hat sich in seinem

Das tun die meisten Menschen (mehr Kartoffeln als Kühe etc. essen), wenn man "vegan" so absurd definiert.

> Lebenswerk wie nur wenige andere Philosophen für
> nichtmenschliche Tiere eingesetzt!

Was nicht für ihn, sondern lediglich gegen das andere ethisch minderbemittelte Philosphenpack spräche.

> Als gefragter Philosoph reist er an viele Kongresse, und
> manchmal ist es in gewissen Gegenden schwierig, schnell an
> veganes Essen zu kommen. Dann erlaubt er sich halt manchmal

Ja, er stürzt daurnd mit dem Flugzeug in den Anden ab (wo sonst kommt man, erst recht als "gefragter Philosph", der zu "kongressen reist", nicht "schnell an veganes Essen"?). Zum Glück gibt's in den Anden en masse "Freilandeier".

> Freilandeier, wenn er in der Welt herumreist um die Leute zu
> überzeugen, ethischer zu handeln (so ein Bösewicht, oder, wer
> tun denn sowas?).

Ein Unveganer wie Singer z.B.

Wie kommt er bei seinen Reisen denn eigentlich "schnell an" Freilandeier? Die Gefangenhaltungsform der Hühner, von denen die Menstruationsprodukte, die Singer frißt, stammen, ist also "schnell" zu ermitteln und man kommt da "schnell an" solche aus der sogenannten "Freilandhaltung", nicht aber an Kartoffeln?

> "speziesistischer" -- Frechheit! Sowas macht mich wütend,
> mehr dazu weiter unten.

Ja, als - wie es scheint - Singeranbeter macht es ihn wütend, berechtigte Kritik an ihm zu hören, schon klar.

> "Er ist sich zumindest bewußt, daß er nie für Veganismus
> argumentiert hat - im Gegensatz zu Leuten, die sein Buch
> zitieren, ohne es gelesen zu haben:"
>
> Komplette Fehlinterpretation, und das 'ohne es gelesen zu
> haben' ist offensichtlich voll von Ironie. Singer sagt nur,
> dass das Töten von Tieren nicht grundsätzlich falsch ist.

Nein, das sagt er nicht "nur". Er sagt z.B. auch, dass man Eier fressen (ergo Hühner quäöeln, einpferchen, ermorden) darf - und tut es auch.

> Trotzdem kann man sich für den Veganismus aussprechen, wenn
> man ihn mit 'Leid verhindern' begründet, und dies hat Singer
> auch ganz klar und oft getan!

Mit der Hand un der unveganen Keksdose? Sehr glaubwürdig.

> "Und nicht zuletzt rechtfertigt er billigsten Speziesismus
> mit absurden Argumenten:"
>
> Der Autor dieses Beitrages weiss anscheinend nicht, was
> Speziesismus ist. Ist es speziesistisch von mir, wenn ich
> einem Bakterium keine Grundrechte gebe? Nein, das Bakterium

Wer hier nicht weiß, was Speziesismus ist, ist offensichlich.

Er weiß nichteinmal, was eine Spezies ist.

> ist zwar eine Spezies, trotzdem gibt es RELEVANTE KRITERIEN,

Ein Bakterium ist also eine Spezies. Faszinierend. Nein, ist es natürlich nicht. Nichteinmal "Bakterien sind Spezies" trifft es, vielmehr bilden Bakterien eine der drei Domänen, in die Lebenwesen unterteilt werden. Das nur am Rand.

Zitat: Speziesismus
Diskriminierung von Individuen aufgrund ihrer Art­zugehörigkeit (analog zu Rassismus, Sexismus etc., also zur Diskriminierung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe bzw. einem Geschlecht).

Dies ist nicht zu verwechseln mit der Berück­sichtigung tatsächlicher und relevanter Unter­schie­de zwischen Individuen.

http://maqi.de/glossar/speziesismus


> die Menschen von Bakterien unterscheiden, z.B. die
> Empfindungsfähigkeit.

Singer ist nicht wegen seiner Darmbakterien Spzeisist, sondern weil er z.B. Hühner ermordet. Und diese unterscheiden sich eben diesbezüglich nicht von etwa diversen anderen Spzeies etwa von Menschenaffen.

> Unsere Gesellschaft erlaubt das Abtreiben von
> empfindungsfähigen Föten. Ob der Fötus, oder das Baby,

Weil Abtreibung in "unserer Gesellschaft" erlaubt ist, ist also Eierfressen ethisch vertretbar?

Interessant. Nur ist Abtreibung in Deutschland idR bis zum dritten Monat, in anderen Ländern gar nicht oder bis zur Geburt erlaubt. Ja was denn nun? Das allein zeigt schon, dass aus der Tatsache, dass etwas legal ist, offensichtlich kein ethischer Handlungsmaßstab abzuleiten ist.

> innerhalb des Mutterleibes oder ausserhalb davon ist, hat
> keinen Einfluss auf den Bewusstseinszustand davon. Wenn man
> also konsequent ist, dürfte man auch nach der Geburt
> 'abtreiben', solange das Baby von den mentalen Fähigkeiten
> noch einem Fötus ähnelt. Singer hat jedoch eingesehen, dass

Ich finde, Lukas' "mentale Fähigkeiten" "ähneln" auch "einem Fötus" (gemeint ist wohl: denen eines Fötus). Und nun?

In einer Erzählung von Dick ist postnatale "Abtreibung" erlaubt, bis jemand zur Person wird. Person ist, wer Differentialgleichungen lösen kann ...

> Jedenfalls, Singer bringt das plausible Argument, dass die
> Fähigkeit der Selbsterkenntnis, dass man seine eigene

Diese ist mittlerweile nicht nur z.B. bei Primaten und Walen, sondern auch diversen Vögeln nachgewiesen. Dumm gelaufen für den erierfressenden Menschenaffenrechtler, oder?

> Ausserdem hat man zeigen können, dass Schimpansen und
> womöglich andere Menschenaffen 'Voraussicht' und
> Selbsterkenntnis besitzen. Und siehe da: Singer will ihnen
> Rechte geben. Das ist gut und vollkommen konsequent. Wer

S.o.

> sagt, Singer sei ein Speziesist, ist entweder ein Idiot, oder
> jemand, der seine Werke nicht einmal annähernd gelesen hat,

Ich sage, Singer ist ein Speziesist (und kann das zudem belegen - mit Singerzitaten, die nicht aus dem Kontext gerissen sind). Ergo bin ich (der ich "seine Werke [...] annähernd gelesen" habe), ein Idiot.

Nun, dazu gibt es wohl geteilte Ansichten.

Achim